JudikaturOGH

10ObS29/24y – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. April 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Annerl als weitere Richter (Senat gemäß § 11a Abs 3 ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei W*, vertreten durch Dr. Georg Lugert, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1100 Wien, Wienerbergstraße 11, wegen Versehrtenrente, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Februar 2024, GZ 7 Rs 79/23y 12, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme des Verfahrens 29 Cgs 45/21z (damit verbunden 29 Cgs 44/21b) des Landesgerichts St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht aus dem Wiederaufnahmegrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO. Er behauptet, dass der Sachverständige in diesem Verfahren ausgeführt hätte, dass die im Beruf des Klägers als Installateur auftretenden allergenen Stoffe Nickel und Kobalt nicht geeignet seien, beim Kläger Asthma hervorzurufen oder ein bestehendes Asthma richtungsweisend zu verschlimmern. Demgegenüber habe der(selbe) Sachverständige im Verfahren 25 Cgs 99/21m des Landesgerichts St. Pölten in seinem mündlichen Ergänzungsgutachten ausgeführt, dass die allergenen Stoffe Nickel und Kobalt sehr wohl geeignet seien, allergisches Asthma beim Kläger hervorzurufen bzw dieses Asthma richtungsweisend zu verschlimmern. Diese nunmehr vom Sachverständigen getätigte Aussage stehe im diametralen Gegensatz zu seinen bisherigen Aussagen und Feststellungen im wiederaufzunehmenden Verfahren und insbesondere auch im Gegensatz zu den im Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht getroffenen Feststellungen. Das nunmehr vorliegende Gutachten des Sachverständigen aus dem Verfahren 25 Cgs 99/21m stelle somit ein neues Beweismittel dar.

[2] Die Vorinstanzen wiesen die Klage zurück, weil der Kläger keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund geltend mache.

Rechtliche Beurteilung

[3] Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers ist mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[4] 1.1. Nach ständiger Rechtsprechung verwirklicht die Mangelhaftigkeit oder Unrichtigkeit eines Gutachtens für sich genommen keinen Wiederaufnahmegrund (1 Ob 16/23v Rz 8 mwN). Selbst wenn sich die Unrichtigkeit eines Gutachtens aus späteren Tatumständen ergäbe, würde dies für sich allein nicht zur Wiederaufnahme berechtigen (RS0044555; RS0044834 [T6, T7]); ebenso wenig, wenn ein Sachverständiger von einem von ihm erstatteten Gutachten abgeht (RS0044827).

[5] 1.2. Abweichendes könnte nur gelten, wenn ein später eingeholtes Gutachten auf einer neuen wissenschaftlichen Erkenntnismethode aufbaut, die zur Zeit des Vorprozesses noch nicht bekannt war (RS0044733; RS0044834 [T10]; RS0044555 [T3]) oder wenn das im Vorprozess erstattete Gutachten auf einer unzulänglichen Grundlage beruht hätte – etwa weil nachträglich neue Tatsachen bekannt wurden, die dem Sachverständigen im Zeitpunkt der Befundaufnahme noch nicht zugänglich waren oder er eine behauptete Zwischenerhebung in Wahrheit nicht durchgeführt hat – und die Entscheidungsgrundlage aus diesem Grund unvollständig gewesen wäre (RS0044834 [T5, T12, T16]; RS0044555 [T3]; RS0044773 [T2]; RS0044411 [T2]).

[6] 2. Die Beurteilung der Vorinstanzen entspricht dieser Rechtsprechung. Der Kläger machte in seiner Klage weder geltend, dass das spätere Gutachten auf einer neuen wissenschaftlichen Erkenntnismethode aufbaut, noch, dass das im wiederaufzunehmenden Verfahren erstattete Gutachten auf einer unzulänglichen Grundlage beruhte. Entgegen der gegenteiligen Behauptung des Klägers fehlt es auch nicht an höchstgerichtlicher Rechtsprechung zum vorliegenden Fall, in dem behauptet wird, dass der Sachverständige von einem von ihm selbst erstatteten Gutachten abgeht (RS0044827).

[7] 3. Mangels Geltendmachung eines tauglichen Wiederaufnahmegrundes kommt es auf die im außerordentlichen Revisionsrekurs weiters thematisierte Frage, ob der Sachverständige seine Aussage im nachfolgenden Verfahren tatsächlich revidierte und der Kläger die (auch) dies verneinende Beurteilung des Erstgerichts im Rekurs (hinreichend deutlich) bekämpfte, nicht entscheidend an.

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