8ObA14/24b – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann-Prentner als Vorsitzende; die Hofräte MMag. Matzka und Mag. Dr. Sengstschmid sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Elisabeth Schmied (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Karl Schmid Wilches (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S* P*, vertreten durch Dr. Peter Wallnöfer und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Ö* AG, *, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH, wegen 1.685,58 EUR sA brutto, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 1.221,80 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Februar 2024, GZ 13 Ra 39/23t-27, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Der Kläger war bei der Beklagten zunächst als Zusteller und in der Folge als Teamleiter beschäftigt. Bei Beendigung des Dienstverhältnisses wies sein Zeitkonto Minusstunden auf, für die ihm die Beklagte in den Gehaltsabrechnungen zum Ende des Dienstverhältnisses den Klagsbetrag abzog.
Rechtliche Beurteilung
[2] 1.1. Die im vorliegenden Fall anwendbare „Betriebsvereinbarung gemäß § 4b AZG iVm § 29 ArbVG und gemäß § 73 Abs 2 Z 2 PBVG sowie gemäß § 96 ArbVG über die Flexibilisierung der Normalarbeitszeit sowie über die Verwendung eines EDV-unterstützten Zeiterfassungssystems sowie über begleitende Entgeltregelungen in den Zustellbasen der Division 'Brief' der Ö* AG“ sieht unter anderem vor, dass, wenn bis Ende des Dienstverhältnisses Zeitguthaben oder Zeitschulden offen sind, bei der Endabrechnung Zeitguthaben unter Berücksichtigung des zur Auszahlung gelangenden Mehrstunden-/Überstundenpauschales entsprechend den einschlägigen gesetzlichen und kollektivvertraglichen Regelungen auszubezahlen sind. Zeitschulden werden mit dem Normalstundensatz von auszuzahlenden Beträgen abgezogen.
[3] 1.2. In der Entscheidung 8 ObA 58/23x hat der Senat bereits ausgesprochen, dass für die Zulässigkeit eines solchen Abzugs unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 1155 ABGB maßgeblich ist, wessen Sphäre der Grund für das Unterbleiben der Arbeitsleistung zuzurechnen ist. Da es die Beklagte durch die Einteilung der Arbeit und die Vorgabe, dass mit der Erledigung der zugewiesenen Arbeit die Arbeitszeit endet, dem Arbeitnehmer unmöglich macht, allfällige Minusstunden abzuarbeiten, sind die Minusstunden der Sphäre der Beklagten zuzurechnen.
[4] 2. Gegen die Richtigkeit dieser Beurteilung wendet sich auch die Revision der Beklagten nicht. Sie argumentiert nur, dass der Kläger zusätzlich „Mitbesorgungsstunden“, das bedeutet Zustellerdienste in anderen Rayons als dem ihm grundsätzlich zugewiesenen, geleistet habe. Diese Zeiten seien mit Zuschlag ausbezahlt und im Zeitkontingent als Minusstunden eingetragen worden.
[5] 3. Die gesonderte Entlohnung der Mitbesorgungsstunden als Mehrleistung (samt Zuschlag) ist in Punkt 7 der Betriebsvereinbarung ausdrücklich vorgesehen. Sie sind daher auch unabhängig von der übrigen Arbeitsleistung des Klägers zu betrachten. Die Beklagte behauptet nicht, dass der Kläger, hätte er sich nicht zu Mitbesorgungsstunden bereit erklärt oder eingeteilt, zu anderen Arbeitsleistungen herangezogen worden wäre.
[6] 4. Insgesamt gelingt es der Beklagten nicht, das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen (vgl RS0042656; ebenso bereits 9 ObA 22/24m zu einer im Wesentlichen wortgleichen Revision der Beklagten).
[7] 5. Die außerordentliche Revision der Beklagten ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).