6Nc6/24w – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache des Betroffenen M*, wegen Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters, über das Ersuchen des Bezirksgerichts Wiener Neustadt um Entscheidung nach § 47 JN in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem vorlegenden Gericht (Bezirksgericht Wiener Neustadt) zurückgestellt.
Text
Begründung:
[1] Das Bezirksgericht Wiener Neustadt erklärte sich mit Beschluss vom 9. 1. 2024 zur „weiteren“ Führung des Verfahrens über die (neuerliche) Anregung auf Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters für nicht zuständig und überwies das Verfahren gemäß § 44 JN an das Bezirksgericht Salzburg .
[2] Das Bezirksgericht Salzburg erachtete sich mit Beschluss vom 19. 1. 2024 als unzuständig und lehnte die Übernahme des Verfahrens ab. Es retournierte den Akt an das Bezirksgericht Wiener Neustadt, ohne Zustellungen vorzunehmen. Das Bezirksgericht Wiener Neustadt übermittelte den Akt neuerlich an das Bezirksgericht Salzburg mit dem Hinweis, dass bei Überweisungen nach § 44 JN die Übernahme des Verfahrens nicht abgelehnt werden könne. Nachdem das Bezirksgericht Salzburg den Akt wieder retourniert hatte, legte d as Bezirksgericht W iener Neustadt den Akt dem Obersten Gerichtshof als übergeordnetem Gerichtshof „gemäß § 47 JN zur Entscheidung über den Kompetenzkonflikt“ vor.
[3] Diese Aktenvorlage ist verfrüht.
Rechtliche Beurteilung
[4] 1. Der Beschluss des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 9. 1. 2024 geht nicht von einer Änderung der Anknüpfungspunkte für die örtliche Zuständigkeit aus, sondern spricht unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 44 JN die Unzuständigkeit dieses Gerichts unter gleichzeitiger Überweisung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Salzburg aus. Damit liegt ein Überweisungsbeschluss gemäß § 44 JN vor. Dem Bezirksgericht Salzburg kommt keine Befugnis zu, diesem zweifelsfrei erklärten Entscheidungswillen des überweisenden Gerichts eine andere Bedeutung zu geben (vgl 5 Nc 12/16h).
[5] 2. Die – vom Obersten Gerichtshof im Fünfersenat nach § 6 OGHG zu treffende (RS0126085) – Entscheidung über einen positiven oder negativen Kompetenzkonflikt iSd § 47 JN setzt voraus, dass beide konfligierenden Gerichte ihre Zuständigkeit rechtskräftig bejaht oder verneint haben (RS0118692; RS0046354; RS0046374). Dies gilt auch bei der hier gegebenen Konstellation eines vom Adressatgericht nicht akzeptierten Überweisungsbeschlusses nach § 44 JN (3 Nc 6/23x; 6 Nc 30/22x; RS0046374 [T9]; RS0118692 [T7]).
[6] 3. Es ist weder ersichtlich, dass der Beschluss des Bezirksgerichts Wiener Neustadt, noch, dass jener des Bezirksgerichts Salzburg den aktenkundigen Parteien (§ 38 AußStrG) zugestellt worden und in Rechtskraft erwachsen wäre.
[7] Wenn das Bezirksgericht Wiener Neustadt einen negativen Kompetenzkonflikt zur Entscheidung an den Obersten Gerichtshof vorlegen will, muss es vorher für die Zustellung der Beschlüsse sorgen und die Rechtskraft abwarten. Der Akt wird dem Bezirksgericht Wiener Neustadt , an das die Sache dem Inhalt nach (zurück )überwiesen wurde, zurückgestellt (3 Nc 6/23x; 5 Nc 12/16h).