11Os50/24y – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Juni 2024 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Edermaier Edermayr, LL.M. (WU), als Schriftführer in der Strafsache gegen * B* wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23. Jänner 2024, GZ 35 Hv 41/23p 32, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * B* von dem wider ihn erhobenen Vorwurf gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen, er habe „am 5. August 2023 in W* M*, die durch die Einnahme von unbestimmten Mengen Alkohol, die eine Harnalkoholkonzentration von über 3,12 Promille zur Folge hatte, des Antidepressivums V* und des Analgetikums M* wehrlos war, somit eine Person, die unfähig war, die Bedeutung des Vorgangs einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er mit ihr eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung vornahm, indem er sie zunächst an der Brust massierte und ihr zumindest einen Finger in die Vagina einführte“.
Rechtliche Beurteilung
[2] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.
[3] Dem aus Z 5 erster Fall erhobenen Einwand der Mängelrüge zuwider ist der Umstand, ob der Angeklagte – nach dem Hinweis durch den Zeugen D*, das Opfer sei bewusstlos – (nur) die festgestellte digitale Vaginalpenetration (US 3, 5, 7, 9) fortgesetzt oder (noch) eine weitere (nicht dem Beischlaf gleichzusetzende) geschlechtliche Handlung vorgenommen hat, schon deshalb nicht entscheidend (vgl RIS Justiz RS0106268), weil der Angeklagte den eindeutigen Feststellungen zur subjektiven Tatseite zufolge während des gesamten Tatgeschehens die fehlende sexuelle Selbstbestimmungsfähigkeit des Opfers nicht in seinen Vorsatz aufgenommen hatte (US 3, 5, 8 ff).
[4] Indem die getroffenen Feststellungen zum fehlenden Vorsatz in Bezug auf die mangelnde sexuelle Selbstbestimmungsfähigkeit des Opfers (US 4 f, 9) unter Bezugnahme auf die – vom Erstgericht durchaus berücksichtigten (US 7 ff) – Schilderungen der Zeugen D*, G* und S* in Zweifel gezogen und aus deren Angaben sowie dem (festgestellten [US 4]) Nachtatverhalten des Angeklagten für den eigenen Standpunkt sprechende Schlüsse gezogen werden, wird Nichtigkeit nach Z 5 zweiter Fall nicht aufgezeigt, sondern bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter (§ 258 Abs 2 StPO; vgl RIS Justiz RS0099599) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StGB) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld bekämpft.
[5] Die einen Schuldspruch wegen „der Vergehen“ (siehe aber RIS Justiz RS0095936; Plöchl in WK 2 StGB § 287 Rz 38) nach § 287 Abs 1 StGB (§§ 205a Abs 1; 218 Abs 1 Z 1; §§ 15, 218 Abs 1a StGB) fordernde Rechtsrüge (Z 9 lit a) setzt sich prozessordnungswidrig (RIS Justiz RS0099810) über die Konstatierung hinweg, der zufolge der Angeklagte von einem Einverständnis der Zeugin M* zur Vornahme der „sexuellen Handlungen“ ausging (US 3, 8 f). Im Übrigen macht die Beschwerde auch nicht klar, weshalb die (unbekämpft gebliebene) Feststellung der Bewusstlosigkeit dieser Zeugin zum Tatzeitpunkt (US 3 f, 7) der Annahme sowohl eines gegen die Vornahme der geschlechtlichen Handlung gerichteten und nach außen bekundeten Willens (vgl Philipp in WK 2 StGB § 205a Rz 4 f, 8) als auch einer Belästigung – im Sinn einer negativen Gefühlsempfindung von einigem Gewicht aufgrund der vom Opfer erkannten sexualbezogenen Handlung (vgl Philipp in WK 2 StGB § 218 Rz 13) – nicht (ebenfalls) entgegenstehen sollte. Mit Blick auf die angestrebte Subsumtion unter § 287 Abs 1 StGB (§§ 15, 218 Abs 1a StGB) führt die Rechtsrüge – mit dem pauschalen Verweis auf die Angaben der vorgenannten Zeugen – im Übrigen auch keine Verfahrensergebnisse ins Treffen, die einen Vorsatz, das Opfer in seiner Würde zu verletzen, konkret indizieren würden (vgl RIS Justiz RS0118580).
[6] In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war d ie Nichtigkeitsbeschwerde daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).