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9ObA14/24k – OGH Entscheidung

Entscheidung
Arbeitsrecht
24. April 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Stiefsohn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Maria Buhr (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei *, Vertragsbediensteter, *, vertreten durch die Klein, Wuntschek Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Stadtgemeinde *, vertreten durch Mag. Philipp Moritz, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung (Streitwert: 24.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 17. Jänner 2024, GZ 6 Ra 43/23z 44, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

[1] Am 17. 12. 2010 schlossen der Kläger und die beklagte Stadtgemeinde einen auf zwei Jahre befristeten „Sonderdienstvertrag auf Grund des Steiermärkischen Gemeinde Vertragsbedienstetengesetzes“ mit Vertragsbeginn am 1. 1. 2011. Sein Punkt 13. lautete: „Art der Verwendung: Stadtamtsdirektor“.

[2] Mit Schreiben vom 22. 12. 2010 informierte der Gemeinderat der Beklagten den Kläger darüber, dass er am 15. 12. 2010 beschlossen habe, mit dem Kläger ein befristetes „Sonderdienstverhältnis gem. den Bestimmungen des Steierm. Gemeindevertragsbedienstetengesetz 1962“ von 1. 1. 2011 bis 31. 12. 2012 zu schließen. Auch dieses Schreiben enthielt den Satz: „Dienstverwendung als Stadtamtsdirektor“.

[3] Der Kläger übte ab 1. 1. 2011 die Funktion des Stadtamtsdirektors der Beklagten aus.

[4] Am 2. 1. 2012 vereinbarten die Parteien in einem Nachtrag zum Sonderdienstvertrag, dass das Dienstverhältnis des Klägers ab 1. 1. 2012 als auf unbestimmte Zeit geschlossen gelte und die Beklagte auf ihr Kündigungsrecht gemäß § 24 Abs 9 und § 35 Steiermärkisches Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetz verzichte.

[5] Am 14. 12. 2021 stimmte der Gemeinderat der Beklagten der Abberufung des Klägers von der Funktion des Stadtamtsdirektors zu. Mit Schreiben vom 20. 12. 2021, in dem er auf die Zustimmung des Gemeinderats verwies, berief der Bürgermeister der Beklagten den Kläger von der Funktion des Stadtamtsdirektors ab.

[6] Der Kläger befindet sich seit Dezember 2021 bei vollen Bezügen im Krankenstand.

[7] Am 9. 2. 2022 informierte der Bürgermeister den Kläger telefonisch vom neuen „Organigramm“ der Beklagten, das keinen Stadtamtsdirektor mehr vorsah, und von der Absicht, ihm die Stabsstelle „Recht und Sicherheit“ zuzuweisen, deren Aufgabenbereich nicht identisch mit jenem eines Stadtamtsdirektors ist.

[8] Der Kläger begehrte von der Beklagten die Feststellung, dass er lediglich verpflichtet sei, die bisher mit der Funktion des Stadtamtsdirektors verbundenen Agenden und diesen Aufgabenbereich im Sinne des § 64 Abs 2a und 2b Steiermärkische Gemeindeordnung zu erfüllen und er nicht verpflichtet sei, andere Tätigkeiten zu erbringen. Er sei nicht als Gemeinde-Vertragsbediensteter, sondern ausdrücklich als Stadtamtsdirektor aufgenommen worden. Andere Tätigkeiten habe er nicht zu erbringen.

[9] Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und entgegnete, der Kläger sei als Gemeinde-Vertragsbediensteter beschäftigt und nicht ausschließlich als Stadtamtsdirektor. Die „Art der Verwendung“ sei nur deshalb im Vertrag angeführt, weil § 8 Abs 1 Z 11 Steiermärkisches Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetz in der damals geltenden Fassung eine „kurze Charakterisierung oder Beschreibung der Tätigkeit“ gefordert habe.

[10] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

[11] Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil es sich um eine Einzelfallbetrachtung handle.

Rechtliche Beurteilung

[12] Die außerordentliche Revision des Klägers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf:

[13] 1. Der Kläger stützt sich auf das Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob ein Vertragsbediensteter, in dessen Dienstvertrag eine gesetzlich definierte „Art der Verwendung“ angegeben ist (hier: jene als Stadtamtsdirektor im Sinne des § 64 Abs 2a Steiermärkische Gemeindeordnung mit den dort geregelten Aufgaben), einen Rechtsanspruch darauf hat, nur dafür und nicht für andere Tätigkeiten herangezogen zu werden. Damit erfüllt der Kläger die Vorgaben des § 502 Abs 1 ZPO nicht:

[14] 1.1. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist jedenfalls zu verneinen, wenn ein Streitfall trotz neuer Sachverhaltselemente bereits mit Hilfe vorhandener Leitlinien der höchstgerichtlichen Rechtsprechung gelöst werden kann (RS0042656 [T48]; RS0042871 [T23]; 17 Ob 24/23p). Das gilt insbesondere für die Auslegung von vertraglichen Vereinbarungen (RS0042871 [T24]).

[15] 1.2. Zur Auslegung von Vertragserklärungen hat der Oberste Gerichtshof ausführliche Leitlinien entwickelt: Grundsätzlich kommt es nach der Lehre vom „objektiven Empfängerhorizont“ (vgl RS0014160 [T37]; RS0113932 [T8]) darauf an, wie ein redlicher und verständiger Mensch die Erklärung bei einer objektiven Beurteilung der Sachlage nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte und der ihm erkennbaren Umstände im Einzelfall verstehen konnte ( RS0014205 [T20]; RS0028642 [T4]; RS0053866 [T2]; RS0113932 ; RS0125400 ). Nach den Grundsätzen des § 914 ABGB ist bei der Auslegung einer Erklärung zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen, dabei aber nicht stehen zu bleiben, sondern der Wille der Parteien, das ist die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden, zu erforschen. Letztlich ist die Erklärung so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht ( RS0017797 ; RS0017915 ; RS0044358 ). In jedem Fall ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalls Bedacht zu nehmen, vor allem auf den Geschäftszweck und die Interessenlage (vgl RS0113932; RS0014205 [T21, T24]; RS0042555 ).

[16] 1.3. Ob das Berufungsgericht einen Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt hat, ist nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn es infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt hat (RS0042776 [T6, T31]; RS0042936; RS0112106). Das gilt selbst dann, wenn auch die vom Revisionswerber angestrebte Auslegung vertretbar wäre (RS0042936 [T17]; 5 Ob 122/14y). Ob auch eine andere Auslegung vertretbar wäre, ist also keine erhebliche Rechtsfrage (RS0042776 [T2]).

[17] 1.4. Die Auslegung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe dem Kläger nicht zugesagt, ihn ausschließlich als Stadtamtsdirektor zu verwenden, bewegt sich im Rahmen der dargelegten Rechtsprechung und bedarf keiner Korrektur im Einzelfall. Das Berufungsgericht berücksichtigte bei seiner Auslegung, dass § 8 Abs 1 Z 11 Steiermärkisches Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetz in der damals geltenden Fassung – aktuell ist diese Voraussetzung in Z 12 leg cit geregelt – eine „kurze Charakterisierung oder Beschreibung der Tätigkeit“ forderte, und wertete die vertragliche „Art der Verwendung“ als – für einen objektiven Erklärungsempfänger erkennbare – Umsetzung dieser Vorgabe. Es erblickte im Vertrag keinen Anhaltspunkt für eine Beschränkung der Tätigkeit des Klägers auf jene des Stadtamtsdirektors. Es wies auch darauf hin, dass der Bürgermeister einen Stadtamtsdirektor gemäß § 64 Abs 2a Steiermärkische Gemeindeordnung jederzeit abberufen könne, wenn der Gemeinderat zustimme, und dass die Auslegung des Klägers dazu führen würde, dass er nach seiner Abberufung als Stadtamtsdirektor (bei unbefristetem Dienstverhältnis und Verzicht der Beklagten auf das Kündigungsrecht) keine Dienstleistung mehr zu erbringen hätte, was man den Parteien nicht als Zielsetzung des Vertrags unterstellen könne. Diese Überlegungen sind ohne Weiteres vertretbar. Sie trennen nachvollziehbar zwischen dem Dienstverhältnis des Klägers als Gemeinde-Vertragsbediensteter, das durch den Abschluss des Dienstvertrags begründet wurde, und seiner Funktion als Stadtamtsdirektor, die mit der Bestellung und der Abberufung durch den Bürgermeister mit Zustimmung des Gemeinderats begann und beendet wurde (vgl § 64 Abs 2a Steiermärkische Gemeindeordnung).

[18] 1.5. Mit dem in der außerordentlichen Revision wiederholten Argument, im Dienstvertrag sei als „Art der Verwendung“ jene als Stadtamtsdirektor angeführt, hat sich bereits das Berufungsgericht befasst; der Kläger ist auf dessen vertretbare Überlegungen zu verweisen. Warum die Ansicht des Berufungsgerichts deshalb unvertretbar sein soll, weil § 64 Abs 2a Steiermärkische Gemeindeordnung die Aufgaben des Stadtamtsleiters (grob und demonstrativ) umschreibt, lässt der Kläger offen. Im Übrigen würde es auch keine erhebliche Rechtsfrage begründen, wenn eine andere Auslegung als jene des Berufungsgerichts möglich wäre.

[19] 2. Mit seinem abschließenden Vorbringen, das Berufungsgericht sei von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Zulässigkeit von Versetzungen abgewichen, ist der Kläger auf das Klagebegehren zu verweisen, das allein auf die Feststellung gerichtet ist, dass er für überhaupt keine andere Tätigkeit als jene des Stadtamtsdirektors herangezogen werden dürfe. Die Frage der Rechtmäßigkeit der konkreten Versetzung zur Stabsstelle „Recht und Sicherheit“ stellt sich vor diesem Hintergrund nicht.

[20] 3. Die außerordentliche Revision ist daher mangels einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

[21] 4. Der Oberste Gerichtshof hat der Beklagten die Beantwortung der Revision nicht freigestellt. Die dennoch eingebrachte Revisionsbeantwortung ist gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, weshalb für sie kein Kostenersatz zusteht (vgl RS0043690 [T6, T7]).

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