9Ob71/23s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Dr. Hargassner als Vorsitzenden und den Hofrat Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Mag. Korn, sowie die Hofräte Dr. Vollmaier und Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V* AG, *, vertreten durch Neumayer Walter Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei E*, vertreten durch MMag. Dr. Franz Stefan Pechmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen 240.649 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. August 2023, GZ 12 R 110/23v 24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 5. Juni 2023, GZ 33 Cg 68/22x 16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
[1] Mit Kreditvertrag vom 8. 5. 2020, unterzeichnet von der Beklagten am 14. 5. 2020, gewährte die Klägerin der G* GesmbH einen Einmalbarkredit mit einer Kreditsumme von 300.000 EUR. Die Beklagte war zu diesen Zeitpunkten sowohl Geschäftsführerin als auch alleinige Gesellschafterin dieser Gesellschaft.
[2] Als Sicherheiten für den Kreditvertrag wurde eine Garantie der A* Gesellschaft mit beschränkter Haftung (in Folge AWS, vgl BGBl I 2002/130) für 80 % des aushaftenden Betrags bestellt sowie die Beklagte als Bürgin und Zahlerin eingesetzt. Die Beklagte bat selbst um die Finanzierung durch einen „AWS Überbrückungskredit“. Sie unterzeichnete den Bürgschaftsvertrag vom 8. 5. 2020 ebenfalls am 14. 5. 2020.
[3] § 8 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der AWS (in der hier unstrittig anzuwendenden Fassung Juli 2017) lautet auszugsweise:
„ Abtretung der Forderungen nach Eintritt des Garantiefalles, treuhändige Weitervertretung der Ansprüche
§ 8 (1) Der Garantienehmer hat in dem Umfang, in dem durch die aws Zahlungen geleistet wurden, den durch die Garantie gedeckten Teil der Forderungen an die aws abzutreten und alle zu diesem Zweck erforderlichen Rechtshandlungen vorzunehmen, soweit diese Rechte nicht kraft Gesetzes auf die aws übergehen. Hat der Garantienehmer Sicherheiten bedungen, sind auch diese Rechte anteilig und gleichrangig auf die aws zu übertragen, soweit diese Rechte nicht kraft Gesetzes auf die aws übergehen.
(2) Der Garantienehmer ist verpflichtet, nach Eintritt des Garantiefalles die weitere Vertretung und Rechtsverfolgung der garantierten und in weiterer Folge an die aws übergehenden Forderungen sowie die Verwertung bestellter Sicherheiten als Treuhänder der aws durchzuführen, sofern die aws darauf nicht ausdrücklich verzichtet hat. Für diese Leistungen hat der Garantienehmer Anspruch auf anteiligen Ersatz der Kosten im Sinne der §§ 1002 ff ABGB mit Ausnahme der Entschädigung als Treuhänder. Die aws ist berechtigt, jederzeit die Treuhandschaft mittels Schreibens an den Treuhänder zu beenden und ihre Forderungen selbst weiter zu betreiben. Absatz (1) gilt hiefür sinngemäß … . “
[4] Die Klägerin begehrt von der Beklagten als Bürgin und Zahlerin die Zahlung von aus dem Kredit aushaftenden 240.649 EUR. Über das Vermögen der G* GesmbH sei ein Konkursverfahren anhängig, weshalb die Kreditforderung auch gegenüber der Beklagten fällig sei. Die AWS habe aufgrund des Ausfalls eine Garantieleistung in Höhe von 80 % des Kredits erbracht. Die Klägerin sei aufgrund der Förderbestimmungen treuhändig verpflichtet, den Garantiebetrag der AWS einbringlich zu machen. Die Einbringlichmachung erfolge im eigenen Namen auf Rechnung der AWS und stelle das Rechtsinstitut einer Inkassozession dar.
[5] Die Beklagte wandte dagegen, soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung, die mangelnde Aktivlegitimation der Klägerin ein, soweit die Kreditforderung laut § 8 der AGB der AWS auf diese übergegangen sei. Die in § 8 Abs 2 AGB vorgesehene Treuhandabrede zwischen der AWS und der Klägerin stelle eine unzulässige Prozessstandschaft dar, weil der materiell rechtliche Anspruch von der Klagebefugnis getrennt werde.
[6] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Die Klägerin habe sich auf eine Inkassozession gestützt, sodass nicht bereits nach ihrem Vorbringen vom Vorliegen einer unzulässigen gewillkürten Prozessstandschaft auszugehen sei. Ob in der Regelung des § 8 Abs 2 AGB eine Rückzession des – schon nach § 1358 ABGB ex lege – an die aws übergegangenen Forderungsteils zum Inkasso oder eine bloße Übertragung des Prozessführungsrechts zu sehen sei, sei eine Frage der Vertragsauslegung. Dem Wortlaut der Bestimmung sei zwar kein ausdrücklicher Hinweis auf eine Rückzession (auch) des materiellen Anspruchs (zum Inkasso) zu entnehmen. Dass damit aber nicht nur eine Übertragung der reinen Prozessführungsbefugnis, sondern auch eine Abtretung des materiellen Anspruchs zur (treuhändigen) Geltendmachung gemeint sei, erschließe sich aus dem letzten Satz des § 8 Abs 2, wonach Abs 1 bei einer vorzeitigen Beendigung der Treuhandschaft durch aws sinngemäß gelte. Dies könne nur dahin verstanden werden, dass die Garantienehmerin – hier die Klägerin – in diesem Fall die – an sie (zum Inkasso) rückzedierte – Forderung wieder an aws abzutreten habe. § 8 Abs 2 der AGB sei daher als Rückzession an die Garantienehmerin zum Inkasso zu verstehen, eine unzulässige Abtretung des bloßen Prozessführungsrechts im Sinn einer gewillkürten Prozessstandschaft liege nicht vor. Die Revision sei zulässig, weil die Frage, ob die in § 8 Abs 2 der AGB der aws enthaltene Treuhandabrede als Rückzession zum Inkasso oder als bloße Übertragung des Prozessführungsrechts zu verstehen ist, für eine Vielzahl von Vertragsverhältnissen von Bedeutung sei.
[8] Gegen diese Entscheidung richtet sich die von der Klägerin beantwortete Revision der Beklagten, mit der diese die Abweisung der Klage anstrebt.
Rechtliche Beurteilung
[9] Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch unzulässig.
[10] 1. Der auch in der Revision wiederholten Behauptung, das Vorliegen einer unzulässigen gewillkürten Prozessstandschaft ergebe sich bereits aus dem Vorbringen der Klägerin, hat bereits das Berufungsgericht entgegengehalten, dass sich die Klägerin ausdrücklich auf das Vorliegen einer Inkassozession gestützt hat. Weder setzt sich die Revisionswerberin mit diesen Ausführungen des Berufungsgerichts in der Revision auseinander, noch stellt sie die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dass bei der Inkassozession die Klagebefugnis nicht vom materiell rechtlichen Anspruch getrennt ist und der Inkassozessionar aufgrund der Rückzession klagen kann (RS0032699 [T8]) in Frage, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.
[11] 2. Die Beklagte hält auch in der Revision daran fest, dass durch § 8 Abs 1 und Abs 2 der AGB der aws eine unzulässige gewillkürte Prozessstandschaft konstruiert werde. Dabei handelt es sich um eine Frage der Auslegung von Vertragsbestimmungen im Einzelfall (zu AGB vgl RS0042776 [T52]). Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt aber nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936; RS0042776). Ein solches zeigt die Beklagte mit dem Argument, dass § 8 Abs 2 Satz 3 der AGB mehrere Interpretationen ermögliche und eine diesbezügliche Undeutlichkeit zu Lasten der Klägerin gehe, nicht auf. Die bloße Vertretbarkeit einer anderen Vertragsauslegung begründet nach ständiger Rechtsprechung keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0042776 [T2]).
[12] Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO war die Revision daher zurückzuweisen.
[13] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO . Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen, sodass sie die Kosten ihrer nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienenden Revisionsbeantwortung selbst tragen hat ( RS0035979 ).