10ObS43/24g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzenden, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Annerl sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Deimbacher (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Sylvia Zechmeister (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch die RSS Rechtsanwälte OG in Mattersburg, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Berufsunfähigkeitspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 26. März 2024, GZ 8 Rs 19/24h 29, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Klägerin kann aufgrund ihres Gesundheitszustands seit dem Stichtag noch grundsätzlich alle leichten und mittelschweren körperlichen Arbeiten im Gehen, Stehen oder Sitzen in der normalen Arbeitszeit und unter Einhaltung der üblichen Pausen im Freien oder in geschlossenen Räumen verrichten, wobei (näher festgestellte) Einschränkungen für bestimmte Arbeiten bestehen. Die Wege von und zur Arbeitsstätte kann die Klägerin uneingeschränkt zurücklegen, sie kann auch öffentliche Verkehrsmittel benutzen.
[2] Bei diesem Leistungskalkül kann die Klägerin die in den letzten 15 Jahren ausgeübte Tätigkeit als Sekretärin – eine Tätigkeit üblicherweise in Beschäftigungsgruppe 3 des anzuwendenden Kollektivvertrags – in ihren Verweisungstätigkeiten der Beschäftigungsgruppe 2 wie etwa Fakturistin, Telefonistin, Registratur etc weiterhin ausüben.
[3] Mit Bescheid vom 10. Jänner 2023 lehnte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Antrag der Klägerin vom 12. September 2022 auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension ab.
[4] Die Vorinstanzen wiesen das auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß, in eventu von zumutbaren medizinischen oder beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen ab 1. Oktober 2022 gerichtete Klagebegehren ab. Sie folgten hinsichtlich der Tatsachenfeststellungen zum medizinischen Leistungskalkül den eingeholten Sachverständigengutachten und nicht den von der Klägerin beigebrachten teilweise abweichenden Befunden und sonstigen medizinischen Unterlagen. Das Berufungsgericht führte aus, dass das Erstgericht die bekämpften Feststellungen auf Basis der eingeholten medizinischen Gutachten treffen habe können und es nicht erforderlich gewesen sei, Widersprüche zwischen den eingeholten medizinischen Gutachten und den von der Klägerin vorgelegten medizinischen Befunden und sonstigen medizinischen Unterlagen aufzuklären und im Rahmen der Beweiswürdigung auf diese Widersprüche einzugehen. Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[5] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Klägerin ist mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[6] 1.1. Ob ein in der Berufung behaupteter Mangel des Verfahrens erster Instanz vom Berufungsgericht zu Recht verneint wurde, ist vom Revisionsgericht – auch in Sozialrechtssachen – nicht mehr zu prüfen (RS0043061; RS0042963). Der Vorwurf einer unzureichenden Begründung des Ersturteils wurde vom Berufungsgericht verneint. Eine neuerliche Geltendmachung dieses Verfahrensmangels in der Revision ist somit nicht möglich.
[7] 1.2. Im Übrigen entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass das Gericht nicht verpflichtet ist, allfällige Widersprüche zwischen einem Privatgutachten, auch wenn dieser Gutachter generell gerichtlich beeidet ist, und dem Gutachten eines vom Gericht zur Erstattung eines Gutachtens in einer bestimmten Rechtssache herangezogenen Sachverständigen aufzuklären. Es kann sich vielmehr – insbesondere wenn die Sachverständigen, wie hier, die von der Klägerin vorgelegten medizinischen Unterlagen berücksichtigen konnten – ohne Verfahrensverstoß dem ihm als verlässlich erscheinenden Sachverständigengutachten anschließen (RS0040592). Der im Zusammenhang mit der Erledigung der Beweisrüge gerügte Mangel des Berufungsverfahrens liegt daher nicht vor.
[8] 2.1. Darüber hinaus ist die hier angesprochene Frage, ob einem Sachverständigengutachten gefolgt werden kann, eine der nicht revisiblen Beweiswürdigung (RS0043320 [T1, T27]).
[9] 2.2. Eine Anfechtung der Ergebnisse von Sachverständigengutachten, die die Tatsacheninstanzen ihrer Entscheidung zugrunde gelegt haben, wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung ist nach der Rechtsprechung nur insoweit möglich, als dem Sachverständigen bei seinen Schlussfolgerungen ein Verstoß gegen zwingende Denkgesetze oder gegen objektiv überprüfbare zwingende Gesetze sprachlichen Ausdrucks unterlaufen ist (RS0043404; RS0043168) oder eine grundsätzlich inadäquate Methode angewendet wurde (RS0127336; RS0118604 [T8]). Mit der Behauptung, die Vorinstanzen seien den von der Klägerin beigebrachten medizinischen Unterlagen nicht gefolgt, wird ein derartiger Fall aber nicht zur Darstellung gebracht.