1Ob61/24p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei DI B*, vertreten durch die Hübel Payer Rechtsanwälte OG in Salzburg gegen die beklagte und widerklagende Partei Mag. Dr. M*, MAS, LL.M., *, aus Anlass der außerordentlichen Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 29. August 2023, GZ 21 R 157/23v 257, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Das beim Obersten Gerichtshof zu 1 Ob 61/24p anhängige Revisionsverfahren wird bis zur Mitteilung des Pflegschaftsgerichts, ob für die beklagte und widerklagende Partei ein (einstweiliger) Erwachsenenvertreter bestellt oder eine sonstige Maßnahme getroffen wird, unterbrochen.
Das Bezirksgericht Seekirchen am Wallersee wird ersucht, das gefertigte Gericht vom Ausgang des Verfahrens zu AZ 9 P 51/24k zu verständigen.
Text
Begründung:
[1] Das Erstgericht schied die Ehe der Parteien gemäß § 49 EheG und sprach aus, dass beide ein gleichteiliges Verschulden an der Zerrüttung der Ehe treffe.
[2] Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Parteien nicht Folge und ließ die ordentliche Revision nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[3] Eine Entscheidung über die d agegen erhobene (richtig) außerordentliche Revision der beklagten und widerklagenden Partei (Beklagte) ist derzeit nicht möglich:
[4] 1. Im mittlerweile eingeleiteten Verfahren zur Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse der Parteien äußerte die Erstrichterin Bedenken an einer Beeinträchtigung der Entscheidungsfähigkeit der Beklagten in von ihr gegen den Kläger geführten Verfahren, in denen sie sich (als Rechtsanwältin) jeweils selbst vertritt. Da auch die Gefahr einer Selbstschädigung bestehe, wurde das Aufteilungsverfahren unterbrochen und der Akt dem Pflegschaftsgericht übermittelt. In dem von diesem eingeleiteten Erwachsenenschutzverfahren wurde bisher eine Abklärung gemäß § 4a ErwSchVG angeordnet.
[5] 2. Das Prozessgericht darf die Prozessfähigkeit einer der inländischen Pflegschaftsgerichtsbarkeit unterliegenden Partei, für die (noch) kein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt wurde, nicht selbst prüfen (RS0035270). Liegen Anzeichen dafür vor, dass eine Partei aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfähigkeit das Gerichtsverfahren nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst besorgen kann, ist vielmehr gemäß § 6a ZPO das zuständige Pflegschaftsgericht zu verständigen (RS0035270 [T7] zum Revisionsverfahren), das dem Prozessgericht mitzuteilen hat, ob ein (einstweiliger) Erwachsenenvertreter bestellt oder sonst eine entsprechende Maßnahme getroffen wird (§ 6a Satz 2 ZPO). Bis zur Entscheidung des Pflegschaftsgerichts ist das Verfahren in sinngemäßer Anwendung des § 190 ZPO zu unterbrechen (RS0035234).
[6] 3. Im Hinblick auf das eingeleitete Pflegschaftsverfahren, in dem die Bestellung eines Erwachsenenvertreters für die Beklagte zur Vertretung in gerichtlichen Verfahren geprüft wird, bestehen Bedenken an ihrer Prozessfähigkeit.
[7] 4. Ist – wie hier – zur Prüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters für eine Prozesspartei schon ein Verfahren beim Pflegschaftsgericht anhängig, bedarf es zwar keiner Übermittlung des Akts an das Pflegschaftsgericht. Das anhängige Verfahren ist aber zu unterbrechen, um die betroffene Prozesspartei vor möglichen Nachteilen zu schützen (9 Nc 1/20a; 1 Ob 110/22s).