12Os86/24z – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 5. September 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, Dr. Brenner, Dr. Haslwanter LL.M. und Mag. Riffel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Wachter in der Strafsache gegen A* M* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten * A* und B* M* gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 14. Mai 2024, GZ 27 Hv 23/24d 163, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht Innsbruck zu.
Den Angeklagten * A* und B* M* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier relevant – der Angeklagte * A* des Verbrechens des Raubes nach §§ 15 Abs 1, 142 (richtig:) Abs 1 und 2 StGB (3.), der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (4.a. und 5.) und des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (6.) sowie B* M* des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (1.) und des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (2.) schuldig erkannt.
[2] Danach haben
(1.) A* M*, B* M* und zwei weitere im Urteil namentlich genannte Personen „im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB)“ am 3. Jänner 2024 in K* * As * mit Gewalt gegen eine Person und „Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB)“ fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Maske der Marke „Nike“ im Wert von 22 Euro und Bargeld in der Höhe von 10 Euro, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem sie „sich bedrohlich im Halbkreis um ihn herum aufstellten“, sich vor Tatentdeckung durch Dritte schützten, A* M* As* aufforderte, seine Armani Jacke auszuziehen, ihm einer der anderen mit der Faust ins Gesicht schlug , A* M* neuerlich die Herausgabe der Jacke forderte und As * in der Folge einen Faustschlag gegen die rechte Kopfseite sowie circa zehn Ohrfeigen und einen weiteren Faustschlag ins Gesicht versetzte, ihn aufforderte, die Tasche aufzumachen, seine Geldtasche herausnahm und einen Mundschutz sowie 10 Euro daraus entnahm sowie einer der Täter auch seine Umhängetasche kurzfristig an sich nahm;
(2.) im Zuge des zu (1.) dargestellten Vorfalls B* M* im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem unbekannten Mittäter * R* mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper (US 10) zu einer Handlung, nämlich sich hinzusetzen , genötigt, indem der unbekannte Mittäter versuchte, R* einen Faustschlag zu versetzen und B* M* zu ihm sagte, er solle sich hinsetzen, sonst werde ihm dasselbe passieren wie As*;
(3.) * A* am 3. Jänner 2024 in W* * H* mit Gewalt fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld, mit dem Vorsatz abzunötigen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem ihm A* eine Ohrfeige versetzte und Geld forderte, wobei der Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen wurde, die Tat beim Versuch blieb, weil H* kein Bargeld mit sich führte, und nur unbedeutende Folgen nach sich zog;
(4.a.) am 6. Jänner 2024 in W* A* und eine weitere Person im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter dem * W* mit Gewalt gegen eine Person und Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in der Höhe von 10 Euro, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem A* W* ansprach, sie ihn zum Mitkommen aufforderten, zu ihm sagten, er solle ihnen Geld geben oder sie würden ihn abstechen, A* ihn packte, der Mittäter ihm auf den Rücken sprang, ihn „ein anderer“ in den Schwitzkasten nahm, sie seine Taschen durchsuchten und daraus das Geld entnahmen;
( 5.) A* und zwei weitere Personen im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter am 7. Jänner 2024 in W* * D* mit Gewalt und Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in der Höhe von 50 Euro, mit dem Vorsatz abgenötigt, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem A* D* ansprach, an ihm rüttelte und ihn mit sich zog, alle drei sich bedrohlich um den an der Wand stehenden D* aufstellten, ihn ein Mittäter aufforderte, ihnen Geld zu geben, und A* sowie ein Mittäter D* Ohrfeigen versetzten, sie ihn durchsuchten und nach Geld verlangten, woraufhin D* das Bargeld übergab;
(6.) A* und zwei weitere Personen im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter am 2. Dezember 2023 in W* Verfügungsberechtigten des Lebensmittelgeschäfts B* fremde bewegliche Sachen, nämlich vier Flaschen Cola, zwei Dosen Red Bull und einen Schokoriegel, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch d eren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richten sich Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten A* und B* Mo*, die letzterer auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 10a StPO stützt. Ihnen kommt keine Berechtigung zu.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A*:
[4] Da der Angeklagte A* bei der Anmeldung Nichtigkeitsgründe nicht deutlich und bestimmt bezeichnet (ON 148) und binnen vier Wochen nach Zustellung der Urteilsausfertigung an den Verteidiger am 28. Juni 2024 (ON 1.62, Zustellnachweis dazu im eA) keine Ausführung der Beschwerdegründe beim Gericht überreicht hat (§ 285 Abs 1 StPO), war die Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 iVm § 285a Z 2 StPO).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des B* M*:
[5] Der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider ist die zu Schuldspruch 1. erfolgte Ableitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite aus dem äußeren Tatgeschehen, wie insbesondere dem einheitlichen Auftreten der vier Täter (US 15), unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden und bei – wie hier – nicht geständigen Angeklagten methodisch meist auch gar nicht zu ersetzen (RIS Justiz RS0116882).
[6] Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) zu Schuldspruch 1. aus den vom Erstgericht angeführten Prämissen und zwar den Aussagen der Zeugen As* und R* sowie der Angeklagten A* M*, B* M* und * Ma* andere, für den Beschwerdeführer günstigere Schlussfolgerungen zieht als das Erstgericht (US 14 f), bringt sie den herangezogenen Nichtigkeitsgrund nicht prozessordnungskonform zur Darstellung (vgl RIS Justiz RS0099674). Im Übrigen betreffen die Feststellungen zum Umzingeln des As* für sich mit Blick auf die weiteren Beitragshandlungen des B* M* zur Tatausführung durch A* M* keine entscheidende Tatsache (vgl RIS Justiz RS0127374, RS0117499).
[7] Dass dem weiteren Beschwerdevorbringen zufolge auch die von den Tatrichtern zu Schuldspruch 2. herangezogenen Verfahrensergebnisse die Feststellungen zur Täterschaft des Angeklagten B* M* nicht begründen könnten, stellt gleichermaßen bloße Beweiswürdigungskritik dar (vgl aber RIS Justiz RS0100555).
[8] Nach dem Urteilssachverhalt zu Schuldspruch 1. verfolgten A* M*, B* M* und zwei weitere Täter (unter anderem) As*, umzingelten ihn und schützten sich vor einer Tatentdeckung durch Dritte. A* M* war derjenige, der Gewalt anwendete und den Mundschutz sowie das Bargeld wegnahm (US 9).
[9] Weshalb es für die Subsumtion der von Schuldspruch 1. erfassten Tat nach § 142 Abs 1 StGB angesichts der Gleichwertigkeit der Täterschaftsformen des § 12 StGB (vgl RIS Justiz RS0117604, RS0089433 [T3, T4]) über den konstatierten Beitrag zur Ausführung der Tat (§ 12 dritter Fall StGB) durch A* M* hinaus auf Feststellungen zu Ausführungshandlungen des B* M* ankommen sollte, legt die (solche Feststellungen vermissende) Rechtsrüge (Z 9 lit a, nominell Z 5) nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar (vgl RIS Justiz RS0119884 [T2], RS0116565; vgl im Übrigen zur Mittäterschaft RS0089835).
[10] Die gesetzmäßige Ausführung einer Diversionsrüge (Z 10a) erfordert eine methodisch korrekte Argumentation auf Basis der Tatsachenfeststellungen unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen (RIS Justiz RS0124801). Indem die Beschwerde außer Acht lässt, dass der Angeklagte eine Beteiligung an den Taten bestritt (US 14 f), wird sie diesen Vorgaben nicht gerecht (vgl RIS Justiz RS0116299 [T2, T3], RS0126734). Davon ausgehend erübrigt sich eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Einwand des Fehlens schwerer Schuld.
[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B* M* war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO ebenfalls bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[12] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).
[13] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.