JudikaturOGH

11Os32/24a – OGH Entscheidung

Entscheidung
Energierecht
23. April 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. April 2024 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Novak als Schriftführer in der Strafsache gegen * A* wegen des Vergehens der Entziehung von Energie nach § 132 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 6 U 294/23y des Bezirksgerichts Mödling, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 2. November 2023 (ON 13) und einen Vorgang erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Leitner, zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom 2. November 2023, GZ 6 U 294/23y 13, verletzt im Ausspruch über die sachliche Unzuständigkeit §§ 447, 261 Abs 1 StPO iVm § 30 Abs 1 StPO.

Dieses Urteil wird aufgehoben und es wird dem Bezirksgericht Mödling die Durchführung des Strafverfahrens aufgetragen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Text

Gründe:

[1] Mit Strafantrag vom 30. August 2023 legte die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt * A* das Vergehen der Entziehung von Energie nach § 132 Abs 1 StGB (I/) sowie das Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB (II/) wegen des Verdachts zur Last, dieser habe in der Zeit von 10. Dezember 2020 bis 12. Juli 2023 in G* mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz

I/ unbefugt Strom aus einer der Zuführung von Energie dienenden Anlage entzogen, wodurch der W* GmbH und Co KG ein Schaden in der Höhe von 1.544,38 Euro entstanden sei, und

II/ der W* GmbH eine fremde Sache, nämlich Gas, i m Wert von 3.811,63 Euro weggenommen (ON 3 im Akt AZ 6 U 294/23y des Bezirksgerichts Mödling).

[2] Mit unbekämpft in Rechtskraft erwachsene m Urteil vom 2. November 2023, GZ 6 U 294/23y 13, sprach das Bezirksgericht Mödling seine sachliche Unzuständigkeit aus.

[3] Im Protokoll über die Hauptverhandlung ist das mündlich verkündete Urteil wie folgt dokumentiert:

„Das Bezirksgericht Mödling ist sachlich unzuständig, da der Schaden über 5.000 Euro ist“ (ON 11.3 S 3).

[4] Die schriftliche Urteilsausfertigung (ON 13) weist folgenden Urteilsspruch aus:

„In der Strafsache gegen * A* wegen § 132 Abs 2 StGB ist das Bezirksgericht Mödling sachlich unzuständig.“

[5] In der schriftlichen Urteilsausfertigung führte das Bezirksgericht (unter Hinweis auf Rebisant in WK² StGB § 132 Rz 10 f) aus, dass in der Hauptverhandlung die Schadensbeträge betreffend Strom und Gas irrtümlich zusammengerechnet und deshalb die Zuständigkeit des Landesgerichts gemäß § 31 Abs 4 Z 1 StPO angenommen worden sei.

[6] Tatsächlich sei Tatobjekt des § 132 StGB jedoch jede Art von Energie, nicht jedoch körperliche Energieträger wie ua Erdgas, deren Entziehen (Wegnahme) einen Diebstahl begründe, sodass die Entnahme von Gas unter § 127 StGB zu subsumieren sei, weshalb die Qualifikation nach § 132 Abs 2 StGB nicht erfüllt sei. Daraus ergebe sich, dass das Bezirksgericht Mödling weiterhin zuständig wäre (ON 1 3 S 2).

Rechtliche Beurteilung

[7] In ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes führt die Generalprokuratur aus:

Im Verfahren AZ 6 U 294/23y des Bezirksgerichts Mödling verletzt das Unzuständigkeitsurteil vom 2. November 2023 das Gesetz in mehrfacher Hinsicht:

Tatobjekt des § 132 StGB ist jede Art von Energie, insbesondere elektrische Energie. Bei aus Energieträgern gewonnener Energie fällt nur diese selbst unter § 132 StGB, während die betreffenden Energieträger, wie Erdgas, Warmwasser, Heizöl, Kohle, Koks, Holz oder Uran, körperliche Sachen darstellen, deren Entziehung das Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB begründet ( Rebisant in WK² § 132 Rz 11, Rz 44; Fabrizy/Michel Kwapinski/Oshidari , StGB 14 § 132 Rz 2; Leukauf/Steininger/ Messner , StGB 4 § 132 Rz 1).

Dem Vergehen der Entziehung von Energie nach § 132 Abs 1 StGB wäre demnach lediglich die vom Anklagepunkt I/ umfasste Entziehung von Strom, nicht jedoch die dem Angeklagten im Anklagepunkt II/ weiters zur Last gelegte Wegnahme von Gas zu unterstellen, welche richtigerweise als Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB zu beurteilen wäre.

Da die Zusammenfassung zu einer Subsumtionseinheit und die Zusammenrechnung ziffernmäßig bestimmter Werte oder Schadensbeträge, von welchen die Strafdrohung abhängt, zum Zweck der Strafrahmenbildung nach § 29 StGB nur bei gleichartigen Taten erfolgen kann (vgl Ratz in WK² StGB § 29 Rz 1 und 5), ist die Zusammenrechnung der dem Angeklagten hier zur Last gelegten Schadensbeträge verfehlt.

Die Summierung der aus der Entziehung von Strom (I/) und der Wegnahme von Gas (II/) resultierenden Schadensbeträge und die daraus abgeleitete Annahme der Qualifikation des § 132 Abs 2 (erster Fall) StGB verletzt daher §§ 29, 127 StGB.

Gemäß § 30 Abs 1 StPO obliegt das Hauptverfahren wegen Straftaten, die nur mit einer Geldstrafe oder mit einer Geldstrafe und einer ein Jahr nicht übersteigenden Freiheitsstrafe oder nur mit einer solchen Freiheitsstrafe bedroht sind, mit taxativ angeführten Ausnahmen dem Bezirksgericht.

Da die – wie hier nicht qualifizierten – Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB und der Entziehung von Energie nach § 132 Abs 1 StGB als Strafdrohung jeweils die Verhängung einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten oder einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen vorsehen und keinen der in § 30 Abs 1 StPO angeführten Ausnahmefälle erfüllen, beziehen sich die dem Angeklagten fallaktuell zur Last gelegten Vorwürfe somit lediglich auf Straftaten, deren Beurteilung in die Zuständigkeit des Bezirksgerichts fällt. Der vom Bezirksgericht Mödling dennoch vorgenommene Ausspruch der Unzuständigkeit verletzt daher auch §§ 447, 261 Abs 1 StPO iVm § 30 Abs 1 StPO.

[8] Die Generalprokuratur beantragt zu erkennen, dass das erwähnte Urteil in seiner Begründung §§ 29 und 127 StGB sowie im Ausspruch über die sachliche Unzuständigkeit §§ 447, 261 Abs 1 StPO iVm § 30 Abs 1 StPO verletze.

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

[9] Gegenstand der Anfechtung eines Urteils mit Nichtigkeitsbeschwerde (auch zur Wahrung des Gesetzes) ist die urschriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Urteils (RIS Justiz RS0126347).

[10] Entscheidungen sind dann rechtsfehlerhaft, wenn die Ableitung der Rechtsfolge aus dem vom Entscheidungsträger zugrunde gelegten Sachverhaltssubstrat das Gesetz verletzt oder die Sachverhaltsannahmen entweder in einem rechtlich mangelhaften Verfahren zustande gekommen oder mit einem formalen Begründungsmangel behaftet sind (RIS Justiz RS0126648).

[11] Solcherart verletzt d as Urteil (nämlich der maßgebliche Spruch der schriftlichen Urteilsausfertigung) §§ 447, 261 Abs 1 StPO iVm § 30 Abs 1 StPO, weil die im Urteil getroffenen A ussagen zur Verdachtslage betreffend den von der Anklage umfassten Sachverhalt (I/ und II/) aus den von der Generalprokuratur zutreffend angeführten Gründen keinen Anschuldigungsbeweis in Richtung der Qualifikation nach § 132 Abs 2 StGB zum Ausdruck bringen und damit den Ausspruch der s achlichen Unzus tändigkeit des Bezirksgerichts Mödling nicht tragen .

[12] Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese Gesetzesverletzung dem Angeklagten A* zum Nachteil gereicht (vgl RIS Justiz RS0108369), war ihre Feststellung gemäß § 292 letzter Satz StPO mit konkreter Wirkung zu verbinden (vgl auch 12 Os 48/22h) .

[13] In der Urteilsbegründung vertrat das Bezirksgericht Mödling – wie dargelegt – gerade nicht die Rechtsmeinung , dass etwa §§ 29, 127 StGB ( iVm § 128 Abs 1 Z 5 StGB) hier zu einer sachlichen Unzuständigkeit des Bezirksgerichts führen würden. Vielmehr weist es ausdrücklich und rechtsrichtig darauf hin, dass die Entnahme von Gas nicht § 132 StGB, sondern § 127 StGB zu subsumieren ist und das Unzuständigkeitsurteil irrtümlich gefällt wurde.

[14] Eine von der Generalprokuratur überdies im Vorgang der Begründung des Urteils (vgl dazu Ratz , WK StPO § 292 Rz 3; Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 11.77) geortete Gesetzesverletzung liegt daher nicht vor. In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde somit zu verwerfen.

Rückverweise