JudikaturOGH

11Os63/24k – OGH Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
27. August 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. August 2024 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Jetzinger als Schriftführer in der Strafsache gegen * M* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 3 SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12. März 2024, GZ 41 Hv 55/23s 43, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * M* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in W* im Zeitraum von September 2022 bis 12. Mai 2023 in mehreren Angriffen gewerbsmäßig dem abgesondert verfolgten * B * vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, wobei er schon einmal, nämlich mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 6. September 2018 zu AZ 71 Hv 42/18t, wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden ist,

A/ überlassen, und zwar

1/ 538,4 Gramm netto Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von zumindest 29,47 %, 318,3 Gramm netto Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von zumindest 28,87 %, 535,0 Gramm netto Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von zumindest 30,37 %, 169,5 Gramm netto Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von zumindest 18,1 % sowie zumindest 1.500 Gramm brutto Amphetamin mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 18,1 %;

2/ 1.174,2 Gramm netto MDMA mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 74,9 %;

3/ zumindest 150 Tabletten Ecstasy mit nicht mehr feststellbarem Gewicht und Reinheitsgehalt;

B/ verschafft, und zwar durch die Aufforderung an * J* zumindest 30 Tabletten Ecstasy mit nicht mehr feststellbarem Gewicht und Reinheitsgehalt an B* zu übergeben.

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5, 9 lit a, b, c und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Der von der Verfahrensrüge (Z 3) behauptete nichtigkeitsbegründende Verstoß gegen § 221 Abs 2 StPO, weil dem Angeklagten die Ladung zur Hauptverhandlung erst einen Tag vor dieser zugestellt worden sei, liegt nicht vor. Nach dem Akteninhalt (siehe Zustellnachweis an M* zu ON 1.21) übernahm dieser die Ladung zur auf den 21. November 2023 verlegten Hauptverhandlung am 31. Oktober 2023, sodass die Frist gewahrt wurde. Die den bezeichneten Termin betreffende Zustellung an den (damaligen) Verteidiger erfolgte im Übrigen – ebenso fristwahrend – am 27. Oktober 2023; durch den folgenden Verteidigerwechsel trat keine Verlängerung der gesetzlich zustehenden Vorbereitungsfrist ein ( Danek/Mann , WK-StPO § 221 Rz 11).

[5] Mit dem Vorwurf der Vernehmung des Zeugen * B* ohne Belehrung über und ausdrücklichen Verzicht auf die Befreiung von der Pflicht zur Aussage unter Hinweis darauf, dass der Genannte „möglicherweise in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Angeklagten stand“, wird der angesprochene Verfahrensmangel (§ 156 Abs 1 Z 1 iVm § 159 Abs 3 StPO) nicht dargelegt. Anhaltspunkte für eine Angehörigeneigenschaft (§ 72 StGB) dieses Zeugen werden weder aufgezeigt, noch ergeben sich solche aus dem Akt (vgl vielmehr ON 29 S 4: „fremd“ [zum Angeklagten]).

[6] Dass der Zeuge B* – nach dem Beschwerdevorbringen – durch seine Aussage sich selbst oder nahe Angehörige belastet habe und daher zur Verweigerung der Aussage (gemäß § 157 Abs 1 Z 1 StPO) berechtigt gewesen wäre (vgl zur ohnehin erfolgten Belehrung ON 29 S 4), steht nicht unter Nichtigkeitssanktion ( Kirchbacher/Keglevic , WK-StPO § 159 Rz 24 und 26).

[7] Die Kritik unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) nimmt nicht die Gesamtheit der Entscheidungsgründe in den Blick (RIS Justiz RS0119370 ), wonach die Feststellungen zur Überlassung von Suchtgift an B* (US 5) auf dessen Angaben in Zusammenhalt mit der von ihm mit dem Angeklagten geführten WhatsApp Kommunikation fußen (US 7 f).

[8] Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang die dem genannten Zeugen attestierte Glaubwürdigkeit (US 7) in Frage stellt, verkennt sie, dass die tatrichterliche Beurteilung der Überzeugungskraft von Personalbeweisen einer Anfechtung aus Z 5 entzogen ist (RIS-Justiz RS0106588). Sie kann zwar unter dem Aspekt der Unvollständigkeit mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubhaftigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat. Der Bezugspunkt besteht jedoch nicht in der Sachverhaltsannahme der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit, sondern ausschließlich in den Feststellungen über entscheidende Tatsachen (RIS-Justiz RS0119422 [T2, T4]).

[9] Der Einwand unterbliebener Erörterung (Z 5 zweiter Fall) von Widersprüchen innerhalb der Angaben des Zeugen B* sowie zwischen diesen und jenen anderer Zeugen scheitert schon an der fehlenden (korrekten) Bezeichnung einer Fundstelle der relevanten Aussageteile (RIS Justiz RS0124172 [T4, T9]).

[10] Im Übrigen wurden die angesprochenen Ungenauigkeiten in der Aussage des B* zum exakten Zeitpunkt des Treffens zwischen ihm und dem Angeklagten am 12. Mai 2023 ohnehin berücksichtigt (US 8), während das Vorbringen zu „Variationen“ in dessen Depositionen zu Art und Menge der übergebenen Drogen mangels Konkretisierung nicht nachvollziehbar ist (vgl ON 3.4 und ON 29 S 4 ff).

[11] Die Angaben der Zeugin * Je* verwarf das Erstgericht als unglaubwürdig (US 8), weshalb es unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit nicht verhalten war, auf die im Rechtsmittel angeführte Aussagepassage einzugehen (RIS-Justiz RS0098642 ). Gleiches gilt für – den als Gefälligkeitszeugen bezeichneten – * S*, dessen Aussagen ohne dies im Urteil behandelt wurden (US 9). Worin der behauptete Widerspruch zu den Ausführungen des Zeugen * Mi* gelegen sein soll, wird weder dargelegt noch ist ein solcher dem Hauptverhandlungsprotokoll (ON 37 S 2 ff) zu entnehmen, einer Auseinandersetzung mit dessen Aussage bedurfte es daher nicht (RIS Justiz RS0098646).

[12] Die Subsumtionsrüge (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) vermisst Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf die Qualifikationen nach § 28a Abs 2 Z 1, Abs 4 Z 3 SMG. Indem sie die diesbezüglichen Konstatierungen (US 6 f) teils übergeht, teils negiert, verfehlt sie den im festgestellten Sachverhalt gelegenen Bezugspunkt materiell rechtlicher Nichtigkeit (RIS Justiz RS0099810 ).

[13] Sofern das im Rahmen der Rechtsrüge erstattete Vorbringen, es fehle „an der erforderlichen Beweisführung“ und an „Nachweisen“ zur Absicht des Angeklagten, „sich durch die wiederkehrende Begehung von Taten ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen“, als Einwand unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zu verstehen ist, nimmt die Beschwerde nicht Maß an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS Justiz RS0119370). Die Tatrichter erschlossen die in subjektiver Hinsicht getroffenen Konstatierungen nämlich mängelfrei zunächst generell aus dem äußeren Geschehen (US 10; vgl RIS-Justiz RS0116882) und verwiesen überdies auf die Vielzahl der Tathandlungen über einen mehrmonatigen Zeitraum sowie den dadurch insgesamt erzielten hohen Erlös (US 11).

[14] Weshalb die Annahme der Qualifikation des § 28a Abs 2 Z 1 SMG Feststellungen zu einem durch regelmäßig, systematisch und planmäßig begangene Taten tatsächlich erzielten (monatlichen) Einkommen des Angeklagten von mehr als 400 Euro erfordern würde (siehe aber RIS-Justiz RS0086627 [T4]), wird nicht methodengerecht aus dem Gesetz abgeleitet (RIS-Justiz RS0116569).

[15] Gleiches gilt für die vermissten Konstatierungen (nominell Z 9 lit b) zu den Beginn- und Endzeitpunkten der dem Angeklagten gewährten Ausgänge aus der Justizanstalt. Unter dem Aspekt der Z 5 zweiter Fall ist hinzuzufügen, dass die protokollierten Zeiten (ON 40) den Urteilsannahmen – insbesondere zur Übergabe der Suchtmittel an B* am 12. Mai 2023 – nicht erörterungspflichtig entgegenstehen (RIS-Justiz RS0098646).

[16] Im Übrigen wendet sich die Rechtsrüge (Z 9 lit b) gegen die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung.

[17] In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[18] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rückverweise