JudikaturOGH

3Ob90/24t – OGH Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
23. Mai 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* V*, vertreten durch Dr. Gerhard Seirer und Mag. Herbert Weichselbraun, Rechtsanwälte in Lienz, gegen die beklagte Partei G* H*, vertreten durch MMag. Dr. Verena Rastner, Rechtsanwältin in Lienz, wegen Räumung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 25. März 2024, GZ 5 R 270/23a 24, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Lienz vom 8. August 2023, GZ 5 C 143/23a 11, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird als unzulässig zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass der Beklagte schuldig erkannt wurde, das (näher bezeichnete landwirtschaftliche) Objekt, bestehend aus Wirtschaftsgebäude, Stall und alter Säge, zu räumen und geräumt von eigenen Fahrnissen an den Kläger zu übergeben. Gleichzeitig sprach es aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR nicht übersteige und die Revision jedenfalls unzulässig sei.

[2] Gegen diese Entscheidung erhob der Beklagte eine „außerordentliche Revision“ . Dabei stützt er sich auf die revisionsrechtliche Privilegierung nach § 502 Abs 5 Z 2 ZPO.

Rechtliche Beurteilung

[3] Das Rechtsmittel des Beklagten ist jedenfalls unzulässig.

[4] 1.1 Gemäß § 502 Abs 5 Z 2 ZPO gelten die in § 502 Abs 2 und 3 leg cit normierten Wertgrenzen nicht für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision für die unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallenden Streitigkeiten, sofern dabei über eine Kündigung, über eine Räumung oder über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Bestandvertrags entschieden wird.

[5] Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Bestandstreitigkeit gemäß § 49 Abs 2 Z 5 JN vorliegt, ist von den Klagsbehauptungen auszugehen (RS0046865 [T12]; RS0043003).

[6] 1.2 Nach der Rechtsprechung gilt diese revisionsrechtliche Privilegierung für Streitigkeiten über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Bestandvertrags, bei denen die Vertragsfrage als Hauptfrage zu lösen ist (2 Ob 69/13f; 7 Ob 223/13i; 9 Ob 36/16h). Der Zweck dieser Ausnahmeregelung besteht nämlich darin, Entscheidungen über das vertragliche Dauerschuldverhältnis selbst revisibel zu machen, wenn es um den möglichen Verlust des Bestandobjekts geht (vgl RS0120190).

[7] 1.3 Auch bei der Räumungsklage muss für die Anwendbarkeit der Privilegierung das Bestehen oder Nichtbestehen eines Bestandvertrags im Rahmen des Räumungsstreits strittig sein (RS0046865 [T13]). Nach der Rechtsprechung genügt in einem solchen Fall aber, dass die Vertragsfrage als Vorfrage eines Räumungsbegehrens zu klären ist (vgl RS0043261; 6 Ob 75/12s).

[8] 1.4 Demgegenüber gehören Klagen auf Räumung von Grundstücken, Gebäuden und anderen unbeweglichen Sachen, wenn sie die Benützung des Objekts ohne Rechtsgrund geltend machen, wenn also die Räumung wegen titelloser Benützung begehrt wird, grundsätzlich nicht zu den privilegierten Streitigkeiten (vgl RS0046865; RS0122891 [T4]; 7 Ob 130/11k).

[9] 2.1 Im Anlassfall erhob der Kläger mit der am 8. 3. 2023 eingebrachten Räumungsklage das Begehren, der Beklagte möge verpflichtet werden, das vormalige (näher bezeichnete) Pacht-/Präkariumsobjekt zu räumen und geräumt von eigenen Fahrnissen an den Kläger zu übergeben. Das zwischen den Streitteilen vormals bestehende befristete Pachtverhältnis/Bittleihverhältnis über ein landwirtschaftliches Wirtschaftsgebäude samt Grünland-Umgebungsgrund habe am 31. 12. 2022 geendet. Ein Pachtzins sei nicht vereinbart gewesen, weshalb es sich tatsächlich um einen Bittleihvertrag gehandelt habe. Der Beklagte benütze das Objekt titellos und verweigere trotz mehrfacher Aufforderung die Räumung.

[10] 2.2 Der Kläger stützte seine Klage somit auf eine Bittleihe (vgl dazu auch 6 Ob 604/86). Den Begriff „Pacht“ bzw „Pachtverhältnis“ führte er nur deshalb zusätzlich an, weil das im Internet heruntergeladene Vertragsformular diese Bezeichnung aufwies.

[11] 2.3 Eine Bittleihe ist keine Bestandstreitigkeit und fällt daher nicht unter die revisionsrechtliche Privilegierung nach § 502 Abs 5 Z 2 ZPO (vgl RS0042931; 4 Ob 75/10y; 4 Ob 39/14k).

[12] 3. In Bezug auf die Räumungspflicht berief sich der Kläger auf eine titellose Benützung des Objekts durch den Beklagten nach Zeitablauf. Ausgehend von den Klagsbehauptungen ist die Frage der Auflösung der Nutzungsvereinbarung gerade keine im Verfahren klärungsbedürftige Vorfrage. Auch aus diesem Grund ist der vorliegende Streit nicht gemäß § 502 Abs 5 Z 2 ZPO privilegiert.

[13] 4. Da sich die Revision des Beklagten als absolut unzulässig erweist, war diese zurückzuweisen.

Rückverweise