14Os18/24i – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Juni 2024 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Loibl LL.M., BSc, in der Strafsache gegen * H* wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1, § 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 15. Dezember 2023, GZ 56 Hv 42/23i 50, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – * H* des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1, § 15 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er zwischen 28. Februar und 19. April 2021, mit dem Vorsatz, dadurch den Staat an dessen Recht auf effektive Bekämpfung der COVID 19 Pandemie zu schädigen, in acht Fällen drei im angefochtenen Urteil namentlich genannte und in einem Fall unbekannt gebliebene Soldaten bestimmt (Punkte B bis D) oder zu bestimmen versucht (Punkt A), deren Befugnis, im Namen des Bundes (vgl Art 10 Abs 1 Z 12 B VG iVm § 2 Abs 1 lit b und c WehrG 2001 sowie §§ 28a und 51 EpidemieG) als dessen Organe in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch (zumindest bedingt vorsätzlich) zu missbrauchen, dass sie Einreisewillige nicht ordnungsgemäß kontrollierten und diese unter Verletzung der Bestimmungen (insbesondere §§ 3 f) der COVID 19 Einreiseverordnung (BGBl II 2020/445) in der zur Tatzeit geltenden Fassung (BGBl II 2021/52) ohne Anordnung der Heimquarantäne nach Österreich einreisen ließen, wobei er den zumindest bedingt vorsätzlichen Befugnisfehlgebrauch der unmittelbaren Täter für gewiss hielt.
[3]
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 10 und 10a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.
[4] Das im Rahmen der Subsumtionsrüge (nominell Z 10, der Sache nach Z 9 lit a) erstattete Vorbringen leitet die Rechtsbehauptung, Voraussetzung der Strafbarkeit eines Verhaltens als Bestimmung zu Missbrauch der Amtsgewalt sei wissentlicher Befugnismissbrauch des Beamten (also des unmittelbaren Täters), nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (vgl aber RIS Justiz RS0116565). § 14 Abs 1 zweiter Satz StGB verlangt insofern nämlich bloß, dass der Beamte als „Träger der besonderen persönlichen Eigenschaften“ (Intraneus) „in bestimmter Weise“ – nämlich durch Befugnismissbrauch – an der Tat mitwirkt. Unter Befugnismissbrauch ist indes nichts Anderes zu verstehen als vorsätzlicher Befugnisfehlgebrauch. Das (notwendige) subjektive Element im Verhalten des unmittelbaren Täters ergibt sich daher nicht aus gesetzlicher Anordnung eines besonderen Vorsatzerfordernisses, sondern aus der (zumindest bedingt vorsätzliches Verhalten einschließenden) Definition des Begriffs „Befugnismissbrauch“, worauf sich die Wissentlichkeit des Bestimmungstäters (Extraneus) beziehen muss (RIS Justiz RS0108964; Nordmeyer in WK 2 StGB § 302 Rz 180; vgl im Übrigen zur entsprechenden Feststellung US 7).
[5] Gesetzmäßige Ausführung einer Diversionsrüge (Z 10a) verlangt methodisch korrekte Argumentation auf Basis der (Gesamtheit der) Urteilsfeststellungen unter Beachtung der Notwendigkeit kumulativen Vorliegens der Diversionsvoraussetzungen (RIS Justiz RS0124801).
[6] Diese Vorgaben verfehlt die unter diesem Aspekt vorgetragene Kritik, indem sie auf die Kriterien des § 198 Abs 3 StPO (bloß geringfügiger oder sonst unbedeutender Schädigung an Rechten) und die dazu getroffenen Urteilsannahmen (US 13 f [zur tatbedingten Beeinträchtigung des Ziels, „Einschränkungen der österreichischen Bevölkerung durch den monatelangen Lockdown so kurz als möglich zu halten“]) argumentativ nicht eingeht.
[7] Lediglich der Vollständigkeit halber wird daher ergänzt, dass Diversion entgegen dem Beschwerdevorbringen („diversionsausschließendes Verhalten“ sei „nur in besonderen Ausnahmefällen anzunehmen“) angesichts der in der Strafdrohung (von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe) zum Ausdruck gebrachten gesetzlichen Vorbewertung deliktstypischer Schuldschwere bei Missbrauch der Amtsgewalt auf leichte Fälle beschränkt ist (RIS Justiz RS0116021 [T17, T19 und T24]). Ein derartig leichter Fall liegt auf Basis des Urteilssachverhalts schon mit Blick auf die mehrfache (neunmalige) Tatbegehung gerade nicht vor.
[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[9] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
[10] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.