3Ob77/24f – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei A* H*, vertreten durch Stolz Weiglhofer Russegger Rechtsanwälte GmbH in Radstadt, gegen die beklagte Partei W* GmbH, *, vertreten durch Dr. Wolfgang Hochsteger und andere Rechtsanwälte in Hallein, und deren Nebenintervenientin C* Gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Hausmaninger Kletter Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen 36.686,40 EUR sA (AZ 6 Cg 126/22s des LG Salzburg) und 43.855,80 EUR sA (AZ 9 Cg 126/22p des LG Salzburg), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 19. März 2024, GZ 2 R 31/24b 42, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Vorinstanzen wiesen die auf Wandlung bzw Vertragsaufhebung (Zug um Zug gegen Rückstellung von zwei bei der Beklagten gekauften Elektrofahrzeugen), in eventu auf Preisminderung bzw Vertragsanpassung gerichteten Klagebegehren ab.
[2] Mit der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage auf.
Rechtliche Beurteilung
[3] 1.1 Der Kläger erachtet zunächst die Frage als erheblich, ob beim Erwerb eines Elektrofahrzeugs die Nichtunterschreitung der in den Verkaufsunterlagen angegebenen Reichweite um bis zu 30 bis 50 % auch bei tiefen Temperaturen eine gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft ist, die den Käufer zur Rückgabe des Fahrzeugs berechtigt.
[4] 1.2 Auf die zunächst vertretene Ansicht, ihm sei auf Basis der Vertragsunterlagen und der Verkaufsgespräche eine bestimmte Reichweite der gekauften Elektrofahrzeuge im Realbetrieb zugesichert worden (vgl dazu 1 Ob 78/20g), kommt der Kläger in seinem Rechtsmittel nicht mehr zurück.
[5] 1.3 Für das Vorliegen einer gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaft kommt es bei Verbrauchsgütern, zu denen auch Kraftfahrzeuge gehören, darauf an, ob sie die Qualität aufweisen, die bei Gütern der gleichen Art üblich ist und die der Verbraucher nach der Verkehrsauffassung aufgrund der Natur des Geschäfts vernünftigerweise erwarten kann (vgl EuGH C 145/20, Porsche Inter Auto und Volkswagen , Rn 48 und 55; RS0114333 [T1]; 1 Ob 112/19f).
[6] Auf Basis der von den Vorinstanzen bindend ermittelten Sachverhaltsgrundlage ist der festgestellte Reichweitenverlust von bis zu 30 bis 50 % gegenüber dem WLTP Normwert durch erhöhten Stromverbrauch bei kalten Temperaturen ab 5 Grad Celsius bis 15 Grad Celsius und der Verwendung von Nebenverbrauchern (zB Licht und Heizung) bei Elektrofahrzeugen verkehrsüblich. Davon ausgehend ist die – im Hinblick auf die gegebene Fahrzeugkonfiguration – vom Einzelfall geprägte Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften gegeben seien und bei deren Vorliegen der Verkäufer für eine bestimmte Zweckeignung der Sache, die nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanzen hier ohnedies gegeben ist, nicht gewährleistungspflichtig sei, keine Verkennung der Rechtslage. Auf einen Serienmangel in Bezug auf alle Fahrzeugmodelle desselben Fahrzeugherstellers hat sich der Kläger im Verfahren weder berufen noch bestehen Anhaltspunkte dafür.
[7] 2.1 Darüber hinaus steht der Kläger auf dem Standpunkt, dass der Verkäufer eines Elektrofahrzeugs den Käufer ausdrücklich darauf hinweisen müsse, dass es im Winter bei der Verwendung von Nebenverbrauchern zu Reichweitenverlusten bis zu 50 % kommen könne. Konkret meint der Kläger, dass die in den Verkaufsunterlagen enthaltenen Angaben und die ihm vom Verkäufer erteilten mündlichen Aufklärungen über mögliche Reichweitenabweichungen im Realbetrieb in Abhängigkeit von den konkreten Einsatzbedingungen und Fahrweisen auch mit Rücksicht auf das bei ihm vorhandene Vorwissen nicht ausreichend gewesen seien.
[8] 2.2 Nach der Rechtsprechung besteht keine allgemeine Rechtspflicht, den Vertragspartner über alle Umstände aufzuklären, die auf seine Vertragsentscheidung einen Einfluss haben können. Eine Aufklärungspflicht besteht in der Regel nur dann, wenn der andere Teil nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs mit Rücksicht auf die bei ihm vorauszusetzende eigene Sachkunde eine Aufklärung erwarten durfte (RS0016390 [T17]; RS0014823). Wann nach der Übung des redlichen Verkehrs eine Aufklärungspflicht des Vertragspartners anzunehmen ist, bestimmt sich jeweils nach den Umständen des Einzelfalls und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RS0111165). Dies gilt insbesondere auch für die Beurteilung, ob die dem Vertragspartner erteilte Aufklärung ausreichend umfangreich und detailliert erfolgte.
[9] Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass angesichts der im Verkaufsprospekt und der mündlich erteilten Erklärungen des Verkäufers die vom Kläger geforderte ausdrückliche Mitteilung über die Größenordnung des Reichweitenverlustes bei tiefen Temperaturen und der Verwendung von Nebenverbrauchern zu einer Überspannung der Sorgfaltspflicht führte, begründet keine aufzugreifende Fehlbeurteilung im Einzelfall.
[10] 2.3 Mangels einer Aufklärungspflichtverletzung durch die Beklagte fehlt es auch an einer Irrtumsveranlassung durch diese.
[11] 3. Insgesamt gelingt es dem Kläger mit seinen Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.