10ObS33/24m – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzenden, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Vollmaier sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Deimbacher (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Sylvia Zechmeister (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag. C*, Schweiz, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau, 1080 Wien, Josefstädter Straße 80, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wegen Kinderbetreuungsgeld, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 26. März 2024, GZ 23 Rs 10/24b 19, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Revisionsgegenständlich ist die Frage, ob der in Österreich beschäftigten und in der Schweiz wohnhaften Klägerin ein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens zusteht, obwohl sie die Voraussetzung des § 2 Abs 1 Z 4 KBGG iVm § 24 Abs 1 Z 1 KBGG nicht erfüllt, wonach der Elternteil und das Kind den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben müssen.
[2] 2. Diese Frage wird vom Obersten Gerichtshof bejaht: Aus Art 7 VO (EG) 883/2004 („Aufhebung der Wohnortklauseln“) folgt, dass ein Anspruch auf Leistungen weder dem Grunde noch der Höhe nach von einem Wohnsitz im Inland abhängig gemacht werden darf (10 ObS 26/24g Rz 17; 10 ObS 2/22z Rz 22 ua). Die Voraussetzung des § 2 Abs 1 Z 4 iVm § 24 Abs 1 Z 1 KBGG wird im Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 (zur Anwendung vgl Art 1 Abs 2 des Anhangs II des Freizügigkeitsabkommens mit der Schweiz) insoweit überlagert (10 ObS 123/23w Rz 16; 10 ObS 45/19v [ErwGr 1.2.]; 10 ObS 41/19f [ErwGr 2.2.] ua).
[3] 3. Aus diesem Grund hat d er Oberste Gerichtshof zu 10 ObS 26/24g in einer nahezu identen Konstellation die außerordentliche Revision der (auch dort) Beklagten mit Beschluss vom 16. April 2024 zurückgewiesen. Dabei wurde betont, dass aus der jüngeren Rechtsprechung ( 10 ObS 12/23x und 10 ObS 133/22i ) nicht abgeleitet werden kann, die VO (EG) 883/2004 sei nicht anzuwenden, wenn einander (wie im Verhältnis zur Schweiz [vgl 10 ObS 133/22i Rz 12]) keine gleichartigen Leistungen gegenüberstehen. Entgegen dem Verständnis der Beklagten ist lediglich die Anwendung der Prioritätsregeln des Art 68 VO (EG) 883/2004, nicht aber die Anwendung der VO (EG) 883/2004 an sich und vor allem nicht der Regelung über die Exportpflicht nach ihrem Art 67 vom Zusammentreffen gleichartiger Leistungen abhängig. Ebenso wenig ist eine Inländerdiskriminierung ersichtlich.
[4] 4. Die – im Wesentlichen wortgleiche – außerordentliche Revision im vorliegenden Verfahren gibt keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen.