15Os60/24y – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 4. September 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart des Schriftführers Mag. Hule in der Strafsache gegen * A* wegen Verbrechen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen und im Verfahren zur strafrechtlichen Unterbringung des Genannten in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 9. Februar 2024, GZ 25 Hv 41/23b 62, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung werden zurückgewiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * A* der Verbrechen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 zweiter Fall StGB (A./), der Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB (B./1./ bis 3./; zu B./4./ iVm § 15 StGB) und des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 5 StGB (C./)schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 29. November 2022 in G*
A./ Justizwachebeamte mit Gewalt und durch gefährliche Drohung teils mit dem Tod an Amtshandlungen zu hindern versucht, und zwar
1./ * H*, * K*, * S*, * O*, * B* und * Hu* durch Versetzen von Tritten und Schlägen in Richtung der Genannten (US 6), wobei er H* am Kopf traf, sowie durch die Äußerungen „ich ficke deine Tochter vor deinen Augen“, „ich ficke deine Schwester so hart, dass sie nur noch schreit“, „ich werde euch alle finden und dann töte ich euch alle“, „ich hab mir eure Gesichter gemerkt, ich finde euch sicher“, „ich töte auch eure Mütter, eure Töchter und Söhne“, „ich ficke eure Kinder dreifach“ und „ich werde euch alle ausrotten“, an seiner Fixierung im LKH G*;
2./ O*, B*, K*, Hu* und * Bi* durch die Äußerung, er werde herausfinden wo sie wohnen und sie und ihre Angehörigen sodann töten, sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tod, sowie Bi* zusätzlich durch einen Biss in den linken Zeigefinger, an seiner im LKH G* erfolgten Fixierung und der Wiederbefestigung seiner linken Handfessel, aus der er sich losgerissen hatte;
B./ Justizwachebeamte während oder wegen der Vollziehung ihrer Aufgaben oder Erfüllung ihrer Pflichten vorsätzlich am Körper verletzt und (zu 4./) zu verletzen versucht, und zwar
1./ H* durch die zu A./1./ genannte Tat, wobei dieser eine zirka einen Zentimeter lange Rissquetschwunde sowie eine Prellung am Kopf, eine Zerrung beider Handgelenke, Schmerzen im Knie sowie eine posttraumatische Belastungsstörung erlitt;
2./ K* durch die zu A./1./ genannte Tat, wobei dieser eine Zerrung der Muskulatur des rechten Oberarms erlitt;
3./ S* durch die zu A./1./ genannte Tat, wobei dieser eine Verletzung des linken Handgelenks erlitt;
4./ Bi* durch den zu A./2./ angeführten Biss, wobei es infolge des Tragens von Einsatzhandschuhen beim Versuch blieb;
C./ eine fremde Sache dadurch beschädigt, dass er die Tür des Haftraumes * der Justizanstalt G*, mithin einen wesentlichen Bestandteil der kritischen Infrastruktur, mit dem Bettgestell derart rammte, dass sie aufgrund ihrer Beschädigungen nur mehr von der Betriebsfeuerwehr mit einem Winkelschleifer und einem Brecheisen geöffnet werden konnte (US 5).
[3] Unter einem wurde A* gemäß § 21 Abs 2 StGB in einem forensisch-therapeutischen Zentrum untergebracht.
[4] Gegen dieses Urteil meldete der Angeklagte im Anschluss an die Hauptverhandlung am 9. Februar 2024 „Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung“ an (ON 61.1, 20). Am 8. März 2024 verfügte die Vorsitzende die Zustellung einer Ausfertigung des Urteils (und des Protokolls der Hauptverhandlung) an den Wahlverteidiger (zu dessen Vollmachtsbekanntgabe vgl ON 60) Mag. W* (ON 1.36). Diese Zustellung wurde nach den Registerdaten am 13. März 2024 im Elektronischen Rechtsverkehr (ERV) vollzogen (vgl § 83 Abs 2 erster Satz StPO und § 89a Abs 2 GOG).
[5] Mit am 14. März 2024 eingebrachtem Schriftsatz gab der Wahlverteidiger die Vollmachtsauflösung bekannt (ON 63). Die Substitutin des daraufhin für den Angeklagten bestellten (ON 64) Verfahrenshilfeverteidigers brachte am 11. April 2024 eine Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung ein, wobei zu Letzterer ausgeführt wurde, dass sie sich gegen den Strafausspruch richtet (ON 65).
Rechtliche Beurteilung
[6] Nach Anmeldung von Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung hat der Beschwerdeführer das Recht, binnen vier Wochen (hier) nach Zustellung einer Urteilsabschrift eine Ausführung seiner Beschwerdegründe beim Gericht zu überreichen (§ 285 Abs 1 und § 294 Abs 2 StPO).
[7] Der Lauf dieser Frist wird weder durch die Auflösung des Vollmachtverhältnisses zum Wahlverteidiger (die dem Gericht gegenüber mit deren aktenkundiger Anzeige wirksam wird – RIS Justiz RS0096636 [insb T2, T3]) noch durch die danach erfolgte Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers beeinflusst (§ 63 Abs 2 StPO; RIS Justiz RS0125686 [insb T1 und T2], RS0116182 [insb T11]).
[8] Die durch Zustellung der Urteilsabschrift an den damaligen Wahlverteidiger ausgelöste Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung des Angeklagten endete daher mit Ablauf des 10. April 2024 (vgl § 84 Abs 1 StPO), weshalb sich die erst am 11. April 2024 eingebrachte A usführung beider Rechtsmittel als verspätet erweist.
[9] D ie Nichtigkeitsbeschwerde war daher – weil bei ihrer Anmeldung keiner der in § 281 Abs 1 Z 1 bis Z 11 oder in § 281a StPO angegebenen Gründe deutlich und bestimmt bezeichnet wurde – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 iVm § 285a Z 2 StPO).
[10] Dies gilt ebenso für die gleichfalls verspätet ausgeführte Berufung, weil der Angeklagte bei deren Anmeldung – mit Blick auf das Bestehen sowohl eines Sanktionsausspruchs als auch eines Adhäsionserkenntnisses – nicht deutlich und bestimmt erklärt hat, durch welche Punkte des Erkenntnisses er sich beschwert findet (§ 296 Abs 2 iVm § 294 Abs 4 StPO; vgl RIS Justiz RS0100042 und Ratz , WK StPO § 294 Rz 10).
[11] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.