5Ob23/24d – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache der betroffenen Person N*, vertreten durch MMag. Katrin Maringer, Rechtsanwältin in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der betroffenen Person gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 7. Dezember 2023, GZ 45 R 430/23b 196, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die Bestätigung des abweisenden Beschlusses des Erstgerichts über den am 16. Mai 2023 gestellten Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe richtet, als absolut unzulässig zurückgewiesen.
Im Übrigen wird der außerordentliche Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Für d ie betroffene Person wurde ein gerichtliche r Erwachsenenvertreter bestellt. De ssen Wirkungsbereich umfasst die Vertretung der Betroffenen in Gerichtsverfahren.
[2] Am 1 6 . 5. 2023 beantragte die betroffene Person , die Erwachsenenvertretung zu beenden und ihr einen Verfahrenshelfer beizustellen.
[3] D as Erstgericht wies diese Antr äge ab.
[4] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der betroffenen Person nicht Folge. Es sprach aus, dass der Revisionsrekurs in Bezug auf die Verfahrenshilfe jedenfalls unzulässig sei und im Übrigen nicht zugelassen werde.
Rechtliche Beurteilung
[5] Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der betroffenen Person. Dieser ist in Bezug auf die Entscheidung über die Verfahrenshilfe absolut und in Bezug auf die Entscheidung über den Antrag auf Beendigung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG unzulässig.
[6] 1. Nach § 62 Abs 2 Z 2 AußStrG ist der Revisionsrekurs gegen zweitinstanzliche Entscheidungen über die Verfahrenshilfe jedenfalls unzulässig. Der Revisionsrekurs ist insoweit aus diesem Grund zurückzuweisen.
[7] 2. Nach der (mit dem 2. Erwachsenen SchutzG eingeführten) Bestimmung des § 116a AußStrG kann die betroffene Person im Erwachsenenschutzverfahren unabhängig von ihrer Verfahrensfähigkeit Verfahrenshandlungen vornehmen. Sie kann daher im gesamten Verfahren selbständig Anträge stellen und Rechtsmittel erheben. Ein Vertreter oder Rechtsbeistand (§ 119 AußStrG) schränkt die Möglichkeit der betroffenen Person nicht ein, im Verfahren selbständig zu handeln (3 Ob 87/19v; 1 Ob 45/21f; RS0132628).
[8] Gegen einen im Rahmen des Rekursverfahrens ergangenen Beschluss des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs allerdings nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist (§ 62 Abs 1 AußStrG). E ine solche Rechtsfrage zeigt der außerordentliche Revisionsrekurs nicht auf.
[9] Die gerichtliche Erwachsenenvertretung ist gemäß § 246 Abs 3 Z 3 ABGB zu beenden, wenn die übertragene Angelegenheit erledigt ist (Fall 1) oder die Voraussetzungen für die Bestellung nach § 271 ABGB weggefallen sind (Fall 2). Betrifft dies nur einen Teil der Angelegenheiten, so ist der Wirkungsbereich gemäß dem 2. Halbsatz von § 246 Abs 3 Z 3 Satz 1 ABGB insoweit einzuschränken.
[10] Nach § 271 ABGB ist einer volljährigen Person (unter den weiteren V oraussetzungen des § 271 Z 2–4 ABGB) insoweit ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter zu bestellen, als sie bestimmte Angelegenheiten aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfähigkeit nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst besorgen kann (§ 271 Z 1 ABGB).
[11] Über die Beendigung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung ist ein eigenes Verfahren zu führen (§ 128 Abs 1 AußStrG). Das Verfahren über die Beendigung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung unterliegt gemäß § 16 Abs 1 AußStrG dem Untersuchungsgrundsatz. Es obliegt im Beendigungsverfahren allerdings (ausschließlich) dem Gericht zu entscheiden, ob es weitere Erhebungsmaßnahmen für erforderlich hält (2 Ob 127/22y; RS0132309 ).
[12] Ob und in welchem Umfang eine gerichtliche Erwachsenenvertretung wegen Wegfalls der Voraussetzungen einzustellen ist, ist immer eine Frage des Einzelfalls, bei der dem Tatsachenbereich zuzuordnende Grundlagen jeweils individuell zu beurteilen sind (RS0106166 [T11, T12]; vgl auch RS0106744 [T1]; RS0087091 [T2, T3, T4, T5]). Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs ist daher nur zur Korrektur grober Fehlbeurteilungen angezeigt.
[13] Eine solche auch im Einzelfall aufzugreifende grobe Fehlbeurteilung des Rekursgerichts zeigt das Rechtsmittel der b etroffenen Person nicht auf. Auf die Voraussetzungen für eine Beendigung oder Einschränkung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung und die Erwägungen des Rekursgerichts, dass und warum die betroffene Person aufgrund ihres Krankheitsbilds nach wie vor eines Erwachsenenvertreters bedarf, geht die Betroffene in ihren Ausführungen gar nicht erst ein.
[14] 3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).