JudikaturOGH

12Ns23/24i – OGH Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
16. Mai 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Mai 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, Dr. Brenner, Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Mag. Weißmann als Schriftführerin in der Strafvollzugssache des * C*, AZ 48 BE 39/24z des Landesgerichts Salzburg, im Kompetenzkonflikt zwischen diesem Gericht und dem Landesgericht Wiener Neustadt nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Strafvollzugssache ist vom Landesgericht Salzburg zu führen.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

[1] Mit Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Vollzugsgericht vom 23. Jänner 2024, GZ 54 BE 2/24g 19.1, wurde der Jugendliche * C* mit Wirksamkeit zum 8. Februar 2024 aus der von ihm verbüßten Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, Anordnung der Bewährungshilfe und Erteilung von Weisungen bedingt entlassen.

[2] Unmittelbar nach mündlicher Verkündung dieses Beschlusses erklärte der Verurteilte Rechtsmittelverzicht (ON 18, 2), den er am 29. Jänner 2024 im Zuge der Aushändigung der Beschlussausfertigung schriftlich wiederholte (ON 19.2). Die Zustellung des Beschlusses an die gesetzliche Vertreterin des Verurteilten war an deren vom Verurteilten angegebenen (ON 5, 1) und in der vom Gericht eingeholten ZMR Abfrage (ON 16) aufscheinenden Adresse nicht möglich (Retournierung mit dem Vermerk „Unbekannt [ON 15]). Weitere Erhebungen zum Aufenthalt der gesetzlichen Vertreterin wurden nach dem Akteninhalt nicht veranlasst (vgl aber 15 Os 34/06y, RIS Justiz RS0120788).

[3] Bei seiner Entlassung gab der Verurteilte einen in Salzburg gelegenen Wohnsitz bekannt (ON 4, 2, ON 18, 2). Dort wohnt er seit 9. Februar 2024 an einer anderen als der ursprünglich genannten Adresse (ON 23).

[4] Aufgrund dieses Wohnsitzes des Verurteilten trat das Landesgericht Wiener Neustadt die Strafvollzugssache am 8. Februar 2024 „zuständigkeitshalber“ an das Landesgericht Salzburg ab (ON 1.8).

[5] Dieses legte die Akten dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung des Kompetenzkonflikts vor (§ 38 StPO iVm § 17 Abs 1 Z 3 und § 180 Abs 1 StVG), weil der Beschluss über die bedingte Entlassung mangels Zustellung an die gesetzliche Vertreterin des Verurteilten nicht in Rechtskraft erwachsen sei (ON 1.11).

[6] Welche Entscheidungen dem gesetzlichen Vertreter bekanntzumachen sind, normiert § 38 Abs 2 erster Satz JGG. Die dort genannten Entscheidungen über die Verhängung, Fortsetzung und Aufhebung der Haft sind zufolge des auf die Begrifflichkeiten des 9. Hauptstücks der StPO (vgl insbes §§ 174, 176 Abs 4 und § 177 StPO) abstellenden Gesetzeswortlauts solche nach diesem Hauptstück und nach § 431 Abs 1 zweiter Satz StPO, der auf § 173 Abs 1, 3 und 5 sowie §§ 174 bis 178 StPO verweist. Aus diesem Grund unterliegen Entscheidungen, mit denen die bedingte Entlassung angeordnet wird, im Gegensatz zu Entscheidungen, mit denen die bedingte Entlassung widerrufen wird, nicht dem Regelungsbereich des § 38 Abs 2 erster Satz JGG (aA Schroll in WK² JGG § 38 Rz 30).

[7] Die Rechtsmittelfrist für die gesetzliche Vertreterin des * C* hat daher mit der am 29. Jänner 2024 erfolgten Zustellung des Beschlusses an ihn zu laufen begonnen (§ 38 Abs 3 zweiter Satz JGG). Deshalb erwuchs dieser Beschluss – entgegen der Ansicht des Landesgerichts Salzburg – mit Ablauf des 12. Februar 2024 in Rechtskraft.

[8] Werden im Zusammenhang mit einer bedingten Entlassung Weisungen erteilt oder Bewährungshilfe angeordnet und nimmt der Verurteilte unmittelbar nach seiner Entlassung seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Sprengel eines Landesgerichts, das nicht im selben Bundesland liegt wie das Vollzugsgericht, so ist jenes Landesgericht zur weiteren Führung der Vollzugssache zuständig (§ 179 Abs 1 StVG).

[9] Aufgrund der Wohnsitznahme des Verurteilten im Sprengel des Landesgerichts Salzburg noch vor Rechtskraft des Beschlusses über die bedingte Entlassung, ist das Landesgericht Salzburg zur Führung der Strafvollzugssache zuständig.

Rückverweise