14Os77/24s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 3. September 2024 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Hule im Verfahren zur strafrechtlichen Unterbringung des * B* in einem forensisch therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Genannten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 19. April 2024, GZ 39 Hv 138/23w 113, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht Linz zu.
* B* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen – auch einen rechtskräftigen Freispruch sowie einen rechtlich verfehlten, prozessual aber unbeachtlichen Subsumtionsfreispruch (RIS Justiz RS0115553 [T5]) enthaltenden – Urteil wurde * B* des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (I), der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (II) und des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB (III) schuldig erkannt und zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe verurteilt. Zudem ordnete das Erstgericht aus Anlass der Taten zu Schuldspruch II und III die Unterbringung des Genannten in einem forensisch therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB an.
[2] Danach hat er – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – in S* und anderenorts * K*
(I) am 4. September 2023 durch die im Zuge mehrerer Telefonate getätigten (US 6) Äußerungen, dass er sie „zerstören, zerfetzen und ficken“ werde, gefährlich mit der Zufügung einer Körperverletzung bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;
(II) durch Gewalt und Entziehen der persönlichen Freiheit zur Duldung des Beischlafs genötigt, und zwar
(1) am 15. August 2018, indem er ein Hotelzimmer versperrte und die Türe erst öffnete, nachdem er dort gegen ihren Willen mit ihr den Geschlechtsverkehr vollzogen hatte;
(2) am 9. September 2020, dadurch dass er den einvernehmlich begonnenen Geschlechtsverkehr gegen ihren Willen fortsetzte, indem er sie mit seinem Körpergewicht niederdrückte, obwohl sie vor Schmerzen schrie, ihn aufforderte aufzuhören, ihn wegzudrücken versuchte und ihm auf den Rücken schlug;
(3) im Jahr 2019, indem er einen Pkw von innen versperrte, sie an den Handgelenken festhielt und gegen ihren Willen den Geschlechtsverkehr mit ihr vollzog;
(4) im Jahr 2019, indem er sie festhielt, ihre Beine auseinanderdrückte, sie auszog und den Geschlechtsverkehr mit ihr vollzog, obwohl sie ihren entgegenstehenden Willen wiederholt artikulierte, ihn wegdrückte und schlug.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, „9 und 10“ StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des * B*, der keine Berechtigung zukommt.
[4] Entgegen dem (zu Schuldspruch I erhobenen) Einwand unvollständiger Begründung (Z 5 zweiter Fall) der Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der Äußerungen des B* (US 6) waren die Tatrichter nicht verhalten, die Zeugenaussage des Opfers K* über Drohungen des B* während aufrechter Beziehung (ON 9.4, 6) zu erörtern, weil sich die Zeugin dabei eben nicht auf die zeitlich späteren von Schuldspruch I erfassten Telefonate vom 4. September 2023 bezog (vgl aber RIS Justiz RS0098646 [T8]). Zu diesen sagte sie im Übrigen aus, dass ihr B* vor dem Hintergrund der beendeten Beziehung habe Angst machen wollen, um sie zu treffen (ON 9.4, 6).
[5] Welche Verfahrensergebnisse über das (für die Feststellungen zum Bedeutungsinhalt erhebliche [vgl Jerabek/Ropper in WK² StGB § 74 Rz 34]) soziale und kulturelle Umfeld des B* von den Tatrichtern zu berücksichtigen gewesen wären, legt die weitere Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) nicht dar.
[6] Soweit sie zudem eine „nähere“ Begründung der Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der Drohung vermisst (Z 5 vierter Fall), übergeht sie die dazu angestellten Erwägungen der Tatrichter (US 11; vgl aber RIS Justiz RS0119370).
[7] Die zu Schuldspruch I und II vorgebrachte Kritik (inhaltlich Z 5 zweiter Fall) unterbliebener Auseinandersetzung mit der Aussage des Opfers, wonach die Beziehung mit B* bis zum 9. September 2020 „gut“ verlaufen sei (ON 2.3, 4), greift lediglich ein Detail dieses – zur Begründung des Schuldspruchs eingehend erörterten (US 9 ff) – Verfahrensergebnisses heraus und gibt es zudem sinnentstellt wieder (vgl aber RIS Justiz RS0116504 [T4]). Denn die Zeugin verneinte damit nicht die inkriminierten Taten, sondern nahm eine Bewertung der Beziehung nach ihren eigenen Maßstäben vor (vgl aber RIS Justiz RS0097540 [T2, T18]).
[8] Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu Schuldspruch I (der Sache nach) einen Rechtsfehler bei der Beurteilung der Besorgniseignung behauptet, dabei aber nicht auf den Urteilssachverhalt, sondern auf Verfahrensergebnisse Bezug nimmt, verfehlt sie die Ausrichtung am Verfahrensrecht (vgl RIS Justiz RS0099810).
[9] Soweit die Beschwerde weiters die Absicht des B* bestreitet, K* durch die zu Schuldspruch I inkriminierte Drohung in Furcht und Unruhe zu versetzen (US 6), wendet sie sich bloß gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.
[10] Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a, nominell Z 10) zu Schuldspruch II/1 (der Sache nach) einen Rechtsfehler bei der (rechtlichen) Annahme eines Freiheitsentzugs auf Basis eigener Schlussfolgerungen aus der Aussage des Opfers argumentiert, nimmt sie neuerlich nicht am Urteilssachverhalt Maß. Dass die Tatrichter nach Ansicht der Beschwerde „unrichtige Schlussfolgerungen“ aus dessen Aussage zogen, stellt abermals nur eine Kritik an der Beweiswürdigung des Erstgerichts dar.
[11] Mit dem aus Z 11 zweiter und dritter Fall erhobenen Einwand, das Erstgericht hätte bei der Strafbemessung weitere Milderungsgründe in Anschlag bringen müssen und es seien die Voraussetzungen für eine teilbedingte Strafnachsicht vorgelegen (vgl aber § 43a Abs 3 und 4 StGB), erstattet die Beschwerde ein Berufungsvorbringen (vgl RIS Justiz RS0116960, RS0099892 [T4]).
[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
[13] Dieses wird zu beachten haben, dass dem Schuldspruch II/1, II/3 und II/4 ein nicht geltend gemachter Subsumtionsfehler (Z 10) anhaftet. Denn nach dem zu den Tatzeitpunkten geltenden § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2013/116 betrug die Strafdrohung bloß ein bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe, während das vom Erstgericht angewendete Urteilszeitrecht (§ 201 Abs 1 idF BGBl I 2019/105) bei einer ebenfalls zehnjährigen Höchststrafe eine Mindeststrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe vorsieht. Somit erweist sich das Tatzeitrecht in seiner Gesamtauswirkung als günstiger (§§ 1, 61 StGB; RIS Justiz RS0112939).
[14] Zu einer amtswegigen Wahrnehmung dieses Subsumtionsfehlers (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) besteht kein Anlass, weil er sich weder bei der Strafrahmenbildung (nach § 201 Abs 1 StGB idgF [Schuldspruch II/2]) noch bei der Strafbemessung (US 13) ausgewirkt hat. Angesichts der vom Obersten Gerichtshof vorgenommenen Klarstellung ist das Oberlandesgericht bei seiner Berufungsentscheidung an die fehlerhafte Subsumtion nicht gebunden (RIS Justiz RS0118870).
[15] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.