20Ns1/24p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 4. April 2024 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende, die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann Prentner als Richterin sowie die Rechtsanwälte Dr. Stortecky und Dr. Broesigke als Anwaltsrichter in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, AZ D 9/24 des Disziplinarrats der * Rechtsanwaltskammer über den Antrag des Kammeranwaltstellvertreters auf Übertragung der Durchführung des Disziplinarverfahrens an einen anderen Disziplinarrat nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019) den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Durchführung des Disziplinarverfahrens wird dem Disziplinarrat der Salzburger Rechtsanwaltskammer übertragen.
Text
Gründe:
[1] Bei der * Rechtsanwaltskammer wurde gegen *, Rechtsanwalt in *, Disziplinaranzeige erstattet.
[2] Der Kammeranwaltstellvertreter beantragte die Durchführung des Disziplinarverfahrens an einen anderen Disziplinarrat zu übertragen, weil der Beschuldigte bis vor kurzem Präsident des Disziplinarrats der * Rechtsanwaltskammer war und bei seiner Kandidatur zur Wiederwahl im November 2023 soweit bekannt von sämtlichen Mitgliedern des Disziplinarrats der * Rechtsanwaltskammer unterstützt wurde.
[3] Darüber hinaus habe der Beschuldigte in dem der Anzeige zugrunde liegenden Zivilverfahren eine Gesellschaft vertreten, an welcher ein Mitglied des Disziplinarrats der * Rechtsanwaltskammer mittelbar beteiligt ist.
Rechtliche Beurteilung
[4] Gemäß § 25 Abs 1 erster Satz DSt kann die Durchführung des Disziplinarverfahrens wegen Befangenheit der Mitglieder des Disziplinarrats oder aus anderen wichtigen Gründen auf Antrag des Beschuldigten, des Kammeranwalts oder des Disziplinarrats selbst einem anderen Disziplinarrat übertragen werden.
[5] Der Umstand, dass sich die Disziplinaranzeige gegen den ehemaligen Präsidenten des Disziplinarrats der * Rechtsanwaltskammer richtet, stellt einen Delegierungsgrund iSd § 25 Abs 1 DSt dar, der zur Vermeidung des Anscheins einer Parteilichkeit der Entscheidungsträger die Übertragung der Durchführung des Verfahrens an einen anderen Disziplinarrat notwendig macht (RIS Justiz RS0055477 [T1], RS0106278 [T6], RS0055618: zur Möglichkeit der Delegierung vor Anhängigkeit eines Disziplinarverfahrens vgl RIS Justiz RS0119913 [T1, T5]).
[6] Es war daher dem Antrag des Kammeranwalts Folge zu geben und die Sache an den Disziplinarrat der Salzburger Rechtsanwaltskammer zu delegieren.