JudikaturOGH

12Os77/24a – OGH Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
05. September 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. September 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, Dr. Brenner, Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Wachter in der Strafsache gegen * F* wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Geschworenengericht vom 3. April 2024, GZ 29 Hv 146/23y 83, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufung hat das Oberlandesgericht Linz zu entscheiden.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * F* des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (I./), der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB (II./), des Verbrechens der (richtig:) schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall StGB (III./) und des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB (IV./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – am 6. Oktober 2023 in S* * G* durch Versetzen von 13 Stichen mit einem Messer mit einer Klingenlänge von 6 Zentimetern in das Gesicht, den Brustkorb, den Bauch sowie die oberen Extremitäten zu töten versucht, wobei diese Wunden im Gesichtsschädel, nämlich rechts oberhalb der Augenhöhle, in beiden Wangenpartien, im Bereich beider Ohren und eine Läsion eines Astes des Gesichtsnervs, im Bauch, nämlich eine lebensbedrohliche penetrierende Verletzung der Bauchhöhle mit kleinen Stichverletzungen an der Vorderwand des Zwölffingerdarms, eine kleine nicht blutende Verletzung der Milz und eine Verletzung des Dickdarms, im Brustkorb, nämlich links und unterhalb des Schwertfortsatzes des Brustbeins, am rechten Oberarm sowie an beiden Unterarmen jeweils an der Ellenkante erlitt.

[3] Die Geschworenen haben – soweit hier relevant – die anklagekonform gestellte Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB bejaht.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die auf § 345 Abs 1 Z 6 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die sich ausschließlich gegen den Schuldspruch IV./ wendet, verfehlt ihr Ziel.

[5] Die Fragenrüge (Z 6) kritisiert das Unterbleiben der Stellung einer Eventualfrage nach dem Verbrechen des Totschlags (§§ 15, 76 StGB).

[6] Der Beschwerdeführer stützt seine Kritik zunächst auf isoliert hervorgehobene Ausführungen ( vgl aber RIS Justiz RS0120766 [T3], RS0101087 [T5]) der Sachverständigen DDr. * W*, wonach seine Zurechnungsfähigkeit im Tatzeitpunkt aufgrund aufgestauter Aggressionen und emotionaler Involviertheit mit affektiver Enthemmung im Rahmen eines Beziehungskonflikts beeinträchtigt, nicht jedoch aufgehoben gewesen sei, die besondere Brutalität der Tat für eine starke emotionale Involviertheit und eine Wuttat spreche und es für einen Mann aus seinem Kulturkreis eine besondere Demütigung und Kränkung der Ehre darstelle, von einer Frau verlassen zu werden, was dazu führe, dass sich Wut und Aggressionen aufgestaut hätten und er sich im Tatzeitpunkt zufolge der Wegweisung (vermutlich) in einer Krise befunden habe.

[7] Ferner zitiert er einzelne Passagen seiner Verantwortung, wonach er sich an die Tat nicht erinnern könne und keine Erklärung für sein Verhalten habe und verweist auf die besondere Brutalität der Tatbegehung.

[8] Nach gesicherter Lebenserfahrung scheiden diese Verfahrensergebnisse mit Blick auf den Umstand, dass Totschlag allgemeine Begreiflichkeit der heftigen Gemütsbewegung voraussetzt (RIS Justiz RS0092138, RS0092271, RS0092259; zur in anderen Sittenvorstellungen wurzelnden höheren Affektanfälligkeit von aus einem anderen Kulturkreis stammenden Personen siehe RIS Justiz RS0092072 [T1, T2], RS0092115 [T8]) als ernst zu nehmendes Indiz für einen – den Gegenstand der begehrten Eventualfrage bildenden – Sachverhalt aus (RIS Justiz RS0100860 [T1]).

[9] Davon abgesehen hat der Angeklagte – entgegen der Beschwerde – einen Tötungsvorsatz in Abrede gestellt (ON 68, 4; RIS Justiz RS0092113, RS0120766 [T5]).

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 344 iVm § 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 344 iVm § 285i StPO).

[11] Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rückverweise