6Ob21/24t – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch zu FN * eingetragenen m* GmbH in Liqu. mit dem Sitz in *, vertreten durch Dr. Friedrich Lorenz, Rechtsanwalt in Baden, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 21. Dezember 2023, GZ 6 R 358/23w 5, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 15 Abs 1 FBG iVm § 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Der Revisionsrekurs releviert als erhebliche Rechtsfrage das Fehlen von Rechtsprechung zur Anwendbarkeit von § 17 FBG im Zwangsstrafenverfahren nach § 283 UGB. Wenn bei Verhängung einer (Zwangs-)Strafverfügung nach § 283 Abs 2 UGB gleichzeitig (mit gesondertem Beschluss) die Vervollständigung der eingereichten Unterlagen binnen einer Frist aufgetragen werde, könne – so der Revisionsrekurs bei Entsprechung binnen dieser Frist eine Zwangsstrafe im ordentlichen Verfahren (nach § 283 Abs 3 UGB) nicht mehr verhängt werden, weil die Einreichung dann rückwirkend als (ursprünglich) vollständig anzusehen sei.
[2] 2. Eine iSd § 62 Abs 1 AußStrG erhebliche Rechtsfrage wird damit nicht an ge sprochen:
[3] 2.1. Der Zweck der Offenlegung von Jahresabschlüssen besteht darin, Dritte, die die buchhalterische und finanzielle Situation der Gesellschaft nicht ausreichend kennen oder kennen können, zu informieren (6 Ob 20/08x; 6 Ob 214/15m; 6 Ob 261/20f). Zwangsstrafen nach § 283 UGB sollen die Einhaltung dieser Offenlegungsverpflichtungen durch wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen absichern (RS0113285). Die für die Offenlegung nach § 277 Abs 1 UGB einzuhaltende Frist ist keine prozessuale, sondern eine – im öffentlichen Interesse einzuhaltende – materiell-rechtliche (Handlungs-)Frist (6 Ob 196/11h).
[4] Zu den mit Zwangsstrafe nach § 283 UGB sanktionierten Verstößen gegen die Offenlegungspflicht , zählen auch solche gegen die nach § 277 Abs 6 UGB vorgeschriebene Pflicht zur elektronischen Einreichung (vgl 6 Ob 32/12t), wie sie seit 1. 7. 2022 in § 12 ERV 2021 (BGBl II 2021/587) näher umschrieben ist.
[5] 2.2. Der Oberste Gerichtshof hat schon in der Entscheidung zu 6 Ob 149/03k bei Bestehen eines öffentlichen Interesses an einer Anmeldung dem Vorgehen nach § 24 FBG (schon damals unter Bezugnahme auch auf die Durchsetzung von Offenlegungsvorschriften gemäß § 277 UGB) den Vorrang vor einem nach § 17 FBG zu erteilenden Verbesserungsauftrag eingeräumt. Es wurde in diesem Zusammenhang auf die unterschiedlichen Zielrichtungen von Eingaben und verfahrensrechtlichen Konsequenzen, wie sie mit § 17 FBG einerseits und § 24 FBG andererseits verbunden sind, hingewiesen (gegen die Anwendung von § 17 FBG auf die Einreichung des Jahresabschlusses zum Firmenbuch siehe im Übrigen auch Potyka , Die Prüfpflicht des Firmenbuchgerichts bei der Offenlegung der Rechnungsunterlagen [Teil II], GES 2015, 392 [400]). Während die Nichteinhaltung eines Verbesserungsauftrags nach § 17 FBG zur Zurück oder Abweisung des vom Eintragungswerber gestellten Eintragungsbegehrens führen wird, hat das Verfahren nach § 24 FBG, bei dem einer Bestrafung im Regelfall deren Androhung vorhergeht (siehe aber auch § 24 Abs 4 FBG), den Zweck, auf die Einhaltung einer im Interesse Dritter (der Öffentlichkeit) einzuhaltenden Verpflichtung samt der ihr nachfolgenden Veröffentlichung von Amts wegen zu dringen.
[6] Seit dem Budgetbegleitgesetz 2011 (BGBl I 2010/111), mit dem das Zwangsstrafenverfahren verschärft und damit die Erfüllung der gemeinschaftsrechtlich vorgegebenen Publizitätspflicht besser durchgesetzt werden sollte (6 Ob 129/11f [ErwGr 2.7.]), ist – weil bis dahin nicht einmal die Hälfte aller vorlagepflichtigen Unternehmen ihre Offenlegungspflichten fristgerecht erfüllt hatte (ErläutRV 981 BlgNR 24. GP 70) – bei Verstößen gegen die Offenlegungspflicht nach §§ 277 ff UGB mit der sofortigen Verhängung der Strafe (mittels Strafverfügung) ohne die „bisher meist wirkungslose bloße Strafandrohung“ (ErläutRV aaO) vorzugehen. Einer Auslegung des § 283 UGB dahin, dass der Gesetzgeber mit der Möglichkeit des Einspruchs gegen die Zwangsstrafverfügung eine weitere letzte Nachfrist (was der Revisionsrekurs hier über die Anwendung von § 17 Abs 1 FBG zu erreichen sucht) einräumen wollte, hat der Fachsenat bereits eine Absage erteilt (6 Ob 129/11f). Die Auffassung des Revisionsrekurs es käme einer Fristerstreckung der Offenlegungsfrist durch das Firmenbuchgericht gleich, die aber gesetzwidrig wäre (6 Ob 130/09z; G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer , FBG [2005] § 24 Rz 106).
[7] Wenn der Oberste Gerichtshof – vor dem Hintergrund der Verfolgung öffentlicher Interessen – für das Zwangsstrafenverfahren schon klargestellt hat, dass das Zuwiderhandeln gegen die Offenlegungspflichten nicht mit Formverstößen in einem Zivilverfahren zu vergleichen ist, weil es nicht (lediglich) um Individualrechtsschutz geht, in welchem Fall ein durchaus großzügiger Maßstab möglich ist, sondern um die rechtzeitige Information der beteiligten Verkehrskreise über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft (6 Ob 32/12t), liegt in der – klar zu verneinenden – Frage der Anwendung von § 17 FBG bei nicht rechtzeitiger Offenlegung nach § 277 UGB keine erhebliche Rechtsfrage (RS0042824; vgl auch RS0042656).