JudikaturOGH

3Ob54/24y – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Mai 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*, vertreten durch Winterheller Rechtsanwalts GmbH in Tamsweg, gegen die beklagte Partei A*, vertreten durch Mag. Albin Maric, Rechtsanwalt in Wien, und ihren Nebenintervenienten A*, vertreten durch Dr. Wolfgang Langeder, Rechtsanwalt in Wien, wegen 31.700 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 24. Jänner 2024, GZ 2 R 2/24p 34, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 16. November 2023, GZ 6 Cg 127/22p 29, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.355,90 EUR (hierin enthalten 392,65 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger kaufte Ende August 2022 vom Beklagten einen Gebrauchtwagen um 31.700 EUR. Der Beklagte hatte das Fahrzeug ein Jahr zuvor von einem Autohändler um rund 14.000 bis 15.000 EUR erworben: es handelte sich um ein Unfallfahrzeug, das der Beklagte in der Folge in Ungarn um rund 2.200 EUR reparieren ließ.

[2] In dem ( unter Verwendung eines vom ÖAMTC verfassten Formulars erstellten) Kaufvertrag wurde der Punkt „Das Fahrzeug ist verkehrs und betriebssicher“ bejaht. Gewährleistung wurde ausgeschlossen. In der Rubrik „Zusicherungen des Verkäufers“ wurden die Punkte „Alle Änderungen am Fahrzeug sind zulässig bzw genehmigt“ und „Mir sind keine Vorschäden des Fahrzeugs bekannt“ nicht angekreuzt. Die Übergabe des letzten Prüfberichts nach § 57a KFG wurde bestätigt. Handschriftlich wurde vom Beklagten angefügt: „Auto hat einen Vorschaden Käufer weis bescheid keine Garantie u. Rücknahme Kaufpreis u. Rückerstattung ausgeschlossen Fahrzeug ist wie Probefahren u. Besichtigt. Bezahlung bei Übergabe.“

[3] Am Tag nach Übergabe des Fahrzeugs bemerkte der Kläger, dass das Fahrzeug Öl verliert, und fuhr daraufhin zu einer Autowerkstatt, wo festgestellt wurde, dass die Schweißnähte nicht ordnungsgemäß hergestellt waren, das Lenkgetriebe defekt war und der Motor Öl verliert.

[4] Das Fahrzeug war seinerzeit nach einem „Rundum-Kollisionsschaden“ nicht fach- und sachgerecht repariert worden. Es wies bei Abschluss des Kaufvertrags mit dem Kläger einen zur fehlenden Verkehrssicherheit führenden Ölverlust am Antrieb auf. An den Längsträgern am Unterboden wurden nicht fach und sachgerechte Schweißarbeiten durchgeführt. Das schwer beschädigte Unfallfahrzeug wurde insgesamt nur notdürftig in einen fahrbereiten und optisch halbwegs ansprechenden Zustand versetzt. Jene Arbeiten, die erforderlich sind, um das Fahrzeug in einen technisch einwandfreien Zustand zu versetzen, ziehen in einer Fachwerkstätte Kosten von jedenfalls mehr als 20.000 EUR nach sich. Zum Zeitpunkt des Ankaufs des Klägers hatte das Fahrzeug einen Verkehrswert von 10.000 bis 12.000 EUR. Der zwischen den Parteien vereinbarte Kaufpreis von 31.700 EUR wäre angemessen, wenn das Fahrzeug frei von technischen Mängeln und verkehrs- und betriebssicher wäre.

[5] Der Kläger begehrt, gestützt auf Gewährleistung, Irrtum und laesio enormis, die Rückabwicklung des Kaufvertrags.

[6] Der Beklagte wendete insbesondere ein, der Kläger habe Kenntnis vom Vorschaden gehabt. Er habe auf eine Anfechtung des Kaufvertrags ausdrücklich verzichtet.

[7] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die vom Kläger behauptete Verkürzung über die Hälfte liege vor.

[8] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Entgegen der Ansicht des Beklagten liege keine Judikaturwende vor, derzufolge sich das Missverhältnis der gegenseitigen Leistungen allein aus dem Vertragsinhalt ergeben müsse, während es auf den faktischen Zustand des Kaufgegenstands nicht ankomme. Vielmehr habe der Oberste Gerichtshof zu 9 Ob 31/21f festgehalten, dass in den Wertvergleich die im Austauschverhältnis stehenden Leistungen einzubeziehen seien. Zuletzt sei zu 5 Ob 193/21z ausgesprochen worden, dass laesio enormis auch dann geltend gemacht werden könne, wenn die gekaufte Sache infolge eines schon bei Vertragsabschluss vorliegenden Mangels, der einen Gewährleistungsanspruch begründen könnte, weniger als die Hälfte des Kaufpreises wert gewesen sei.

[9] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 5 Ob 193/21z angesichts des dortigen Revisionsvorbringens keinen Anlass für eine weitergehende Auseinandersetzung mit gegenteiligen Lehrmeinungen gesehen habe.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die Revision des Beklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig .

[11] 1. Nach ständiger Rechtsprechung können Ansprüche wegen Gewährleistung und wegen Verkürzung über die Hälfte nebeneinander bestehen (RS0022009). Diese Auffassung wird auch von der überwiegenden Lehre geteilt (vgl nur Reischauer in Rummel/Lukas 4 § 934 ABGB Rz 153 und Perner in Schwimann/Kodek 5 § 934 ABGB Rz 11 je mwN; ggt P. Bydlinski in KBB 7 § 934 ABGB Rz 3 mwN; dagegen wiederum Reischauer in Rummel/Lukas 4 § 934 ABGB Rz 155 bis 158). Der Aufhebungsanspruch nach § 934 ABGB kann also insbesondere dann geltend gemacht werden, wenn die gekaufte (Spezies )Sache – wie hier – infolge eines Mangels, der einen Gewährleistungsanspruch begründen könnte, weniger als die Hälfte des Kaufpreises wert ist (RS0024085).

[12] 2. Von den Grundsätzen dieser Rechtsprechung ist das Berufungsgericht nicht abgewichen.

[13] 2.1. Die vom Beklagten behauptete Judikaturwende liegt nicht vor und lässt sich insbesondere auch nicht aus den von ihm dafür ins Treffen geführten Entscheidungen 2 Ob 210/13s, 10 Ob 3/21w, 9 Ob 31/21f, 7 Ob 14/22t und 4 Ob 217/21x ableiten, die überdies allesamt mit dem hier vorliegenden Fall nicht vergleichbare Sachverhalte betrafen.

[14] 2.2. Dass sich das Missverhältnis allein aus dem Vergleich der vertraglich vereinbarten Leistungen ergeben muss (RS0018871 [T6]), lässt noch nicht den Schluss zu, dass es nicht auf einen bereits bei Vertragsabschluss vorliegenden (für den Käufer nicht ersichtlichen) wesentlichen Mangel des Kaufgegenstands ankäme.

[15] 2.3. Im Gegenteil hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach – insbesondere im Zusammenhang mit dem Kauf eines Gebrauchtwagens – judiziert, dass verborgene Mängel einer solchen Speziessache bei der Ermittlung ihres objektiven Werts zur Beurteilung des Wertmissverhältnisses nach § 934 ABGB zu berücksichtigen sind, sofern sie – wie auch im hier zu beurteilenden Fall – bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorhanden waren (5 Ob 193/21z mwN).

[16] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der verzeichnete Streitgenossenzuschlag steht allerdings mangels Beteiligung des Nebenintervenienten am Rechtsmittelverfahren nicht zu (vgl RS0036223).

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