2Ob125/24g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende und die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger sowie die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*, vertreten durch Dr. Paul Kreuzberger, Mag. Markus Stranimaier Mag. Manuel Vogler Rechtsanwälte Strafverteidiger OG in Bischofshofen, gegen die beklagte Partei P*, vertreten durch Kühleitner Lochbichler Rechtsanwälte GmbH in Schwarzach im Pongau, wegen Feststellung, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 21. Mai 2024, GZ 21 R 83/24p 22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Zell am See vom 15. Jänner 2024, GZ 18 C 296/23g 18, aufgehoben wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und es wird in der Sache selbst zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.615,60 EUR (darin enthalten 381 EUR Barauslagen und 205,76 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Der Vater der Streitteile starb im Jahr 2022. Er übertrug dem beklagten Sohn bereits im Jahr 1995 mit Schenkungsvertrag auf den Todesfall unter anderem eine Liegenschaft, auf der sich eine Alm befindet. Im Dezember 2009 unterfertigten der Vater der Streitteile und der beklagte Sohn unter Beitritt der Klägerin und der Schwester der Streitteile folgenden Notariatsakt:
„[Der Beklagte] räumt auf Anweisung seines Vaters [...] seinen Schwestern [Klägerin] und [andere Schwester] das höchstpersönliche, unentgeltliche Nutzungsrecht an der P*almhütte in einem Ausmaß von zusammen jährlich sechs Wochen ein. Die Nutzungszeiten sind vorher zwischen den beiden Schwestern [Klägerin] und [andere Schwester] einerseits und [dem Beklagten] andererseits abzusprechen und ist darüber Einvernehmen herzustellen.“
[2] Ebenfalls im Dezember 2009 unterfertigten die Klägerin und ihre Schwester jeweils einen partiellen Pflichtteilsverzicht nach ihrem Vater. Diese Verträge wurden im Jahr 2013 auf Initiative des Vaters der Streitteile wieder aufgehoben, wovon der Beklagte erst nach dem Tod des Vaters erfuhr.
[3] Die Abgabe der Pflichtteilsverzichtserklärungen stand (nur) im Zusammenhang mit bereits bei Abschluss des Schenkungsvertrags auf den Todesfall im Jahr 1995 grundsätzlich vereinbarten, vom Beklagten an seine Schwestern zu leistenden Abschlagszahlungen.
[4] Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ihr aufgrund des Notariatsakts vom 1. Dezember 2009 und des Notariatsakts vom 21. Dezember 2009 im Zusammenhang mit dem Schenkungsvertrag auf den Todesfall vom 12. Juli 1995 das höchstpersönliche unentgeltliche Nutzungsrecht des jährlichen Gebrauches der auf der Liegenschaft EZ * befindlichen P*almhütte unter der Adresse *, bei alleiniger Ausübung für den Zeitraum von drei Wochen jährlich, bei gemeinsamer Ausübung mit ihrer (namentlich genannten) Schwester sechs Wochen jährlich, zustehe, wobei die Nutzungszeiten vorher zwischen der Klägerin und der Schwester einerseits und dem Beklagten andererseits abzusprechen seien und darüber das Einvernehmen herzustellen sei. Der Beklagte verweigere ihr unrechtmäßig die Nutzung der Hütte. Ein Zusammenhang zwischen dem eingeräumten Nutzungsrecht und dem von der Klägerin abgegebenen Pflichtteilsverzicht bestehe nicht.
[5] Der Beklagte wendet – soweit für das Rekursverfahren noch von Relevanz – ein, dass das der Klägerin eingeräumte persönliche Nutzungsrecht an der Almhütte in unmittelbarem Zusammenhang mit dem von ihr abgegebenen Pflichtteilsverzicht stehe. In der ohne Information des Beklagten erfolgten Aufhebung des Pflichtteilsverzichts und der ungeachtet dessen erfolgten Beanspruchung sämtlicher Gegenleistungen durch die Klägerin liege ein massiver Vertrauensbruch, der dem Beklagten die Fortsetzung des Nutzungsrechts unmöglich mache. Die Auflösungserklärung werde auf eine Verletzung von Treu und Glauben sowie den von der Klägerin verschuldeten Vertrauensverlust gestützt.
[6] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Beklagte habe das der Klägerin zukommende Nutzungsrecht nicht wirksam aufgelöst. Zwar sei die Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses wegen Wegfalls der Vertrauensbasis grundsätzlich möglich, vorausgesetzt werde aber ein Bezug zum konkreten Dauerschuldverhältnis. Da der von der Klägerin abgegebene Pflichtteilsverzicht nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem eingeräumten Nutzungsrecht stehe und auch keine Gegenleistung dafür darstelle, fehle es an einem solchen Zusammenhang.
[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge, hob das angefochtene Urteil auf, sprach aus, dass der Entscheidungsgegenstand 5.000 EUR übersteige und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu.
[8] Der Beklagte releviere in der Berufung ausschließlich, dass die Auflösung des Dauerschuldverhältnisses wegen des durch die Aufhebung des Pflichtteilsverzichts bewirkten Vertrauensverlusts gerechtfertigt sei. Dieser Umstand sei für sich genommen aber nicht hinreichend schwerwiegend, um die Auflösung des Gebrauchsrechts für eine Almhütte im Ausmaß von drei Wochen pro Jahr zu rechtfertigen.
[9] Bei allseitiger rechtlicher Prüfung sei zu beachten, dass das Klagebegehren nicht hinreichend bestimmt und einer Exekution nicht zugänglich sei, weil es vom Einvernehmen des Beklagten abhängig sei. Diese mangelnde Exekutionsfähigkeit des Begehrens iSd §§ 7, 353 EO werde mit der Klägerin zu erörtern sein.
[10] Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob ein vom Einvernehmen des Verpflichteten abhängiges Begehren exekutionsfähig und damit ausreichend bestimmt sei.
[11] Gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[12] Der Beklagte beantragt in seiner Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[13] Der Rekurs ist zulässig , weil das Berufungsgericht von höchstgerichtlicher Rechtsprechung abgewichen ist. Er ist im Sinn der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils auch berechtigt .
[14] Die Klägerin argumentiert, dass ein Feststellungsurteil als solches gar nicht Gegenstand einer Exekutionsführung sein könne. Die auf die Exequierbarkeit eines unbestimmten Leistungsbegehrens abzielenden Ausführungen des Berufungsgerichts gingen daher ins Leere. Das erhobene Feststellungsbegehren orientiere sich eng am zugrundeliegenden Titel und sei jedenfalls hinreichend bestimmt.
Dazu hat der Senat erwogen:
[15] 1. Zutreffend verweist die Klägerin im Rekurs darauf, dass ein Urteil über ein – hier allein erhobenes – Feststellungsbegehren mangels Leistungsbefehls keiner Exekutionsführung zugänglich ist (vgl Jakusch in Angst/Oberhammer , EO³ § 1 Rz 6). Die vom Berufungsgericht angestellten exekutionsrechtlichen Überlegungen gehen daher ins Leere.
[16] 2. Es ist allerdings auch in einem Feststellungsurteil genau zu bezeichnen, welches Recht oder Rechtsverhältnis als bestehend oder nicht bestehend festgestellt wird (RS0037874 [T31]). Zwar ergibt sich die Notwendigkeit der Bestimmtheit des Klagebegehrens und eines darauf gegründeten Urteilsspruchs nicht – wie beim Leistungsurteil – aus der Erwägung, dass es zur Zwangsvollstreckung geeignet sein muss, wohl aber aus dem Zweck und der Funktion der Feststellungsklage und ihrer Rechtskraftwirkung. Wäre das Begehren unbestimmt, könnte das Urteil die Aufgabe der Klärung der Rechtsbeziehung zwischen den Parteien nicht erfüllen, sodass auch Feststellungsbegehren ausreichend zu individualisieren sind (RS0037437 [insb auch T11]).
[17] 3. Bei anderen als Geldleistungsklagen ist dem Bestimmtheitserfordernis des § 226 ZPO nach der Rechtsprechung (RS0037874) schon dann Genüge getan, wenn man unter Berücksichtigung des Sprach- und Ortsgebrauchs und nach den Regeln des Verkehrs daraus entnehmen kann, was begehrt ist.
[18] 4. Auf dieser Grundlage ist das am Wortlaut des dem Nutzungsrecht zu Grunde liegenden Titels orientierte Feststellungsbegehren hinreichend bestimmt und zur Klärung der Rechtsbeziehung zwischen den Parteien geeignet. Die Anführung des dem Notariatsakt entnommenen Erfordernis der vorherigen Absprache der konkreten Nutzungszeiten nimmt dem Feststellungsbegehren nicht die Bestimmtheit.
[19] Die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils aus dem vom Berufungsgericht angenommenen Grund erweist sich damit nicht als erforderlich.
[20] 5. Die in der Berufung der Beklagten enthaltene Rechtsrüge kann schon deswegen zu keinem Erfolg führen, weil das Erstgericht bei Einbeziehung sämtlicher Feststellungen auf Tatsachenebene davon ausgegangen ist, dass die Abgabe des partiellen Pflichtteilsverzichts nicht im Zusammenhang mit der Einräumung des den Gegenstand des Verfahrens bildenden Nutzungsrechts, sondern nur im Kontext mit der Leistung von Abschlagszahlungen stand. Da die Rechtsprechung die Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses wegen Wegfalls der Vertrauensbasis nur dann zulässt, wenn insoweit ein Bezug zum konkreten Dauerschuldverhältnis besteht (RS0018305 [T50]), fehlt es der erstmals mit Schriftsatz vom August 2023 erhobenen Auflösungserklärung schon deswegen an einer Berechtigung.
[21] 6. Aus den angeführten Gründen ist insgesamt die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.
[22] 7. Die Kostenentscheidung für das Rechtsmittelverfahren beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO.