JudikaturOGH

4Nc13/24k – OGH Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
02. August 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden und den Vizepräsidenten Hon. Prof. PD Dr. Rassi und die Hofrätin Mag. Waldstätten als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen *, geboren am * 2011, wegen Übertragung der Zuständigkeit nach § 111 JN, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Baden vom 16. April 2024, GZ 2 Ps 91/23f 17, nach § 111 Abs 1 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung dieser Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Bezau wird gemäß § 111 Abs 2 JN genehmigt.

Text

Begründung:

[1] Der Minderjährige ist syrischer Staatsbürger, kam mit seinem Onkel im Herbst 2023 nach Österreich, wo beide einen Asylantrag stellten und ihren Aufenthalt zunächst in einem Erstaufnahmezentrum im Sprengel des Bezirksgerichts Baden hatten. Im Dezember 2023 wurden der Minderjährige und sein Onkel in eine Asylunterkunft nach Vorarlberg verlegt, wo sie nach Aktenlage derzeit aufhältig sind. Mit Beschluss vom 15. 3. 2024 wurde dem Onkel die Obsorge über den Minderjährigen rechtskräftig übertragen.

[2] Das Bezirksgericht Baden übertrug den Pflegschaftsakt mit Beschluss vom 16. 4. 2024 an das Bezirksgericht Bezau, in dessen Sprengel die Asylunterkunft liegt.

[3] Das Bezirksgericht Bezau lehnte am 3. 6. 2024 die Übernahme ab, weil der Aufenthalt des Minderjährigen „ erst seit wenigen Wochen “ im Sprengel des Bezirksgerichts Bezau liege. Von einem gewöhnlichen Aufenthalt könne angesichts dieser Dauer noch nicht gesprochen werden. Dieser Umstand sei deswegen bedeutsam, weil gerade bei Flüchtlingen erfahrungsgemäß häufiger und schneller Aufenthaltswechsel erfolgten.

Rechtliche Beurteilung

[4] Das Bezirksgericht Baden legte den Akt dem Obersten Gerichtshof gemäß § 111 Abs 2 JN vor. Es wies darauf hin, dass der Minderjährige schon seit knapp sieben Monaten im Sprengel des Bezirksgerichts Bezau aufhältig sei.

[5] 1.1. Das Pflegschaftsgericht kann gemäß § 111 Abs 1 JN die Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Minderjährigen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird.

[6] 1.2. Ausschlaggebendes Kriterium für eine Übertragung der Zuständigkeit ist stets das Kindeswohl (vgl RS0047074). Dabei ist in der Regel das Naheverhältnis zwischen Pflegebefohlenem und Gericht von wesentlicher Bedeutung, sodass im Allgemeinen das Gericht am besten geeignet ist, in dessen Sprengel der Minderjährige seinen Wohnsitz oder (gewöhnlichen) Aufenthalt hat (RS0047074 [T18]).

[7] 2. Der Minderjährige war nur wenige Monate im Erstaufnahmezentrum im Sprengel des Bezirksgerichts Baden aufhältig und befindet sich bereits seit Dezember 2023 in der Asylunterkunft im Sprengel des Bezirksgerichts Bezau. Es hat daher bei der allgemeinen Regel zu bleiben, dass das Naheverhältnis zwischen Minderjährigem und Gericht von wesentlicher Bedeutung und daher jenes Gericht besser als Pflegschaftsgericht geeignet ist, in dessen Sprengel der Minderjährige jetzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat ( 4 Nc 6/24f mwN).

[8] 3. Der Übertragungsbeschluss des Bezirksgerichts Baden ist daher zu genehmigen.

Rückverweise