JudikaturOGH

3Ob103/24d – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. Juli 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. M* als Insolvenzverwalterin im Sanierungsverfahren der M*gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Hon. Prof. Dr. Bernhard Fink und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei S* AG, *, vertreten durch Dr. Clemens Illichmann, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 16. April 2024, GZ 17 R 36/24a 50, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Der behauptete Verfahrensmangel wurde geprüft; er liegt nicht vor. Der vom Berufungsgericht aufgegriffene Verstoß gegen die Eventualmaxime stellt einen bloßen Verfahrensverstoß dar, der im Rechtsmittel geltend zu machen ist (3 Ob 182/05v = RS0041951 [T7]; 3 Ob 79/17i Pkt 3.2) und von der Beklagten auch tatsächlich geltend gemacht wurde. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann also keine Rede davon sein, dass das Berufungsgericht den gerügten Verfahrensmangel nicht hätte wahrnehmen dürfen. Mit der Rügepflicht ist nach der Rechtsprechung nur jene in der Berufung, nicht aber eine solche nach § 196 ZPO gemeint (3 Ob 2392/96b).

[2] 2.1. Gemäß § 35 Abs 3 erster Satz EO müssen alle Einwendungen, die die verpflichtete Partei zur Zeit der Geltendmachung bei Gericht vorzubringen imstande war, bei sonstigem Ausschluss gleichzeitig geltend gemacht werden. Nachträgliche Ergänzungen des Vorbringens sind im Oppositionsverfahren allerdings insoweit zulässig, als sie die vorgebrachten Tatsachen nur verdeutlichen oder präzisieren bzw richtig stellen, ergänzen oder erläutern, wobei nach ständiger Rechtsprechung ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl RS0001307 [T4 und T5]). Das kann nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und wirft daher – von aufzugreifenden Fehlbeurteilungen abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage auf (3 Ob 85/18y).

[3] 2.2. Dass das Berufungsgericht die von der Klägerin aus dem festgestellten Inhalt des Telefonats ihrer Geschäftsführerin mit dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten vom 27. März 2020 abgeleiteten Verzicht der Beklagten als wegen Verstoßes gegen die Eventualmaxime unbeachtlich ansah, begründet schon mangels Relevanz keine erhebliche Rechtsfrage:

[4] Nach dem den Exekutionstitel bildenden Prämienvergleich konnte sich die Klägerin von ihrer Verpflichtung laut dessen Punkt 1., einen Betrag von 220.677,25 EUR samt gestaffelten Zinsen zu zahlen, durch Leistung eines Betrags von 180.000 EUR in 18 Monatsraten à 10.000 EUR, die erste Rate fällig am 15. März 2020, die Folgeraten fällig am 15. jedes Folgemonats, befreien. Nach den vom Berufungsgericht als wegen Verstoßes gegen die Eventualmaxime als unbeachtlich qualifizierten Feststellungen des Erstgerichts wollte der damalige Geschäftsführer der Beklagten anlässlich eines Telefonats mit der Geschäftsführerin der Klägerin am 27. März 2020 den Betrag von 180.000 EUR erhalten; für ihn war es unerheblich, dass die erste Rate nicht pünktlich bezahlt worden war, er wollte das Geld bloß schlussendlich erhalten. Er ging damals davon aus, dass die Klägerin die erste Rate nachzahlen und „am 15. April 2020 weiterzahlen“ (also die weiteren Raten pünktlich leisten) werde. Dies hat die Klägerin allerdings, worauf bereits das Berufungsgericht hingewiesen hat, gerade nicht getan, hat sie doch mit ihren Ratenzahlungen überhaupt erst am 23. Juli 2020 – Monate nach Einleitung des Anlassexekutionsverfahrens – begonnen. Folglich kann die Klägerin aus dem Telefonat vom 27. März 2020 jedenfalls kein Erlöschen des über den Betrag von 180.000 EUR hinausgehenden Anspruchs der Beklagten ableiten.

[5] 3. Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Annahme eines stillschweigenden Verzichts besondere Vorsicht geboten (RS0014146 [T7]). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach allein aus der vorbehaltlosen Entgegennahme von Ratenzahlungen nach Einleitung des Exekutionsverfahrens und dem Unterbleiben des angekündigten Konkursantrags noch nicht auf einen stillschweigenden Verzicht der Beklagten auf die den Betrag von 180.000 EUR übersteigende titulierte (und betriebene) Forderung geschlossen werden könne, stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.

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