9ObA35/24y – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Dr.Wallner Friedl sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Ingomar Stupar (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Gahleitner Rechtsanwältin GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Ö* AG, *, vertreten durch CMS Reich Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 1.424,38 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 27. März 2024, GZ 9 Ra 105/23m 45, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] Der Kläger war bei der Beklagten als Zusteller beschäftigt. Bei Beendigung des Dienstverhältnisses wies sein Zeitkonto Minusstunden auf, für die ihm die Beklagte in der Gehaltsabrechnung zum Ende des Dienstverhältnisses den Klagsbetrag abzog.
[2] 1. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 8 ObA 58/23x zur Auslegung der auch im vorliegenden Fall anwendbaren „Betriebsvereinbarung gemäß § 4b AZG iVm § 29 ArbVG und gemäß § 73 Abs 2 Z 2 PBVG sowie gemäß § 96 ArbVG über die Flexibilisierung der Normalarbeitszeit sowie über die Verwendung eines EDV unterstützten Zeiterfassungssystems sowie über begleitende Entgeltregelungen in den Zustellbasen der Division 'Brief' der Ö* AG“ Stellung genommen. Diese sieht unter anderem vor, dass, wenn bis Ende des Dienstverhältnisses Zeitguthaben oder Zeitschulden offen sind, bei der Endabrechnung Zeitguthaben unter Berücksichtigung des zur Auszahlung gelangenden Mehrstunden /Überstundenpauschales entsprechend den einschlägigen gesetzlichen und kollektivvertraglichen Regelungen auszubezahlen sind. Zeitschulden werden mit dem Normalstundensatz von auszuzahlenden Beträgen abgezogen. Der Oberste Gerichtshof ging in der zitierten Entscheidung davon aus, dass es für die Zulässigkeit eines solchen Abzugs unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 1155 ABGB maßgeblich sei, wessen Sphäre der Grund für das Unterbleiben der Arbeitsleistung zuzurechnen sei. Da es die Beklagte durch die Einteilung der Arbeit und die Vorgabe, dass mit der Erledigung der zugewiesenen Arbeit die Arbeitszeit ende, dem Arbeitnehmer unmöglich mache, allfällige Minusstunden abzuarbeiten, seien die Minusstunden der Sphäre der Beklagten zuzurechnen. Ein wirksames Abbedingen des § 1155 ABGB sei nicht zu prüfen, da eine solche Klausel unter den vorliegenden Umständen nach § 879 Abs 1 ABGB unwirksam wäre.
[3] 2. Gegen die Richtigkeit dieser Entscheidung wendet sich die Revision der Beklagten nicht. Sie macht aber geltend, dass der Kläger zusätzlich „Mitbesorgungsstunden“, das bedeutet Zustellerdienste in anderen Rayons als dem ihm grundsätzlich zugewiesenen, geleistet habe. Diese Vertretungstätigkeiten seien während der Normalarbeitszeit erfolgt. Sie seien dennoch gesondert erfasst und mit einem Zuschlag im Ausmaß von 150 % des Normalstundenlohns ausbezahlt worden. Eine (weitere) Entlohnung für Zeiträume, die im Zeitkontingent als „Minusstunden“ erfasst seien, für die der Kläger aber bereits im Weg der „Mitbesorgung“ ein Entgelt in der dargestellten Höhe erhalten habe, stehe diesem nicht zu.
[4] 2.1. Der Oberste Gerichtshof hat dazu bereits in der Entscheidung 9 ObA 22/24m Stellung genommen und ua Folgendes ausgeführt:
„3. Wieso eine vom Arbeitnehmer während der Normalarbeitszeit erbrachte Leistung eine „ Minusstunde “ darstellen soll, ist nicht nachvollziehbar. Die Beklagte selbst verweist darauf, dass in diesen Fällen eine Dienstleistung erbracht wurde. Die gesonderte Entlohnung der Mitbesorgungsstunden ist in der Betriebsvereinbarung ausdrücklich vorgesehen. Ob dies bei Erbringung dieser Leistungen im Rahmen der Normalarbeitszeit einen Überbezug darstellt, kann dahingestellt bleiben, weil die Beklagte die Entlohnung für Mitbesorgung ausdrücklich nicht zurückfordert.
4. Selbst wenn man aber der Beklagten darin folgt, dass diese Stunden im Zeitkontingent des Klägers zu Recht abgezogen wurden, ist für sie daraus nichts zu gewinnen. Sie behauptet nicht, dass, hätte der Kläger sich nicht zu Mitbesorgungsstunden bereit erklärt oder eingeteilt, er zu anderen Arbeitsleistungen herangezogen worden wäre. Wie das Berufungsgericht ausführt, hatte der Kläger auf die Menge der ihm zugewiesenen Arbeiten ebenso wenig Einfluss wie auf die Ermittlung des Zeitaufwands für seine Teamleitertätigkeit. Die Rayongrößen und damit die Menge der Zustellungen wurden ausschließlich von der Beklagten festgelegt. Die von ihr behaupteten Minusstunden sind daher ebenfalls auf ihre Rayoneinteilung und nicht auf ein Verhalten des Klägers zurückzuführen.“
[5] 2.2. Diese Ausführungen haben auch für den hier vorliegenden Fall zu gelten. Die Beklagte behauptet auch im vorliegenden Fall nicht, dass der Kläger, wäre er nicht zu „Mitbesorgungsstunden“ eingeteilt gewesen, zu anderen Arbeitsleistungen herangezogen worden wäre.
[6] 3. Die Revisionswerberin zeigt somit keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).