JudikaturOGH

7Nc2/24i – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. Juli 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende sowie den Hofrat Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Mag. Malesich als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen 1. M* K*, geboren * 2008, 2. T* K*, geboren * 2009, und 3. M* K*, geboren * 2015, *, Mutter: E* K*, Vater: DI M* K*, wegen Obsorge, AZ 3 Ps 9/24z (vormals AZ 3 Ps 40/20b) des Bezirksgerichts Salzburg, wegen Übertragung der Zuständigkeit nach § 111 Abs 2 JN, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 5. September 2023, GZ 3 Ps 9/24z (3 Ps 40/20b) 39, gemäß § 111 Abs 1 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung dieser Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien wird genehmigt.

Text

Begründung:

[1] Die drei Minderjährigen wohnen mit ihren Eltern nach der Aktenlage seit Ende April 2023 im Sprengel des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien.

[2] Das Bezirksgericht Salzburg leitete mit Beschluss vom 17. 2. 2023 das Verfahren zur Prüfung der Notwendigkeit der Entziehung oder Einschränkung der Obsorge der Eltern für die drei minderjährigen Kinder ein, weil ihm durch Berichte einer Kinder und Jugendhilfe und durch Berichte der zuständigen Schulbehörden bekannt geworden war , dass die zwei älteren Kinder aufgrund fehlender Leistungsfeststellungen im letzten Schuljahr nach den Ferien nicht in die nächste Schulstufe aufsteigen durften und sie trotz Zurückstufung den Besuch der neuen Klasse verweigerten. Das jüngste (schulpflichtige) Kind besuchte keine Schule.

[3] Das Landesgericht Salzburg als Rekursgericht bestätigte am 17. 8. 2023 diesen Beschluss und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu. Innerhalb der Revisionsrekursfrist beantragte der Vater die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung eines Rechtsmittels gegen die zweitinstanzliche Entscheidung.

[4] Das Bezirksgericht Salzburg übertrug mit Beschluss vom 5. 9. 2023 die Zuständigkeit für die Pflegschaftssache der drei Minderjährigen an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien. Der Übertragungsbeschluss wurde über Auftrag des Obersten Gerichtshofs zu [1. 2. 2024] 7 Nc 2/24i den Parteien zugestellt und ist nunmehr rechtskräftig.

[5] Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien lehnte die Übernahme der Zuständigkeit mit Beschluss vom 22. 12. 2023 ab und stellte den Akt dem Bezirksgericht Salzburg zurück.

[6] Das Bezirksgericht Salzburg legte nach Rechtskraft seines Beschlusses den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung gemäß § 111 Abs 2 JN vor.

Rechtliche Beurteilung

[7] Die Übertragung ist berechtigt.

[8] 1. Die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht nach § 111 Abs 1 JN setzt voraus, dass dies im Interesse der Pflegebefohlenen gelegen erscheint. Dies trifft dann zu, wenn dadurch die wirksame Handhabung des den Pflegebefohlenen zugedachten Schutzes voraussichtlich gefördert wird (RS0046929). Die Bestimmung nimmt darauf Bedacht, dass ein örtliches Naheverhältnis zwischen dem Pflegschaftsgericht und den Pflegebefohlenen in der Regel zweckmäßig und von wesentlicher Bedeutung ist, weshalb die Pflegschaftsaufgaben grundsätzlich von jenem Gericht wahrgenommen werden sollen, in dessen Sprengel die Minderjährigen ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben und der Mittelpunkt ihrer Lebensführung liegt (RS0047300; vgl RS0047027 [T10]; RS0049144 [T5, T6]). Nach der Aktenlage halten sich die drei Minderjährigen seit Ende April 2023 im Sprengel des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien auf. Damit liegt nunmehr ihre Lebensführung im Sprengel dieses Bezirksgerichts.

[9] 2. Offene Anträge sprechen nicht grundsätzlich gegen eine Zuständigkeitsübertragung (vgl RS0046929 [T3]), es sei denn, dem übertragenden Gericht käme zur Entscheidung eine besondere Sachkenntnis zu (RS0047032; vgl RS0047027 [T14]; RS0047074 [T10]). Letzteres trifft im vorliegenden Fall nicht zu, weil das übertragende Gericht bislang keine Beweisaufnahme durchgeführt hat. Dass die Entscheidung über den Verfahrenshilfeantrag des Vaters zur Bekämpfung der Bestätigung des Einleitungsbeschlusses durch das Landesgericht Salzburg als Rekursgericht noch aussteht , steht der Übertragung nicht entgegen. Durch die Zuständigkeitsübertragung können auch die aktuellen Verhältnisse der Kinder bei der anstehenden Entscheidung besser berücksichtigt werden.

[10] 3. Die Übertragung ist daher zu genehmigen.

Rückverweise