14Os1/24i – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Mai 2024 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Bayer in der Strafsache gegen * F* wegen Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 4. September 2023, GZ 25 Hv 71/22w 48, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Begründung:
[1] Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Freispruch enthaltenden Urteil wurde * F* der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (1.), der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (2.) und eines Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (3.) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er von 2013 (US 3) bis Dezember 2019 in Sc*
1. mehrmals an der 2010 geborenen, sohin unmündigen S* S*, sowie der 2015 geborenen, sohin unmündigen A* S* außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung vorgenommen, indem er sie über der Kleidung im Intimbereich „und im Bereich des Gesäßes“ (vgl aber RIS Justiz RS0095204 [T3]) intensiv streichelte;
2. durch die zu 1. geschilderten Handlungen mit minderjährigen Personen, die seiner Aufsicht unterstanden, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber diesen Personen geschlechtliche Handlungen vorgenommen;
3. S* S* durch die Äußerung, dass sie sich wieder hinsetzen solle, ansonsten er ihr das von ihm in der Hand gehaltene Brett auf den Kopf schlagen werde, somit durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper, zu einer Handlung, nämlich auf der Couch zu bleiben, genötigt.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
[4] Der Mängelrüge (Z 5 erster Fall) zuwider haben die Tatrichter unzweifelhaft festgestellt, dass der Angeklagte die bekleidete Vagina der beiden Opfer intensiv und nicht bloß flüchtig berührte (insb US 3 f, 13).
[5] Da das Erstgericht der leugnenden Verantwortung des Angeklagten mit mängelfreier Begründung die Glaubwürdigkeit absprach (US 11), war es unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit – entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen (Z 5 zweiter Fall) – nicht verhalten, auf den Inhalt seiner Aussage näher einzugehen (RIS Justiz RS0098642 [T1]). Gleiches gilt für die Aussage der Zeugin A* S*, der die Tatrichter aufgrund einer Entwicklungsstörung der Zeugin keinen Beweiswert zuerkannten (US 10).
[6] Dass das Erstgericht unter Berufung auf die Angaben der Zeugin S* S* teils den Schuldspruch zu 3., teils (weil es die Aussage insoweit nicht für ausreichend konkret erachtete [US 11]) einen Freispruch gefällt hat, stellt der weiteren Rüge (Z 5 dritter Fall) zuwider keinen Begründungsmangel dar (vgl RIS Justiz RS0098372).
[7] Die (zu 1. und 2. des Schuldspruchs) vermisste Begründung zum Tathergang, insbesondere auch zur Intensität der Berührungen und zu den Vorfällen betreffend A* S*, findet sich – dem Beschwerdevorbringen (Z 5 vierter Fall) zuwider – auf US 10 f.
[8] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) legt nicht dar, weshalb die zuvor in Beantwortung der Mängelrüge geschilderten Feststellungen zum Tathergang nicht jedenfalls die Beurteilung des vorgeworfenen Verhaltens als geschlechtliche Handlung nach § 207 Abs 1 und § 212 Abs 1 Z 2 StGB zuließen (vgl RIS Justiz RS0116565, RS0095733 [T10]).
[9] Zu 3. des Schuldspruchs lässt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) mit dem Einwand eines Rechtsfehlers bei der Bejahung der Besorgniseignung das Alter des Opfers und die Stellung des Angeklagten als Aufsichtsperson außer Acht, sodass sie nicht sämtliche dieser rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegten Tatumstände berücksichtigt (vgl aber RIS Justiz RS0099810).
[10] Indem die Beschwerde weiters auf Grundlage einer eigenen Würdigung der Verfahrensergebnisse die Verwendung eines Holzbretts zur Tatbegehung bestreitet, bekämpft sie bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (§ 283 Abs 1 StPO) die tatrichterliche Beweiswürdigung.
[11] Daher waren die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285d Abs 1 StPO und die (angemeldete und gemeinsam mit der Nichtigkeitsbeschwerde ausgeführte) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld gemäß § 296 Abs 2 iVm § 294 Abs 4 StPO bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen. Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft (§ 285i StPO).
[12] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.