JudikaturOGH

11Os67/24y – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Juli 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Juli 2024 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Loibl LL.M., BSc als Schriftführer in der Strafsache gegen N* E* wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 19. Oktober 2023, GZ 41 Hv 15/23f 43, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde N* E* jeweils mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2004/15 (1 a) und idF BGBl I 2013/116 (1 b), des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (2) sowie mehrerer Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB („4“) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in D *

(1) seine Ehefrau A* E* auf im angefochtenen Urteil beschriebene Weise mit Gewalt zur Vornahme oder Duldung des Beischlafs genötigt, und zwar jeweils in einer Mehrzahl von Angriffen

(a) vom Mai 2004 bis zum Juli 2013 und

(b) vom August 2013 bis zum Dezember 2019, weiters

(2) gegen A* E* vom Juni 2009 bis zum 2. Mai 2023, somit eine längere Zeit hindurch, fortgesetzt Gewalt ausgeübt, indem er die Genannte auf im Urteil beschriebene Weise mit dort festgestellter Häufigkeit und Intensität vorsätzlich am Körper verletzte (§ 83 Abs 1 StGB), teils mit Verletzungen am Körper (§ 107 Abs 1 StGB), teils mit dem Tod (§ 107 Abs 2 StGB) gefährlich bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, sowie mit Gewalt zu Handlungen nötigte (§ 105 Abs 1 StGB), ferner

(„4“) A* E* von 1999 bis zum Mai 2009 in einer Mehrzahl von Angriffen (US 5) auf im angefochtenen Urteil beschriebene Weise mit dem Tod gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit b und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Durch die Abweisung (ON 42 S 15) des in der Hauptverhandlung gestellten Antrags des Angeklagten auf Vernehmung dessen Tochter F * E* als Zeugin zum Beweis dafür, dass A* E* „ihr gegenüber nie darüber gesprochen oder Andeutungen gemacht hat, vom Angeklagten vergewaltigt worden zu sein, oder sich Anhaltspunkte für die Zeugin dafür ergeben haben“ (ON 42 S 15), wurden – der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider – Verteidigungsrechte nicht verkürzt.

[5] Denn der Antrag versäumte schon darzulegen, inwieweit das angesprochene Beweisthema (Fehlen von Wahrnehmungen einer Zeugin über die dem Angeklagten vorgeworfenen Taten) für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage von Bedeutung sein sollte (RIS Justiz RS0118444).

[6] Im Rechtsmittel nachgetragenes, den Antrag ergänzendes Vorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen (RIS Justiz RS0099618).

[7] Entgegen dem Vorwurf der „Scheinbegründung“ (Z 5 vierter Fall) hat das Schöffengericht seine den Schuldspruch 2 (mit )tragenden Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 10) – ohne Verstoß gegen Gesetze der Logik oder grundlegende Erfahrungswerte – aus jenen zum „äußeren Tatgeschehen“ abgeleitet (US 16).

[8] Indem sie diese Feststellungen auf der Basis eigenständig entwickelter Plausibilitätserwägungen als „unzutreffend“ bezeichnet, erschöpft sich die weitere Rüge (Z 5) in einem Angriff auf die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

[9] Die Behauptung der Tatsachenrüge (Z 5a), nach dem Protokoll über ihre kontradiktorische Vernehmung (ON 23 „Seiten 30 und 31“) habe die tatbetroffene Zeugin „ausdrücklich“ „betont, dass sie nur in der Zeit, als sie ihre Menstruation hatte, keinen Geschlechtsverkehr wollte und dann eben [vom Beschwerdeführer] gezwungen wurde“, trifft nicht zu. Auf jener aktenfremden Prämisse aufbauendes Beschwerdevorbringen geht daher von vornherein ins Leere.

[10] Die (mit den von der Beschwerde bezeichneten Fundstellen insoweit allein angesprochenen) Depositionen des Beschwerdeführers (ON 42 S 9) und des Opfers (ON 23 S 31), wonach Geschlechtsverkehr – generell – zu den ehelichen Pflichten zähle, indizieren keinen Sachverhalt, der die Annahme eines Rechtsirrtums (§ 9 Abs 1 StGB) in Bezug auf Vergewaltigungen „in der Ehe“ (Schuldspruch 1) trüge. Mit – abseits des in der Hauptverhandlung Vorgekommenen (§ 258 Abs 1 erster Satz StPO) – von der Rechtsrüge (Z 9 lit b) darüber hinaus entwickelten Spekulationen wird ein diesbezüglicher Feststellungsmangel nicht behauptet (RIS Justiz RS0118580 sowie Ratz , WK StPO § 281 Rz 600 f).

[11] Mit Subsumtionsrüge (Z 10) reklamiert der Beschwerdeführer, die vom Schuldspruch wegen mehrerer Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB („4“) umfassten – vor dem Inkrafttreten des § 107b StGB mit 1. Juni 2009, BGBl I 2009/40, begangenen – Taten hätten stattdessen, weil sich § 107b Abs 1 StGB (idgF) gegenüber den Tatzeitgesetzen fallkonkret nicht ungünstiger (§ 61 zweiter Satz StGB) auswirke, mit den vom Schuldspruch 2 umfassten Taten zu einer Subsumtionseinheit (in Gestalt bloß eines Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung) nach § 107b Abs 1 StGB zusammengefasst werden müssen.

[12] Indem sie ihre Argumentation aber nicht auf der Basis des gesamten Urteilssachverhalts entwickelt (und ebenso wenig einen Feststellungsmangel geltend macht – RIS Justiz RS0118580), verfehlt sie die prozessförmige Darstellung des herangezogenen (materiell-rechtlichen) Nichtigkeitsgrundes (RIS Justiz RS0099810).

[13] Die angestrebte Subsumtion scheitert im Übrigen daran, dass das angefochtene Urteil, soweit es die (vor dem 1. Juni 2009 begangenen) vom Schuldspruch „4“ umfassten Taten betrifft, keine Feststellungen zum Tatbestandselement der „Fortgesetztheit“ iSd § 107b Abs 1 StGB (dazu RIS Justiz RS0127377) enthält.

[14] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[15] Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[16] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rückverweise