11Os70/24i – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 27. August 2024 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Jetzinger als Schriftführer in der Strafsache gegen * B* wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 20. Februar 2024, GZ 35 Hv 31/23t 44.1, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen – auch einen rechtskräftigen Freispruch enthaltenden – Urteil wurde * B* der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I/1/ und 2/) sowie (vgl RIS Justiz RS0120828 [T5]; vgl auch 12 Os 128/16i) in einem (C* M* betreffenden [vgl US 19]) Fall nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (I/1/), des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (II/1/, 2/ und 3/) sowie in einem (M* M* betreffenden [vgl US 20]) Fall nach § 206 Abs 1 und 3 erster Fall StGB (II/2/) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (III/) sowie der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (IV/) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in W* und N*
I/ nachstehend Genannte mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs bzw einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, wobei „die Tat“ eine schwere Körperverletzung, und zwar eine posttraumatische Belastungsstörung zur Folge hat, und zwar
1/ C* M* (geboren am * 2008), indem er sie von einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt im Jahr 2018 bis zu einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt im Sommer 2022 in zumindest zwei Angriffen mit der flachen Hand und mit einem Gürtel schlug, sie im Intimbereich berührte, ihr die Hose und die Unterhose auszog, ihr trotz ihrer Gegenwehr mehrere Finger in die Scheide einführte und sie hin und herbewegte, sie auf den Bauch drehte, ihre Hände hinten überkreuzte und festhielt bzw mit einem Gürtel zusammenband, einen Analverkehr mit ihr durchführte, sie wieder auf den Rücken drehte und anschließend einen Vaginalverkehr mit ihr vollzog;
2/ M* M* (geboren am * 2005), indem er sie zu einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt im Jahr 2017 im Intimbereich berührte, ihre Hände über dem Kopf überkreuzte und festhielt, ihr mehrere Finger in die Scheide einführte, [sodann] einen vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr vollzog, sie [danach] auf den Bauch drehte und anschließend einen Analverkehr mit ihr durchführte;
II/ mit einer unmündigen Person den Beischlaf bzw eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, wobei „die Tat“ hinsichtlich C* M* und M* M* eine schwere Körperverletzung, und zwar eine posttraumatische Belastungsstörung zur Folge hat, und zwar
1/ mit C* M* (geboren am * 2008) von einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt im Jahr 2018 bis zu einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt im Sommer 2022
a/ durch die zu I/1/ angeführten Tathandlungen,
b/ indem er ihr in zumindest sechs Angriffen seine Finger in die Scheide einführte bzw mit ihr einen vaginalen Geschlechtsverkehr durchführte;
2/ mit M* M* (geboren am * 2005) von einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt im Jahr 2017 bis zum 2. Februar 2019
a/ durch die zu I/2/ angeführte Tathandlung,
b/ indem er ihr in einer nicht mehr festzustellenden Anzahl von Angriffen mehrere Finger in die Scheide einführte und einen vaginalen Geschlechtsverkehr mit anschließendem Analverkehr mit ihr durchführte;
3/ mit * H* (geboren am * 2005) von einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt im Jahr 2017 oder 2018 bis zum 16. Februar 2019, indem er ihr in einer nicht mehr festzustellenden Anzahl von Angriffen mehrere Finger in die Scheide einführte;
III/ zu einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt im Jahr 2017 außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung von einer unmündigen Person an sich vornehmen lassen, indem er mit der Hand von M* M* (geboren am * 2005) einen Handverkehr an sich selbst durchführte;
IV/ mit einer minderjährigen Person, die seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person eine geschlechtliche Handlung vorgenommen, und zwar
1/ mit C* M* (geboren am * 2008) durch die zu I/1/ und II/1/b/ angeführten Tathandlungen;
2/ mit M* M* (geboren am * 2005) durch die zu I/2/, II/2/b/ und III/ angeführten Tathandlungen;
3/ mit * H* (geboren am * 2005) durch die zu II/3/ angeführten Tathandlungen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Der formelle Nichtigkeitsgrund der Z 5a greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder hätten vorkommen können, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, mit anderen Worten intersubjektiv gemessen an Erfahrungs und Vernunftsätzen eine unrichtige Lösung der Schuldfrage qualifiziert nahelegen. Eine über diese Prüfung hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie es die Berufung wegen Schuld im Einzelrichterverfahren einräumt – wird dadurch nicht ermöglicht ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 487 und 491; RIS Justiz RS0118780 [T8]). Der Umstand, dass aus den von den Tatrichtern angeführten Prämissen allenfalls auch andere, für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen hätten gezogen werden können, ist für sich allein nicht geeignet, jene erheblichen Bedenken darzutun, auf die der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO abstellt (RIS Justiz RS0099674).
[5] M it dem Verweis auf die Aussagen des Angeklagten, die jeweiligen psychischen Erkrankungen der Tatopfer und darauf, dass „es immer wieder vorkomm[e], dass Minderjährige […], welche noch nicht entsprechend gereift sind, sehr oft aus persönlichen Motiven dazu neigen, jemanden falsch zu belasten“, was mangels objektiver Beweismittel „genau […] hier offenbar der Fall“ gewesen sei, gelingt es der Tatsachenrüge (Z 5a) nicht, beim Obersten Gerichtshof e rhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit de s Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu wecken (vgl im Übrigen die seitens des Rechtsmittel werbers unberücksichtigt gebliebenen Erwägungen der Tatrichter zur Glaubwürdigkeit der Tatopfer US 8, 11 f , 14 f und 16).
[6] Die Nichtigkeitsbeschwerde w ar daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
[7] Bleibt anzumerken, dass die erschwerende Wertung der „Tatbegehung gegenüber drei Angehörigen“ (US 21) nicht vom Urteilssachverhalt gedeckt ist, weil die Nichten und d ie Großnichte seiner Ehefrau (US 5) nicht als Angehörige (auch) des Angeklagten iSd § 33 Abs 2 Z 2 iVm § 72 StGB einzustufen sind ( Jerabek/Ropper , WK² StGB § 72 Rz 6, 8; Leukauf/Steininger/Tipold StGB 4 § 72 Rz 2 ff).
[8] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.