JudikaturOGH

11Os39/24f – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Mai 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Mai 2024 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Weißmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen I* J* wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 2 Z 1 iVm Abs 1 Z 1, 130 Abs 3 iVm Abs 1 erster Fall, 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 30. Jänner 2024, GZ 72 Hv 73/23z-81, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Einziehungserkenntnis sowie in den Aussprüchen über den Verfall und die Konfiskation aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Klagenfurt verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde I* J* des Verbrechens des „gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und Abs 2 Z 1, 130 Abs 2 erster und zweiter Fall und Abs 3“, 15 StGB (I/) und des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 (erster Fall) StGB (II/) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in K* und an dernorts

I/ zwischen 26. Juli 2022 und 14. Juli 2023 in neun Angriffen gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 1 und Z 3 erster Fall StGB in Bezug auf die Begehung von Einbruchsdiebstählen in Wohnstätten) im Urteil genannten Gewahrsamsträgern einzeln bezeichnete fremde bewegliche Sachen, überwiegend Schmuck, Uhren und Bargeld, in einem 5.000 Euro übersteigenden Gesamtwert jeweils durch Einbruch in eine Wohnstätte, nämlich durch Einschlagen, Aushebeln oder Aufbrechen (teils mit einem mitgeführten Flachwerkzeug) von Fenstern oder Terrassentüren, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen und wegzunehmen versucht,

II/ am 14. Juli 2023 die Polizeibeamten S* und A* mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner Festnahme, zu hindern versucht, indem er durch Einsatz massiver Körperkraft seinen Oberkörper wand und seine Arme aus den Griffen der Beamten losriss.

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Die – inhaltlich gegen den Schuldspruch zu II/ gerichtete – Mängelrüge behauptet eine unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellung, wonach der Angeklagte aufgrund des Weglaufens außer Atem war und auf Ungarisch mehrmals „Luft, Luft“ rief, eine tatsächliche Atemnot durch die Maßnahmen der Polizeibeamten jedoch nicht vorlag (US 6). Der Beschwerdekritik zuwider haben die Tatrichter ihre Überzeugung, dass beim Angeklagten keine Atemnot vorlag und der von ihm intendierte Zweck der Gewaltanwendung vielmehr die Verhinderung seiner Festnahme war (US 6 f iVm US 3, US 8), aus den Angaben der einschreitenden Polizeibeamten zum Ablauf der Amtshandlung und zu den von ihnen gesetzten Maßnahmen mängelfrei erschlossen (US 7 f). Dass diese Begründung den Beschwerdeführer nicht überzeugt, stellt keine Nichtigkeit her (RIS Justiz RS0118317 [T9]).

[5] Die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) behauptet einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB), weil das Schöffengericht die „mehrfache und unterschiedliche Qualifikation“ (US 8) als erschwerend gewertet habe, obwohl die Strafdrohung des § 130 Abs 3 StGB bereits die mehrfache Begehung berücksichtige. Die Beschwerde übersieht, dass die Qualifikation nach § 128 Abs 1 Z 5 StGB die aktuelle Strafdrohung des § 130 Abs 3 StGB nicht (mit )bestimmte (vgl RIS Justiz RS0130193) und – soweit vom Schöffengericht mit der kritisierten Formulierung die Tatwiederholung angesprochen worden sein sollte –gewerbsmäßige Begehung (iSd § 130 Abs 3 StGB) nach § 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB nur drei Taten voraussetzt (der Schuldspruch jedoch neun Taten umfasst; vgl RIS Justiz RS0091375 [T6]) und sich diese im Übrigen auch auf § 70 Abs 1 Z 1 StGB stützt.

[6] Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO wird hinzugefügt, dass die Tatrichter (zu I/) in den Entscheidungsgründen in Verbindung mit dem – zur Verdeutlichung heranzuziehenden (vgl RIS Justiz RS0116587) – Referat nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO hinreichend deutlich ihre Überzeugung von der Absicht des Angeklagten auf wiederkehrende Begehung von Einbruchsdiebstählen in Wohnstätten iSd § 129 Abs 2 Z 1 StGB zum Ausdruck gebracht haben (US 8 iVm US 4 ff; US 1). Dass die Absicht des Angeklagten (auch) auf die wiederkehrende Begehung von (in jedem Einzelfall für sich allein) schweren Diebstählen iSd § 128 Abs 1 Z 5 StGB und auf sonstige, nicht iSd § 129 Abs 2 Z 1 StGB qualifizierte Einbruchsdiebstähle gerichtet war, ist dem Urteil jedoch nicht zu entnehmen ; insofern erweist sich die Subsumtion der vom Schuldspruch I/ erfassten Taten auch unter § 130 Abs 2 erster und zweiter Fall (iVm Abs 1 erster Fall) StGB als verfehlt. Vielmehr wäre der zu I/ festgestellte Sachverhalt einem Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 2 Z 1 iVm Abs 1 Z 1, 130 Abs 3 iVm Abs 1 erster Fall, § 15 StGB zu unterstellen gewesen. Der dem Schöffengericht insofern unterlaufene Subsumtionsfehler (der vom Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung über die Berufung zu berücksichtigen sein wird; vgl RIS Justiz RS0118870) ist jedoch in concreto mit keinem Nachteil für den Angeklagten verbunden, weil er den zur Anwendung gelangenden Strafrahmen (§ 28 StGB iVm § 130 Abs 3 StGB) unberührt lässt und nur das Gewicht des – zu Recht angenommenen (US 8) – Erschwerungsgrundes des § 33 Abs 1 Z 1 StGB betrifft.

[7] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), dass den Aussprüchen über die Einziehung, den Verfall und die Konfiskation jeweils Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO anhaftet:

[8] 1/ Das Schöffengericht hat „gemäß § 26 StGB […] die sichergestellten Schmuckstücke (ON 13.2.2) eingezogen“ (US 3, US 9).

[9] Gemäß § 26 Abs 1 StGB sind Gegenstände, die der Täter zur Begehung der mit Strafe bedrohten Handlung verwendet hat, die von ihm dazu bestimmt worden waren, bei Begehung dieser Handlung verwendet zu werden, oder die durch diese Handlung hervorgebracht worden sind, einzuziehen, wenn dies nach der besonderen Beschaffenheit der Gegenstände geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen entgegenzuwirken.

[10] Einziehung setzt demnach einen Bezug zu einer Anlasstat sowie Deliktstauglichkeit der betroffenen Gegenstände voraus (RIS Justiz RS0121298 [T15]).

[11] Abgesehen davon, dass im Urteil kein eindeutiger Bezug der – durch Verweis auf den Anlassbericht ON 13.2.2 noch hinreichend determinierten – „sichergestellten Schmuckstücke“ (vgl ON 13.2.2 S 6 ff: Ehering, Goldkette, Ohrringe, Uhr) zu den J* angelasteten Taten hergestellt wird, ist deren Deliktstauglichkeit auf der Feststellungsbasis des Ersturteils zu verneinen. Das Schöffengericht hat demnach seine Anordnungsbefugnis überschritten (Z 11 erster Fall).

[12] 2/ Gemäß § 20 Abs 1, Abs 2 StGB hat das Schöffengericht „die beim Angeklagten sichergestellten Beträge von EUR 3.100 (ON 33) sowie HUF 371.555,00 (ON 42, 2)“ für verfallen erklärt (US 3, US 9).

[13] Nach § 20 Abs 1 StGB hat das Gericht Vermögenswerte, die für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurden, für verfallen zu erklären. Der Verfall erstreckt sich nach § 20 Abs 2 StGB auch auf Nutzungen und Ersatzwerte der nach Abs 1 für verfallen zu erklärenden Vermögenswerte.

[14] Dem Urteil kann jedoch – auch unter Berücksichtigung der im Erkenntnis angeführten Aktenteile ON 33 und ON 42.2 – keinerlei Aussage zur Herkunft der beim Angeklagten sichergestellten, für verfallen erklärten Geldbeträge entnommen werden. Solcherart mangelt es dem Verfallserkenntnis an einer entsprechenden Feststellungsgrundlage (Z 11 erster Fall).

[15] 3/ Ferner hat das Schöffengericht die sichergestellten Werkzeuge und Utensilien (Handschuhe, Kombizange, zwei Lupen, Umhängetasche mit drei Schraubendrehern, Einweghandschuhe blau, Multitool Inbusschlüsselsatz; ON 13.2.2) sowie ein Smartphone Onetouch 228 Alcatel und ein Tablet Lenovo IB-X606X (ON 13.2.2) gemäß § 19a Abs 1 StGB konfisziert (US 3, US 9).

[16] Gemäß § 19a Abs 1 StGB sind Gegenstände, die der Täter zur Begehung einer vorsätzlichen Straftat verwendet hat, die von ihm dazu bestimmt worden waren, bei der Begehung dieser Straftat verwendet zu werden oder die durch diese Handlung hervorgebracht worden sind, zu konfiszieren, wenn sie zur Zeit der Entscheidung erster Instanz im Eigentum des Täters stehen.

[17] Feststellungen zu den Eigentumsverhältnissen an den konfiszierten Gegenständen können dem Urteil nicht entnommen werden. Zudem wird eine Verwendung zur Tatbegehung hinsichtlich der „Werkzeuge und Utensilien“ nicht eindeutig festgestellt und hinsichtlich des Smartphones und des Tablets ohne Sachverhaltsbezug (vgl US 4 ff) schlicht angenommen (US 9). Insofern entbehrt auch das Konfiskationserkenntnis einer ausreichenden Sachverhaltsgrundlage (Z 11 erster Fall).

[18] Da sich die Berufung des Angeklagten ausschließlich gegen den Strafausspruch richtet (vgl ON 83, ON 89), w ar die den Aussprüchen über die Einziehung, den Verfall und die Konfiskation anhaftende, dem Angeklagten – auch unter Berücksichtigung dessen hinsichtlich einzelner Gegenstände abgegebener „Einverständniserklärungen“ (ON 69 S 4, ON 80 S 7; vgl neuerlich RIS Justiz RS0121298 [T15]) – zum Nachteil gereichende Nichtigkeit vom Obersten Gerichtshof von Amts wegen wahrzunehmen (vgl RIS Justiz RS0130617).

[19] I n Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). A us deren Anlass war das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, im Einziehungserkenntnis sowie in den Aussprüchen über den Verfall und die Konfiskation aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Klagenfurt zu verweisen (§ 285e StPO).

[20] Die Entscheidung über die gegen den Strafausspruch gerichtete Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[21] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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