12Os72/24s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 5. September 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, Dr. Brenner, Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Wachter im Verfahren zur strafrechtlichen Unterbringung der * P* in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 14. März 2024, GZ 610 Hv 6/23v 52.2, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Über die Berufung hat das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung der * P* in einem forensisch- therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet.
[2] Danach hat sie am 12. Juli 2023 in W* unter dem maßgeblichen Einfluss einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung, deretwegen sie im Zeitpunkt der Tat zurechnungsunfähig (§ 11 StGB) war, nämlich einer paranoiden Schizophrenie, versucht, * O* zu töten, indem sie ihn mit der spitzen Seite eines Lattenhammers (Gewicht: 749g, Länge: 32 cm) mit einer kraftvollen Schlagbewegung am Kopf zu treffen versuchte, wobei die Tat infolge seines Zurückweichens beim Versuch blieb,
somit eine Tat begangen, die ihr außer diesem Zustand als Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB zuzurechnen wäre.
[3] Die Geschworenen haben – soweit hier von Bedeutung – die anklagekonform gestellte Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB bejaht und die in Richtung des Verbrechens nach §§ 105, 106 Abs 1 Z 1 StGB gestellte Eventualfrage unbeantwortet gelassen.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die dagegen aus § 345 Abs 1 Z 6 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Betroffenen schlägt fehl.
[5] Die Fragenrüge (Z 6) kritisiert das Unterbleiben der Stellung von – in der Folge konkretisierten – Eventualfragen nach §§ 15, 83 ff StGB. Indem sie ohne Bezugnahme auf deren Gesamtheit (siehe aber RIS-Justiz RS0120766 [T3], RS0101087 [T5]) auf Grundlage einzelner, aus dem Kontext gelöster Passagen der Verantwortung der Beschwerdeführerin, wonach sie das Opfer aus Angst lediglich „verjagen“ habe wollen und alles andere eine Lüge sei, argumentiert , spricht sie – auch unter Berücksichtigung der Tatmodalitäten – kein die begehrte Fragestellung nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung ernsthaft indizierendes Verfahrensergebnis an (RIS Justiz RS0100860 [T1], RS0101087, RS0114490; Ratz , WK StPO § 345 Rz 23).
[6] Indem die Rüge (Z 6) aus den Angaben des Zeugen O*, wonach er darauf trainiert sei, solchen Angriffen, an die er gewöhnt sei, auszuweichen, ableitet, dass die Betroffene lediglich mit Verletzungs , nicht jedoch mit Tötungsvorsatz gehandelt habe, widerspricht sie dem Erfordernis, dass der Schluss vom angesprochenen Verfahrensergebnis auf die begehrte Fragestellung den Gesetzen logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen zu entsprechen hat (RIS-Justiz RS0132634, RS0133257, RS0132012). Sie gelangt damit nicht prozessförmig zur Darstellung.
[7] Gleiches gilt für das daran anschließende Vorbringen, wonach die begehrten Eventualfragen im Hinblick auf d en Grundsatz „in dubio pro reo“ zu stellen gewesen wären.
[8] Die weitere Rüge (Z 6), die die Eventualfrage als „ungünstig gestellt“ kritisiert und eine andere Formulierung begehrt, entzieht sich bereits deshalb einer inhaltlichen Erwiderung, weil die Geschworenen diese Frage gar nicht beantwortet haben.
[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 344 iVm § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[10] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 344 iVm § 285i StPO).