JudikaturOGH

11Os42/24x – OGH Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
14. Mai 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Mai 2024 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Weißmann in der Strafsache gegen * E* wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2013/116 und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 6. November 2023, GZ 40 Hv 3/23h 36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * E* je eines Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2013/116 (1 a), des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 15, 206 Abs 1 StGB (1 b) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in R* jeweils zu einem unbekannten Zeitpunkt

1) im Zeitraum von 1. bis 31. August 2015 die am * 2002 geborene * M*

a) mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht, indem er sich auf sie legte, ihre Beine mit seinen Beinen fixierte, ihre Brüste streichelte sowie zunächst über der Kleidung ihre Vulva berührte und sodann mit der Hand in ihren Slip fuhr, ihre nackte Vulva berührte und mehrmals versuchte, einen Finger in ihre Vagina einzuführen;

b) durch die zu 1 a) beschriebene Tathandlung mit einer unmündigen Person eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung zu unternehmen versucht;

2) im Zeitraum von 1. Juni bis 31. September 2015 an einer unmündigen Person außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung vorgenommen, indem er mit seiner Hand unter das T-Shirt der am * 2002 geborenen * S* fuhr und ihre Brüste über dem BH für etwa fünf Minuten festhielt.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Die Verfahrensrüge (Z 4) rügt zu 1) die Abweisung des Antrags auf Vernehmung des W* E* als Zeugen zum Beweis dafür, dass * M* „zu keinem Zeitpunkt, somit auch nicht zum Tatzeitpunkt“ in dessen Haus (nach den Feststellungen auf US 5 der Tatort) gewesen sei. Gestützt wurde dieser Antrag auf die Aussage der Zeugin * H* vor der Polizei, wonach M* ihr erzählt habe, dass der Genannte ebenfalls anwesend gewesen sei und sie begrüßt hätte.

[5] Der – allein maßgebliche (RIS Justiz RS0099117, RS0099618) – Antrag in der Hauptverhandlung legte jedoch nicht dar, warum W* E* im gesamten infrage kommenden Zeitraum von 1. bis 31. August 2015 zu einer lückenlosen, die konkrete Tatbegehung ausschließenden Beobachtung aller Besucher des Angeklagten im genannten Haus in der Lage hätte sein sollen. Solcherart konnte dieser Antrag sanktionslos abgewiesen werden, weil er – im Stadium der Hauptverhandlung unzulässig – auf Erkundungsbeweisführung abzielte (vgl RIS Justiz RS0099189 [T20], RS0107040 [T8]; 11 Os 75/22x [Rz 7]).

[6] Dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider berücksichtigte das Schöffengericht die zeitlichen und situativen Umstände des Bekanntwerdens der Vorwürfe explizit (US 7 ff). Indem die Mängelrüge die Anzeigeerstattungen nach längerer Zeit anhand eigener Überlegungen als „in keinster Weise nachvollziehbar“ einschätzt und die darauf bezogenen Erwägungen im Urteil als „ungenügend“ bezeichnet, zeigt sie keinen Begründungsmangel auf, sondern bekämpft lediglich die freie Beweiswürdigung der Tatrichter (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung (vgl RIS Justiz RS0099419).

[7] Die Tatsachenrüge (Z 5a) soll nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Rügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS Justiz RS0118780).

[8] Mit seinem neuerlichen Hinweis auf Zeitpunkt und Art der Anzeigeerstattungen sowie mit der Berufung auf angebliche „Widersprüchlichkeiten in den Aussagen der Zeuginnen“ und den Zweifelsgrundsatz (der jedoch nicht Gegenstand dieser Anfechtungskategorie ist – RIS Justiz RS0102162) gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, erhebliche Bedenken im bezeichneten Sinn gegen die Richtigkeit von Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen zu wecken.

[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher b ereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[10] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rückverweise