JudikaturOGH

1Ob71/24h – OGH Entscheidung

Entscheidung
Immobilienrecht
25. Juni 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely-Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. H* und 2. R*, beide vertreten durch Mag. Johann Juster, Rechtsanwalt in Zwettl, und der Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Parteien 1. W* und 2. M*, beide vertreten durch Dr. Edmund Kitzler und Dr. Martin Wabra, Rechtsanwälte in Gmünd, wider die beklagte Partei H*, vertreten durch die Raffaseder Haider Rechtsanwälte OG in Freistadt, wegen Feststellung und Unterlassung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Berufungsgericht vom 8. Februar 2024, GZ 1 R 183/23a-69, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Zwettl vom (richtig:) 10. August 2023, GZ 1 Cg 746/20h-64, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil lautet:

„Das Klagebegehren,

es werde zwischen den Streitteilen festgestellt, dass weder zu Gunsten der beklagten Partei noch zugunsten des der beklagten Partei gehörenden Grundstücks Nr 7, * noch zu Gunsten von anderen Grundstücken oder Liegenschaften, die der beklagten Partei gehören, eine Dienstbarkeit des Wasserbezugs von dem auf dem Grundstück Nr 714, *, bestehenden Brunnen oder eine Dienstbarkeit der Wasserleitung über oder durch die Grundstücke Nr 714 oder 715, *, bestehe;

2. die beklagte Partei sei gegenüber den klagenden Parteien schuldig, es ab sofort zu unterlassen, von dem in Punkt 1. dieses Urteils genannten Brunnen Wasser zu beziehen und/oder von dort wegzuleiten und/oder abzuleiten und/oder Wasser durch oder über die Grundstücke Nr 714 und/oder 715, *, zu leiten und/oder gleichartige oder ähnliche Störungshandlungen zu begehen;

wird abgewiesen.“

Die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Fällung einer neuen Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz aufgetragen.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 3.031,48 EUR (darin enthalten 1.831,20 EUR an Barauslagen und 200,05 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Die Kläger kauften im April 1999 von einem Ehepaar (den Nebenintervenienten) die Wiesengrundstücke Nr 714 und 715 * und sind je zur Hälfte Eigentümer dieser Grundstücke. Der Beklagte ist Eigentümer des Grundstücks Nr 7 * mit dem darauf errichteten Objekt *.

[2] Auf dem Grundstück Nr 714 befindet sich ein Brunnen, dessen Wasser durch unterirdisch verlegte Verrohrungen zuerst über die Grundstücke Nr 714 und 715 und in weiterer Folge über andere Grundstücke zum Objekt des Beklagten geleitet wird. Der Brunnen war bereits vorhanden, als die Kläger ihre Grundstücke kauften.

[3] Sowohl die Verkäufer (Nebenintervenienten) als auch die Käufer (Kläger) kannten sowohl den Brunnen und die Leitungsanlagen, als auch die Person des Berechtigten und das nutznießende Grundstück. Den genauen Verlauf der unterirdischen Verrohrung zwischen dem Brunnen und dem Grundstück Nr 7 kannten sie nicht.

[4] Aufgrund damaliger Wasserknappheit, insbesondere betreffend den von ihm seit 1989 geführten landwirtschaftlichen Betrieb, hatte der Beklagte seinerzeit mit dem Erstnebenintervenienten persönlich Kontakt aufgenommen und ihn ersucht, auf der damals im Eigentum der Nebenintervenienten stehenden Wiese (Grundstücke Nr 714 und 715) einen Brunnen errichten zu dürfen. Diesem mündlichen Ansuchen war der Erstnebenintervenient nicht entgegengetreten, sondern hatte mit den lapidaren Worten (sinngemäß) „Wenn du Wasser findest, dann ist das in Ordnung, wenn du nichts findest, dann hast du Pech!“ seine Einwilligung zu diesem Vorgehen erteilt. Weitere Umstände im Zusammenhang mit der Errichtung dieses Brunnens und allfälliger im unmittelbaren Zusammenhang damit stehender Anlagenteile, wie etwa Leitungsanlagen, wurden weder damals noch zu einem späteren Zeitpunkt zwischen dem Beklagten und den Nebenintervenienten besprochen. Es wurde auch nicht besprochen, ob dieser Brunnen samt allfälligen bezughabenden Baulichkeiten nur für begrenzte Zeitdauer oder auf unbestimmte Zeitdauer auf bzw unter der damaligen Wiese der Nebenintervenienten verbleiben dürfe. Ebenso wenig wurde besprochen, dass den Nebenintervenienten oder deren Rechtsnachfolgern das Recht des Widerrufs oder ein vergleichbares Recht zusteht.

[5] Aufgrund dessen errichtete der Beklagte auf dem Grundstück Nr 714 einen – ersten – Brunnen samt Leitung zu seinem Anwesen. Dieser Brunnen bot jedoch wegen Verunreinigung mit Fäkalkeimen keine ausreichende Wasserqualität. Daher errichtete er einen weiteren Brunnen am nunmehrigen Standort. Der erste Brunnen wurde im Zuge dieser Arbeiten zugeschüttet und bis zur Position des vormaligen Brunnens ein zusätzlicher unterirdischer Leitungsstrang verlegt.

[6] Es konnte nicht festgestellt werden, dass vor Errichtung dieses zweiten Brunnens und der verlängerten Leitungsanlage konkret ein weiteres Gespräch insbesondere zwischen dem Beklagten und dem Erstnebenintervenienten stattgefunden hätte.

[7] Der genaue Zeitpunkt der Errichtung des ersten und des zweiten Brunnens konnte nicht festgestellt werden, er lag aber jeweils „im Bereich“ des Jahres 1990.

[8] Die Zweitnebenintervenientin war bei dem zwischen dem Beklagten und dem Erstnebenintervenienten geführten Gespräch über die Errichtung eines Brunnens nicht zugegen. Ebenso wenig war sie bei der Errichtung des ersten und des zweiten Brunnens zugegen; sie „inspizierte“ auch nicht die Baustellen. Sie wurde aber vom Erstnebenintervenienten über den Inhalt des Gesprächs mit dem Beklagten über die Errichtung eines (des ersten) Brunnens informiert; dazu äußerte sie sich nicht – dies weder zustimmend noch ablehnend.

[9] Disloziert in der Beweiswürdigung stellte das Erstgericht schon im ersten Rechtsgang fest, dass insbesondere im damaligen zeitlichen Umfeld (gemeint: 1990) grundstücksbezogene Angelegenheiten dem Grunde nach „Männersache“ waren. Sämtliche Angelegenheiten mit Außenwirkung, wie Gespräche, Schriftverkehr etc, wurden ausschließlich von Männern vorgenommen und wurde – „wie sich dies auch aus dem Beweisverfahren zweifelsfrei ergeben hat“ – die jeweilige Ehegattin, insbesondere auch im Nachhinein, darüber verständigt und um Zustimmung gebeten.

[10] Die Kläger begehrten die aus dem Spruch ersichtliche Feststellung und Unterlassung. Sie und die auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenienten brachten vor, die Nebenintervenienten hätten dem Beklagten nur jederzeit widerruflich gestattet, den Brunnen und die Wasserleitung zu errichten, weil er über zu wenig Wasser am eigenen Grundstück berichtet habe. Sie hätten dem Beklagten aber keine unentgeltliche Servitut eingeräumt. Wenn überhaupt, habe zwischen dem Erstnebenintervenienten und dem Beklagten nur ein Gespräch stattgefunden, wonach der Beklagte versuchen könne, einen Brunnen zu graben. Diese einmalige Möglichkeit sei durch den ersten gegrabenen, aber unverwendbaren Brunnen verbraucht worden. Beim damaligen Gespräch sei die Zweitnebenintervenientin nicht dabei gewesen. Der Erstnebenintervenient alleine habe eine vertragliche Servitut nicht wirksam begründen können. Die Kläger hätten das Prekarium am 6. 5. 2018 widerrufen. Außerdem hätten sie gutgläubig lastenfrei erworben. Überdies habe die Stadtgemeinde nicht zugestimmt, dass die Leitungen auf öffentlichem Grund verlegt würden. Der Brunnen und die Leitungen seien daher zwecklos, weil die Dienstbarkeit aus rechtlichen Gründen nicht ausgeübt werden könne. Allfällige Rechte seine untergegangen.

[11] D er Beklagte bestritt . Er habe den Brunnen vor mehr als 30 Jahren aufgrund einer Dienstbarkeitsvereinbarung mit den Nebenintervenienten errichtet. Diese hätten der Brunnenerrichtung generell, unabhängig vom Standort des Brunnens, zugestimmt. Sie hätten seit über 30 Jahren den Standort des Brunnens gekannt und sich nie dagegen ausgesprochen. Der Brunnen sei in der Natur ersichtlich und offenkundig. Die Kläger hätten immer gewusst, dass die Liegenschaft mit einer Servitut zugunsten des Beklagten belastet sei. Eine prekaristische Nutzung des Brunnens, eine Widerruflichkeit oder eine Befristung dieses Rechts seien nie vereinbart worden und in Anbetracht der Investitionskosten lebensfremd. Sollte keine Dienstbarkeit bestehen, hätte der Beklagte durch gutgläubige Bauführung Eigentum an dem in Anspruch genommenen Grundstücksteil erworben.

[12] Die Zweitnebenintervenientin sei beim Gespräch über die Einräumung der Dienstbarkeit dabei gewesen. Auch wenn das „Hauptgespräch“ nur von den Männern geführt worden sei, sei sie vom genauen Gesprächsinhalt „unmittelbar informiert“ worden und habe diesen zur Kenntnis genommen. Nach den Beweisergebnissen seien zwischen den Nebenintervenienten wichtige Dinge besprochen worden und habe der Erstnebenintervenient seiner Gattin, der Zweitnebenintervenientin, über das Gespräch mit dem Beklagten berichtet und habe sie sich nach Kenntnis der besprochenen Vorgangsweise nie dagegen ausgesprochen. Dadurch habe sie der Vereinbarung jedenfalls konkludent zugestimmt.

[13] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren (auch) im dritten Rechtsgang statt. Zwischen dem Beklagten und der Zweitnebenintervenientin sei weder unmittelbar noch konkludent die Dienstbarkeit des Wasserbezugs oder der Wasserleitung in Bezug auf einen der vom Beklagten errichteten Brunnen samt Leitungsanlagen vereinbart worden.

[14] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung im dritten Rechtsgang und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige.

[15] Im ersten Rechtsgang ging es davon aus, dass die festgestellte Äußerung des Erstnebenintervenienten gegenüber dem Beklagten nur so verstanden werden könne, dass er dem Beklagten eine Dienstbarkeit habe einräumen woll en . Ob die Vermutung des § 479 ABGB hier für eine Dienstbarkeit und gegen eine jederzeit widerrufliche Gebrauchsgestattung sprechen würde, k önne in Hinblick auf den eindeutigen Sinn der festgestellten Vereinbarung dahingestellt bleiben.

[16] Die festgestellten Äußerungen enth ie lten keine Einschränkung, weder in räumlicher noch in zeitlicher Hinsicht und auch nicht auf eine bestimmte Anzahl von Versuchen, einen tauglichen Brunnen zu errichten.

[17] B eim Erwerb offenkundiger Dienstbarkeiten aufgrund eines gültigen Titels werde nach der Rechtsprechung das Eintragungsprinzip durchbrochen. Mit der Duldung der Errichtung des ersten Brunnens sei die Dienstbarkeit (Wirksamkeit auch gegenüber der Zweitnebenintervenientin vorausgesetzt) als dingliches Recht im vereinbarten Umfang entstanden, d h mangels Einschränkung am ganzen Grundstück. Die Errichtung des zweiten Brunnens sei dann nur noch eine Ausübung der bereits entstandenen Dienstbarkeit gewesen.

[18] Allerdings könne ein Miteigentümer alleine keine Dienstbarkeit bestellen, auch nicht wenn die Eigentümer Ehegatten s eien. Daher hänge die Frage, ob der Beklagte ein dingliches Recht erworben habe, (nur) davon ab, ob ein Erwerbstitel auch mit der Zweitnebenintervenientin begründet worden sei und auch sie die offene Ausübung der Dienstbarkeit (als wirkliche Übergabe) geduldet habe. Da eine ausdrückliche Einwilligung der Zweitnebenintervenientin nicht festgestellt worden sei, sei zu prüfen, ob sie konkludent zugestimmt habe. Dazu fehlten noch Feststellungen, wobei es darauf ankomme, ob die Zweitnebenintervenientin bei der Errichtung des Brunnens und der Wasserleitungen dabei gewesen sei oder ob sie erst nachträglich von der Vereinbarung und den Aufwendungen des Beklagten erfahren habe.

[19] Die Kläger könnten sich nicht auf einen lastenfreien Erwerb berufen, weil nach den Feststellungen zumindest der Erstkläger den Brunnen gekannt und gewusst habe, wer ihn zu welchem Zweck errichtet habe. Damit sei Gutgläubigkeit von vornherein ausgeschlossen.

[20] Zum Einwand des Beklagten, er habe nach § 418 ABGB Eigentum erworben, führte das Berufungsgericht aus, dass die Regelungen des § 418 ABGB nur dann anzuwenden seien, wenn die Bauführung gerade nicht auf einer – welchem Vertragstypus immer zuzurechnenden – Vereinbarung zwischen Grundeigentümer und Bauführer beruh e. Der Beklagte könne schon nach seinem Vorbringen kein Eigentum erworben haben.

[21] Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren Feststellungen zu treffen haben, die eine Beurteilung ermöglichen würden, ob die Zweitnebenintervenientin mit ihm konkludent eine Dienstbarkeit vereinbart habe. Sollte das der Fall sein, wären die Klagebegehren abzuweisen, andernfalls wäre ihnen stattzugeben. Alle anderen im ersten Rechtsgang vorgebrachten Themen seien abschließend erledigt.

[22] Im zweiten Rechtsgang wiederholte das Berufungsgericht seine Rechtsansicht, dass dann, wenn auch die Zweitnebenintervenientin an die Vereinbarung gebunden sein sollte, die Dienstbarkeit durch Errichtung des Brunnens und der Wasserleitung als offenkundige Dienstbarkeit entstanden wäre. Ob eine schlüssige Willenserklärung der Zweitnebenintervenientin vorliege, sei aber noch nicht abschließend beurteilbar, weil das Erstgericht ein Beweisergebnis ignoriert habe und der Beklagte daher zu Recht einen Verfahrensmangel geltend mache.

[23] In der nunmehr angefochtenen (im dritten Rechtsgang ergangenen) Entscheidung knüpfte das Berufungsgericht unter Zugrundelegung der Feststellungen aus beiden vorherigen Rechtsgängen (RS0121986; 1 Ob 238/05i [ErwGr 1]) an seine bereits im zweiten Rechtsgang ausgeführte Ansicht an, dass auch schlüssige Willenserklärungen zugangsbedürftig seien. D er Beklagte habe keine Anhaltspunkte dafür gehabt, dass die Zweitnebenintervenientin erfahren habe, dass er mit Zustimmung ihres Mannes einen Brunnen und eine Wasserleitung habe errichten wollen. D ie weitere Duldung der Benützung habe keinen Erklärungswert, wenn der Eigentümer der davon betroffenen Liegenschaft erst im Nachhinein von der „kostspieligen Anlage“ erf ahre.

[24] Hinsichtlich der Frage des Eigentumserwerbs durch Bauführung (§ 418 ABGB) liege ein (im ersten Rechtsgang) abschließend erledigter Streitpunkt vo r .

[25] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nachträglich zu, offenbar weil es der Meinung war, es sei im Hinblick auf die Entscheidung 1 Ob 226/16s allenfalls doch ein Eigentumserwerb durch „Bauen unter fremden Grund“ in Betracht zu ziehen.

Rechtliche Beurteilung

[26] Die gegen das Berufungsurteil (im dritten Rechtsgang) vom Beklagten erhobene – von den Klägern und den Nebenintervenienten beantwortete – Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig . Sie ist auch berechtigt .

[27] 1. § 496 Abs 2 ZPO ordnet im Fall der Aufhebung nach § 496 Abs 1 Z 2 ZPO an, dass das Verfahren vor dem Prozessgericht auf die durch den Mangel betroffenen Teile des erstrichterlichen Verfahrens und Urteils zu beschränken ist. Nach ständiger Rechtsprechung ist auch bei der Aufhebung wegen des Vorliegens von Erörterungs- bzw Feststellungsmängeln nur zu einem ganz bestimmten Teil des erstrichterlichen Verfahrens und Urteils das Verfahren im zweiten Rechtsgang auf diesen von der Aufhebung ausdrücklich betroffenen Teil des Verfahrens und Urteils zu beschränken (RS0042411). Abschließend erledigte Streitpunkte können demgemäß in der Rechtsrüge der Revision nicht wieder aufgerollt werden (RS0042411 [T5]).

[28] Dieser Grundsatz gilt allerdings nicht, w enn ein früher ergangener Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts trotz Zulässigerklärung des Rekurses unbekämpft blieb oder ein Ausspruch über die Zulässigkeit des Rekurses an den O bersten Gerichtshof – wie hier – nicht beigefügt wurde (RS0042991; RS0119442).

[29] In diesem Fall hat der O berste Gerichtshof , wenn die Revision auch eine gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge enthält, die materiell rechtliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nach allen Richtungen hin zu prüfen (RS0043352). Anderes gilt, wenn sich die Rechtsrüge in der Revision nicht auf alle selbständigen Forderungen oder Gegenforderungen oder nicht auf alle rechtserzeugenden Tatsachen oder rechtsvernichtenden Einwendungen bezieht. Diese scheiden aus der ansonsten umfassenden Beurteilungspflicht des Obersten Gerichtshofs aus (RS0043338 ua; zu all dem auch Lovrek in Fasching/Konecny 3 IV/1 § 503 ZPO Rz 18 6–188 [Stand 1. 9. 2019, rdb.at]).

[30] Dies gilt hier für den nicht mehr aufrechterhaltenen Einwand des Beklagten, er habe die fragliche Dienstbarkeit ersessen. Demgegenüber sind die Fragen, ob eine gültige V ereinbarung über die Dienstbarkeit zustande gekommen ist oder ob der Beklagte nach § 418 Satz 3 ABGB Eigentum erworben hat , revisibel. Da die „subsidiäre“ Bestimmung des § 418 Satz 3 ABGB durch eine wirksame Vereinbarung über die Bauführung ausgeschlossen wird (RS0011052), stellt sich letztere Frage allerdings nicht, wenn erstere zu bejahen ist.

[31] 2. Der Beklagte zeigt in seiner Revision zutreffend auf, dass die Vorinstanzen eine Willenseinigung zwischen ihm und den beiden Nebenintervenienten über die Einräumung einer Dienstbarkeit des Wasserbezugs und der Wasserleitung zugunsten des Grundstücks Nr 7 zu Unrecht verneint haben.

[32] 2.1. Erwerbstitel einer Dienstbarkeit ist – neben den in § 480 ABGB genannten anderen Fällen – grundsätzlich ein Vertrag, der nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent (§ 863 ABGB) geschlossen werden kann. Für die Begründung einer Dienstbarkeit ist die Zustimmung aller Miteigentümer des dienenden Grundstücks erforderlich. Derjenige, der die Kosten für die Errichtung einer Anlage zur Ausübung einer Dienstbarkeit aufwendet, kann nach der Rechtsprechung damit rechnen, dass der Eigentümer des belasteten Grundstücks, der dies duldet, mit der Begründung der Dienstbarkeit einverstanden ist (RS0114010).

[33] Das Berufungsgericht hat richtig ausgeführt, dass die Antwort des Erstnebenintervenienten auf das Ansuchen des Beklagten, auf der Wiese der Nebenintervenienten Grundstücke Nr 714 und 715 einen Brunnen errichten zu dürfen: „Wenn du Wasser findest, dann ist das in Ordnung, wenn du nichts findest, dann hast du Pech!“ nur so verstanden werden kann, dass der Beklagte einen Brunnen (samt Leitungen) errichten dürfe, wenn er Wasser finden sollte. Diese Äußerung erlaubte dem Beklagten eine freie Suche auf der Wiese und beschränkte weder den Standort des späteren Brunnens noch die Zahl der Grabungsversuche bis zur erfolgreichen Einrichtung einer tauglichen Wasserversorgung.

[34] Nach § 479 Satz 2 ABGB ist im Zweifel davon auszugehen, dass eine Servitut (ihrem gesetzlichen Typus entsprechend) und kein obligatorisches Recht eingeräumt wurde (RS0058319; vgl Memmer in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.05 § 479 Rz 13 [Stand 15. 12. 2023, rdb.at]). So sind Wasserbezugsrechte, die zur Benutzung eines Baugrundstücks eingeräumt wurden, im Zweifel Grunddienstbarkeiten (RS0011601). § 479 ABGB gelangt auch dann zur Anwendung, wenn die Frage strittig ist, ob eine nicht verbücherte Servitut eingeräumt wurde oder nur ein jederzeit widerrufliches Recht (RS0011629).

[35] Der Klagsseite ist der Beweis (vgl RS0058319 [T2]) für die Abweichung von dem gesetzlich unterstellten Normfall, insbesondere für ein jederzeit widerrufbares Nutzungsrecht, nicht gelungen. Dass die Anfrage des Beklagten vor Errichtung der Brunnen im Bereich des Jahres 1990 (nachdem er seinen landwirtschaftlichen Betrieb im Jahr 1989 übernommen hatte) nur aufgrund einer temporären Wasserknappheit erfolgt wäre oder die Einwilligung sich nur auf eine solche bezogen hätte, steht nicht fest. Vielmehr lässt der Sachverhalt offen, ob das herrschende Grundstück vor Errichtung des (zweiten) Brunnens nicht an einer permanenten (chronischen) Wasserknappheit litt. Anhaltspunkte für ein bloß befristetes oder widerrufliches Nutzungsrecht liegen damit nicht vor.

[36] 2.2. Der Einwand der Klagsseite, die unentgeltliche Einräumung einer Grunddienstbarkeit ohne wirkliche Übergabe unterliege als Schenkung der Notariatsaktform (RS0070923), verfängt nicht.

[37] Bei einem Recht wie der Einräumung einer Grunddienstbarkeit kommt zur wirklichen Übergabe vor allem die tatsächliche Gestattung der Ausübung dieses Rechts oder die Übergabe einer verbücherungsfähigen Urkunde in Betracht (RS0018936; vgl RS0018975).

[38] Bereits das Berufungsgericht hat darin, dass die Eigentümer des dienenden Grundstücks die Errichtung des (ersten und zweiten) Brunnens samt der Leitungen durch den Beklagten und die offene Ausübung der Dienstbarkeit duldeten, zutreffend eine wirkliche Übergabe im Sinne dieser Rechtsprechung erblickt.

[39] 2.3. Ob der Beklagte berechtigt war, Leitungen auf öffentlichem Grund zu verlegen, ist für den Rechtsstreit nicht weiter von Belang. Eine allenfalls fehlende (nachholbare) Genehmigung der Stadtgemeinde betreffend die Inanspruchnahme öffentlichen Grundes macht die Dienstbarkeit weder zwecklos noch deren Ausübung unmöglich (vgl RS0011582), was sich – wie auch das Berufungsgericht festgehalten hat – schon daran zeigt, dass der Beklagte das in Anspruch genommene Recht tatsächlich (seit mehr als 30 Jahren) ausübt.

[40] 2.4. Richtig hat das Berufungsgericht den Klägern entgegengehalten, dass derjenige, der einen gültigen Titel besitzt, bei offenkundigen Dienstbarkeiten, bei denen das Eintragungsprinzip nach herrschender Ansicht durchbrochen wird, trotz Nichtverbücherung geschützt ist. Kannte der Erwerber der belasteten Liegenschaft die zu verbüchernde, aber nicht verbücherte Dienstbarkeit oder musste er sie wegen ihrer Offenkundigkeit kennen, so ist sie ihm gegenüber – unabhängig von einer vertraglichen Überbindung – wirksam (RS0011631).

[41] Nach den Feststellungen war zum Zeitpunkt des Kaufs 1999 sowohl den Nebenintervenienten (Verkäufern) als auch den Klägern (Käufern) die Existenz des Brunnens samt Leitungsanlagen und die Person des Berechtigten bzw das nutznießende Grundstück bekannt.

[42] Von einem gutgläubigen lastenfreien Erwerb (vgl RS0012151; RS0011676) durch die Kläger kann daher – wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat – keine Rede sein.

[43] 2.5. Insoweit ist die Beurteilung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden. Es hat allerdings die Feststellungen unrichtig beurteilt, wonach der Erstnebenintervenient die Zweitnebenintervenientin – seine Ehegattin – im Nachhinein über den Inhalt des Gesprächs mit dem Beklagten über die Errichtung eines Brunnens informierte und sie sich dazu nicht äußerte; dies unter Berücksichtigung der (dislozierten) erstinstanzlichen Feststellungen, wonach im damaligen zeitlichen Umfeld sämtliche grundstückbezogene Angelegenheiten mit Außenwirkung ausschließlich von Männern vorgenommen wurden und die jeweilige Ehegattin im Nachhinein verständigt und um Zustimmung gebeten wurde.

[44] 2.5.1. Aus diesen Feststellungen ergibt sich zunächst, dass der Erstnebenintervenient gegenüber dem Beklagten erkennbar auch im Namen seiner Frau (der Zweitnebenintervenientin) handelte. In weiterer Folge hat sich der Beklagte in dem Zusammenhang zwar nicht ausdrücklich auf die Bestimmung des § 1016 ABGB gestützt oder die Rechtsbegriffe Stellvertretung und Bevollmächtigung verwendet, er hat sich aber auf genau diesen Lebenssachverhalt berufen (Hauptgespräch nur zwischen den Männern; unmittelbare Information der Zweitnebenintervenientin durch ihren Mann über den Inhalt des Gesprächs; kein Widerspruch durch die Zweitnebenintervenientin gegen die Vorgangsweise, sondern jahrelange Duldung der Servitut) und daraus eine (nachträgliche) konkludente Zustimmung der Zweitnebenintervenientin zur Dienstbarkeitsvereinbarung abgeleitet. Damit hat er ein ausreichendes Tatsachenvorbringen in Richtung einer nachträglichen Genehmigung des (allenfalls) vollmachtslosen Handelns des Erstnebenintervenienten durch die Zweitnebenintervenientin erstattet. Zu einer rechtlichen Würdigung des Tatsachenvortrags war er nicht verhalten („iura novit curia“).

[45] 2.5.2. Nach ständiger Rechtsprechung ist § 1016 ABGB, obwohl er nach seinem Wortlaut nur die Vollmachtsüberschreitung regelt, auch auf vollmachtsloses Handeln (Scheinvertretung) anzuwenden (RS0019655). Zwar ist bloßes Stillschweigen bzw Untätigkeit des Scheingeschäftsherrn regelmäßig nicht als Genehmigung zu deuten, doch kommt ihm nach allgemeinen Grundsätzen ausnahmsweise diese Wirkung zu, wenn Treu und Glauben Widerspruch verlangen (RS0013958; RS0014122). So hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass dann, wenn die Eigentümer eines Grundstücks erkennen, dass einer der Miteigentümer Verträge zu Lasten dieser Liegenschaft schließt, die Duldung der aus diesen Verträgen entspringenden, (dort) in Anbetracht der Anzahl der Berechtigten keineswegs unbeachtlichen Nutzung der Liegenschaft als (konkludente) Genehmigung zu deuten ist, weil sowohl der Vertreter als auch die Dritten darauf vertrauen konnten, die vollmachtslos Vertretenen wollten ihnen gegenüber damit zum Ausdruck bringen, dass sie mit dem ohne Vollmacht abgeschlossenen Geschäft einverstanden sind (RS0019650 = 8 Ob 644/93).

[46] Auch wenn sich aus den Feststellungen nicht ergibt, dass der Erstnebenintervenient von der Zweitnebenintervenientin zu einer vertraglichen Regelung mit dem Beklagten bevollmächtigt gewesen wäre, ist daraus abzuleiten, dass das vollmachtslose Handeln im Sinn des § 1016 ABGB von der Zweitnebenintervenientin als Miteigentümerin genehmigt wurde.

[47] Die nachträgliche Zurechnung vollmachtslosen Handelns im Falle schlüssiger Genehmigung setzt voraus, dass entweder der Vertreter oder der Dritte nach den Umständen des Falls darauf vertrauen durfte und auch darauf vertraut hat, der vollmachtslos Vertretene wolle ihm gegenüber zum Ausdruck bringen, dass er mit einem ohne Vollmacht abgeschlossenen Geschäft einverstanden ist. Es durfte für den Vertreter oder den Dritten kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln übrig sein, dass der unwirksam Vertretene ihm gegenüber einen solchen Willen äußern wollte (RS0014374).

[48] Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt es bei der Beurteilung des Vorliegens einer schlüssigen Genehmigung daher nicht allein auf den Empfängerhorizont des Geschäftspartners (hier des Beklagten) an, sondern reicht auch aus, dass der Scheinvertreter auf die Einwilligung vertrauen durfte. Das war hier zweifellos der Fall, weil der Erstnebenintervenient davon ausgehen durfte und musste, seine Ehefrau (die Zweitnebenintervenientin) werde im vertraulichen Zwiegespräch bei Missbilligung der von ihm mit dem Beklagten vereinbarten Vorgangsweise dagegen Widerspruch erheben oder sich zumindest in irgendeiner Form kritisch äußern, nicht aber diese schweigend zur Kenntnis nehmen.

[49] 3. Aus diesen Gründen wurde wirksam eine Dienstbarkeit des Wasserbezugs und der Wasserleitung zu Lasten der Grundstücke Nr 714 und 715 der Kläger begründet und erweist sich das Klagebegehren als unberechtigt.

[50] Der Revision de s Beklagten ist da her Folge zu geben und das Klagebegehren abzuweisen.

[51] 4. Die Aufhebung der Kostenentscheidungen der Vorinstanzen beruht auf einer sinngemäßen Anwendung des § 510 Abs 1 letzter Satz ZPO (RS0124588; hier: drei Rechtsgänge). Der Oberste Gerichtshof geht davon aus, dass in solchen Fällen auch eine Aufhebung in die erste Instanz möglich ist (RS0124588 [T13]). Dafür spricht auch die Überlegung, dass dadurch die Überprüfung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung im Rekursweg ermöglicht wird ( etwa 1 Ob 99/23z Rz 16).

[52] Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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