JudikaturOGH

15Os54/24s – OGH Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
26. Juni 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juni 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart des Schriftführers Edermaier Edermayr, LL.M. (WU), in der Strafsache gegen * S* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 20. März 2024, GZ 44 Hv 25/24b-43a, ferner über seine Beschwerde gegen einen gleichzeitig gefassten Beschluss gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * S* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG (I.A.) sowie der Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster Satz erster und zweiter Fall SMG (I.B.) und der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB (II.) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – in W* und an einem anderen Ort im Bundesgebiet

I. vorschriftswidrig Suchtgift

A. in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge übersteigenden Menge anderen überlassen, nämlich Heroin (beinhaltend den Wirkstoff Heroin mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 17,14 %), Kokain (beinhaltend den Wirkstoff Cocain mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 68,25 %), Cannabiskraut (beinhaltend die Wirkstoffe Delta-9-THC mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 0,90 % und THCA mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 11,85 %) und Ecstasy (beinhaltend den Wirkstoff MDMA mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 38,60 %), und zwar (jeweils brutto)

1. von Mai 2023 bis 11. September 2023 * T* 124 Gramm Heroin, 20 Gramm Kokain und 4,5 Gramm Cannabiskraut;

2. * K*

a. von Sommer 2022 bis 20. September 2023 56 Gramm Cannabiskraut, 10 Tabletten Ecstasy zu je einem Gramm und eine nicht mehr feststellbare Menge an Kokain;

b. seit dem Frühjahr 2023 in zehn Angriffen 20 Gramm Heroin;

3. im August 2023 * A* 0,3 Gramm Cannabiskraut;

4. im September 2023 * To* zwei Gramm Kokain;

5. von 2021 bis September 2023 * P* in rund 50 Angriffen zumindest 15 Tabletten Ecstasy zu je einem Gramm sowie 125 Gramm Kokain;

6. am 19. September 2023 * Sz* 25 Gramm Kokain.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die nicht berechtigt ist.

[4] Die Mängelrüge reklamiert unter gleichzeitiger Wiedergabe einzelner Passagen der Aussagen der Zeuginnen * F* und * M* Unvollständigkeit der Beweiswürdigung (Z 5 zweiter Fall), weil sich das Schöffengericht mit diesen Angaben „nicht vollständig“ auseinandergesetzt und Widersprüche nicht gewürdigt hätte. Aus dem „vollständigen Beweisergebnis“ würde sich jedoch ergeben, dass der Beschwerdeführer „nicht in der angenommenen Häufigkeit“ Suchtgift überlassen hätte, weshalb „zu seinen Gunsten anzunehmen“ sei, dass eine „weit geringere Menge“ übergeben worden sei.

[5] Dem ist zu erwidern, dass die Tatrichter die Aussagen dieser Zeuginnen zu ihren Wahrnehmungen – einschließlich deren Unschärfen – betreffend die Häufigkeit der Überlassung von Suchtgift durch den Beschwerdeführer an T* und zu den überlassenen Mengen ausdrücklich berücksichtigten (US 13 f). Zur Analyse einzelner Sätze waren sie mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verpflichtet (vgl RIS Justiz RS0106295, RS0098778). Das weitere dazu erstattete Vorbringen macht keinen Begründungsmangel geltend, sondern bekämpft der Sache nach die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung.

[6] Auch die behauptete Unvollständigkeit der Beweiswürdigung betreffend die Feststellungen zu den an K* überlassenen Mengen an Heroin (US 6) liegt nicht vor, weil die Tatrichter die diesbezüglichen Angaben des Angeklagten und der genannten Zeugin samt deren Unterschiede – entsprechend dem Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe – würdigten (US 16 f). Mit seinem übrigen Vorbringen, mit dem er Details dieser Aussagen herausgreift, gegenüberstellt und eigenständig bewertet, wendet sich der Beschwerdeführer erneut in unzulässiger Form, vergleichbar einer Schuldberufung, gegen die Beweiswürdigung des Schöffengerichts.

[7] Als offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) kritisiert die weitere Rüge die Feststellung, dass der Angeklagte zwischen Mai 2023 und 11. September 2023 T* einmal ein Säckchen mit 20 Gramm Kokain überlassen hat (US 6). Diesem Vorbringen zuwider begründeten die Tatrichter diese Feststellung zulässig mit – Gesetzen der Logik oder grundlegenden Erfahrungssätzen keineswegs widersprechenden – Wahrscheinlichkeitsschlüssen (RIS Justiz RS0098362, RS0098471) aus den Beweisergebnissen zur Größe und zum Füllstand dieses Säckchens (US 16). Dass diese Begründung den Rechtsmittelwerber nicht überzeugt, vermag keine Nichtigkeit herzustellen (RIS-Justiz RS0118317 [T9]).

[8] Die Tatsachenrüge (Z 5a) soll nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Rügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

[9] Mit seiner neuerlichen Analyse der eigenen Angaben und der Aussagen der Zeuginnen F*, M* und K*, der Behauptung ungenügender Beweisgrundlagen für die Feststellungen zur Anzahl der Suchtgiftübergaben und zu den von ihm überlassenen Suchtgiftquanten sowie der daraus entwickelten Kritik an der Beweiswürdigung des Schöffengerichts gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, erhebliche Bedenken im bezeichneten Sinn gegen die Richtigkeit von Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen betreffend die von ihm überlassene Menge an Suchtgift zu wecken.

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher ebenso bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), wie die im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (ON 47.1).

[11] Die Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe und die (implizite) Beschwerde kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[12] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rückverweise