11Os69/24t – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 27. August 2024 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Jetzinger als Schriftführer in der Strafsache gegen * M* und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 1 und 3 SMG, § 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * L* gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 8. März 2024, GZ 319 Hv 124/23x 299.13, weiters über dessen Beschwerde gegen einen Beschluss gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten L* fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil – das auch jeweils unbekämpft in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche der Angeklagten * M*, * Ma* und * C* sowie einen Freispruch des Letztgenannten enthält – wurde * L* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 1 und 3 SMG, § 15 StGB (A/I/), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 „vierter und“ fünfter Fall, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 3 SMG, § 15 StGB (A/II/1/), des Vergehens der Entziehung von Energie nach § 132 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB (B/I/) sowie des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB (B/II/) schuldig erkannt.
[2] Danach hat * L* – soweit hier von Belang und gekürzt wiedergegeben – in D* und andernorts
A/ vorschriftswidrig Suchtgift
I/ im Zeitraum von zumindest Dezember 2022 bis 25. Mai 2023 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit mehreren im Urteil namentlich genannten sowie unbekannt gebliebenen Mittätern als Mitglied einer kriminellen Vereinigung, wobei er schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden war, in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge erzeugt und zu erzeugen versucht, indem sie eine Cannabis Indoorplantage mit 629 Stück Cannabispflanzen mit rund 26 Kilogramm Cannabiskraut (beinhaltend zumindest 224,2 Gramm Delta-9-THC und 2.930 Gramm THCA) betrieben, hievon bereits ca 2 Kilogramm Cannabiskraut abgeerntet hatten und die weitere Ernte für 26. Mai 2023 geplant war, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, weil am 25. Mai 2023 eine Hausdurchsuchung durchgeführt wurde, wobei L* den Aufbau und Betrieb der Cannabisplantage organisierte, die Durchführung überwachte sowie Anweisungen und Ratschläge gab;
II/ anderen überlassen, nämlich
1/ in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, wobei er die Straftat gewerbsmäßig beging und schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden war, nämlich Kokain (beinhaltend zumindest 71,9 % Cocain) und Ecstasy (beinhaltend eine nicht mehr feststellbare, jedoch zumindest Durchschnittswerten an Mengen N-Äthyl MDA bzw Tenamfetamin, MDA bzw MBDB bzw MDE bzw MDMA bzw MMDA bzw DOB), indem er
a/ * M* zum Verkauf und somit zum Überlassen von Suchtgift bestimmt (§ 12 zweiter Fall StGB), wobei es beim Versuch blieb, nämlich
ab/ am 24. Mai 2023 von 25.000 Tabletten Ecstasy;
„ab“/ am 23. Mai 2023 von 100 Gramm Kokain und 100 Tabletten Ecstasy;
b/ den gesondert verfolgten „Mi*“ dazu bestimmt (§ 12 zweiter Fall StGB),
ba/ am 21. Dezember 2022 von einem unbekannten Läufer des gesondert verfolgten „K*“ 50 Gramm Kokain zu übernehmen und in weiterer Folge einem Unbekannten zu überlassen;
bb/ am 19. Dezember 2022 von einem unbekannten Läufer des gesondert verfolgten „K*“ 100 Gramm Kokain zu übernehmen und in weiterer Folge einem Unbekannten zu überlassen;
bc/ am 18. Dezember 2022 von einem unbekannten Läufer des gesondert verfolgten „K*“ 300 Gramm Kokain zu übernehmen und in weiterer Folge einem „S*“ um einen Teilbetrag von 9.600 Euro zu überlassen und weitere 500 Gramm Kokain im Gesamtwert von 18.500 Euro zu übernehmen und in weiterer Folge einem „6*“ zu überlassen;
c/ am 10. Dezember 2022 * D* dazu bestimmt (§ 12 zweiter Fall StGB), 100 Gramm Kokain von einem unbekannten Läufer des gesondert verfolgten „K*“ zu übernehmen und einem unbekannten Abnehmer gegen eine Teilzahlung von 1.500 Euro zu überlassen;
B/ im Dezember 2022 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit mehreren im Urteil namentlich genannten sowie unbekannt gebliebenen Mittätern, wobei L* die Anweisung zur Durchführung gab,
I/ mit dem Vorsatz, sich und andere Mitglieder der kriminellen Vereinigung unrechtmäßig zu bereichern, aus einer Anlage, die der Zuführung von Energie dient, Energie in 5.000 Euro übersteigendem Wert entzogen, indem sie den Stromzählerkasten manipulierten bzw umgingen und dadurch der N* GmbH einen Schaden in Höhe von 39.715,65 Euro zufügten;
II/ eine fremde Sache beschädigt, und zwar durch zahlreiche Eingriffe in die Gebäudesubstanz durch die Einrichtung der unter Punkt A/I/ angeführten Cannabisplantage und dadurch dem Vermieter einen 5.000 Euro übersteigenden Schaden in nicht genau feststellbarer, jedoch zumindest 20.000 Euro betragender Höhe verursacht.
Rechtliche Beurteilung
[3] Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 11 zweiter Fall StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten L*.
[4] Jene Annahme, wonach der Angeklagte ständig in Verbindung mit seinen Mittätern stand, um ihre Handlungen zu kontrollieren, zu koordinieren und ihnen Anweisungen und Ratschläge zu geben (US 9; A/I/) stützte das Erstgericht – denkrichtig und grundlegenden Erfahrungssätzen nicht zuwiderlaufend (vgl RIS-Justiz RS0116732) – auf die von dem sichergestellten Mobiltelefon des Angeklagten ausgelesenen Chatnachrichten (die solche Anweisungen sowie die mehrfache Titulierung des Angeklagten L* als „Chef“ zum Inhalt haben) sowie auf die ihn belastenden Aussagen des Angeklagten * M* und des – abgesondert verurteilten – * Mi* im Ermittlungsverfahren (US 13 ff). Dass – wie der Beschwerdeführer anhand im Schöffenverfahren unzulässiger, eigenständiger Beweiswerterwägungen darzustellen trachtet – auch andere Schlüsse denkbar wären, vermag den herangezogenen Nichtigkeitsgrund (Z 5 vierter Fall) nicht herzustellen (RIS Justiz RS0098471, RS0116732 [T3]).
[5] Entgegen der weiteren Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) ist auch zu B/I/ die Ableitung der Feststellungen zur objektiven Tatseite (US 10 iVm US 18 und 4) aus den belastenden Aussagen des Angeklagten M* (ON 169.9 S 5) und des abgesondert verurteilten Mi* (ON 169.16) – die beide L* als Drahtzieher der Cannabisplantage darstellen – unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.
[6] Der B/I/ und B/II/ bekämpfenden Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider begegnet vorliegend der Schluss vom objektiven Tatgeschehen auf die subjektive Tatseite (US 18) keinen Bedenken (vgl RIS-Justiz RS0098671, RS0116882 [T1]).
[7] Die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) kritisiert die Heranziehung des Umstands der – hier vom Erstgericht als besonders dreist gewichteten – Tatbegehung während des Strafvollzugs (US 21) als erschwerend. Nichtigkeit in diesem Sinn bewirkt aber nur die unzutreffende Heranziehung eines für die Strafzumessung irrelevanten Umstands (RIS Justiz RS0100061 ). Davon, dass es offenbar unrichtig wäre, den in Rede stehenden Umstand nach den allgemeinen Grundsätzen für die Strafbemessung als erschwerend heranzuziehen, kann nicht die Rede sein, weil im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen ist, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters zurückzuführen ist (§ 32 Abs 2 StGB).
[8] Auch die Kritik an der gleichzeitigen Berücksichtigung der einschlägigen Vorverurteilungen bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 39 StGB geht ins Leere (zum Umfang des Doppelverwertungsverbots vgl RIS Justiz RS0130193 ; zuletzt 13 Os 28/24b [Rz 11]).
[9] In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
[10] Dabei ist es an die verfehlte – im konkreten Fall für den Angeklagten nicht nachteilige – Subsumtion der zu A/II/1/ abgeurteilten Taten auch unter den vierten Fall des § 28a Abs 1 SMG nicht gebunden (RIS Justiz RS0118870).
[11] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.