14Os61/24p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Juli 2024 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Faulhammer LL.M. (WU) in der Strafsache gegen * P* und andere Angeklagte wegen Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten * K* und P* sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 23. April 2024, GZ 41 Hv 31/24f 27.4, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.
Den Angeklagten K* und P* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier relevant – * K* des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (1) und * P* des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt.
[2] Danach haben als Polizeibeamte
1/ K* am 4. November 2023 in D* im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem abgesondert verfolgten Mittäter eine fremde Sache, nämlich einen im angefochtenen Urteil näher bezeichneten, im Eigentum einer unbekannten Person stehenden Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen * beschädigt, indem sie mehrere Seitenscheiben mit ihren Einsatzstöcken und einem Federkörner einschlugen;
2/ P* vom 4. bis zum 10. November 2023 in L* mit dem Vorsatz, dadurch den Staat an dessen Recht auf Strafverfolgung und den Eigentümer des beschädigten Pkw an seinem Recht auf Aufklärung des Verdachts einer zu seinem Nachteil begangenen strafbaren Handlung zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich missbraucht, dass er trotz unmittelbarer Wahrnehmung der zu Punkt 1/ geschilderten Tathandlung keine Anzeige erstattete oder den Vorfall dem Leiter seiner Dienststelle meldete.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die von den Angeklagten K* und P* gemeinsam ausgeführten, aus den Gründen der Z 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden sind nicht im Recht.
[4] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurde der Antrag auf „Einholung eines Bewertungsgutachtens zum Beweis der Wertlosigkeit“ des beschädigten Fahrzeugs (ON 27.3, 77 f) schon deshalb zu Recht abgewiesen, weil er nicht darlegte, weshalb die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis hätte erbringen sollen und deshalb auf im Hauptverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet war (RIS Justiz RS0099453 [T1]). Die in der Nichtigkeitsbeschwerde nachgetragenen Argumente sind wegen des Neuerungsverbots unbeachtlich.
[5] Die Kritik an der Feststellung zum – ungeachtet im Urteil konkretisierter Vorschäden – im Tatzeitpunkt (zu 1/) bestehenden (Rest )Wert des beschädigten Fahrzeugs als offenbar unbegründet (Z 5 vierter Fall) nimmt prozessordnungswidrig nicht Maß an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS Justiz RS0119370). Die Tatrichter stützten sich dabei nämlich nicht bloß – wie behauptet – auf aktenkundige Fotos (ON 2.7), sondern auch auf die Aussagen der Beschwerdeführer und des Zeugen * H* (US 5 f). Die Erwägung, (nach Ansicht der Tatrichter) kostengünstig behebbare Schäden führten – selbst bei Fahruntüchtigkeit – keineswegs zur völligen Wertlosigkeit des Fahrzeugs, ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (zum Maßstab RIS Justiz RS0118317; vgl im Übrigen RS0093245). Die Feststellungen zu den Vorschäden und jene zum (gleichwohl gegebenen) Wert des Fahrzeugs stehen entgegen dem weiteren Vorbringen (Z 5 dritter Fall) auch nicht im Widerspruch zueinander (RIS Justiz RS0117402).
[6] Gleiches gilt für die Feststellung, das beschädigte Fahrzeug sei nicht herrenlos (derenliquiert) gewesen (US 4), welche die Tatrichter logisch und empirisch einwandfrei (erneut RIS Justiz RS0118317) auf die Überlegungen stützten, die Schlepper hätten das Fahrzeug „im Rahmen ihrer Flucht abgestellt“ und die „kostengünstig“ behebbaren Schäden seien (ohne Wissen des Eigentümers) nach den Angaben mehrerer Zeugen „in der Zwischenzeit durch Angehörige des Bundesheers erfolgt“, weshalb – ungeachtet der „Nichtabholung über einen Zeitraum von mehreren Wochen bis Monaten“ – ein Dereliktionswille nicht anzunehmen sei, zumal dieser nach der gesetzlichen Anordnung (§ 386 zweiter Satz ABGB; vgl dazu RIS Justiz RS0011006, RS0093743, RS0011011; Rebisant in WK 2 StGB § 125 Rz 29; Schickmair in Schwimann/Kodek 5 § 386 ABGB Rz 1, 5 und 8) im Zweifel nicht zu vermuten sei (US 6 f).
[7] Die Verantwortung der Beschwerdeführer, sie seien von Herrenlosigkeit ausgegangen, weil es im Grenzgebiet „viele solcher aufgegebenen Schlepperfahrzeuge“ gebe (vgl etwa ON 27.3, 9, 19, 39 f), hat das Erstgericht erörtert, jedoch mit mängelfreier Begründung als unglaubhaft verworfen (US 8 und 11), weshalb der mit dem weiteren Vorbringen allenfalls der Sache nach erhobene Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) ins Leere geht.
[8] Die nominell im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit a, der Sache nach Z 5 vierter Fall) erhobene Kritik nimmt prozessordnungswidrig (RIS Justiz RS0119370) nicht Maß an der Gesamtheit der Begründung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu Punkt 2/ des Schuldspruchs. Diese leiteten die Tatrichter nämlich nicht bloß aus den äußeren Umständen der Tat (vgl dazu im Übrigen RIS Justiz RS0098671), sondern aus einer Reihe anderer Überlegungen (unter anderem der eigenen Verantwortung des Beschwerdeführers P*, dessen Ausbildung als Polizeibeamter und „der einfachen Deliktsstruktur der Sachbeschädigung“) ab (US 10 ff).
[9] Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) aus den in den Entscheidungsgründen angeführten Prämissen (der Verantwortung der Beschwerdeführer und der Aussage der Zeugen H* [US 5 f iVm ON 27.3, 57 f] und * R* [US 7 iVm ON 27.3, 67 ff] zum Zustand des Fahrzeugs und dessen angeblicher Beschlagnahme vor den zu Punkt 1/ inkriminierten Handlungen) andere Schlüsse zieht, weckt sie ebenso wenig erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (RIS Justiz RS0099674) wie mit dem Verweis auf die Aussage des Zeugen * Ka*, dieses Fahrzeug sei bereits „zwei, drei Wochen ca.“ zuvor von Schleppern zurückgelassen worden (ON 27.3, 72 f).
[10] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) legt nicht substantiiert dar, weshalb die – keineswegs bloß mit Hilfe der verba legalia – zur subjektiven Tatseite der beiden Beschwerdeführer getroffenen Feststellungen für einen Schuldspruch nicht ausreichten (vgl RIS Justiz RS0099620).
[11] Indem sie der leugnenden Verantwortung der beiden zum Durchbruch verhelfen will, bekämpft sie bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung.
[12] Der Verweis auf das Vorbringen von Mängel- und Tatsachenrüge, das „hilfsweise“ unter dem Aspekt der Rechtsrüge wiederholt wird, verkennt den wesensmäßigen Unterschied der – demnach gesondert auszuführenden – Nichtigkeitsgründe (RIS Justiz RS0115902).
[13] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[14] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).
[15] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.