JudikaturOGH

9ObA7/24f – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. März 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dipl. Tzt. M*, vertreten durch Puttinger Vogl Rechtsanwälte OG in Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei Dr. med. vet. P*, vertreten durch Dr. Manfred Harrer, Rechtsanwalt in Linz, wegen 28.535,23 EUR sA, hier wegen Aussageverweigerung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei und der Zeugin Dr. H*, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. Dezember 2023, GZ 12 Ra 59/23t 58, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Eine von der Klägerin beantragte Zeugin, die Ehegattin des Beklagten, erklärte nach Belehrung gemäß §§ 321 ff ZPO, dass sie keine Fragen beantworten werde, weil es im Verfahren gegen ihren Ehemann um viel Geld gehe und jede wirtschaftliche Beeinträchtigung ihres Ehemannes auch Folgen für sie habe.

[2] Das Erstgericht verhängte über die Zeugin das Zwangsmittel einer Geldstrafe in der Höhe von 5.000 EUR, weil diese auf der für unberechtigt erkannten Aussageverweigerung beharrte.

[3] Das Rekursgericht wies den dagegen erhobenen Rekurs des Beklagten zurück. Gemäß § 349 Abs 1 ZPO finde gegen die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Weigerung einer Aussage kein abgesondertes Rechtsmittel statt.

[4] Dem Rekurs der Zeugin gab das Rekursgericht teilweise Folge und setzte die Geldstrafe auf 1.000 EUR herab. Soweit sich die Zeugin im Rechtsmittel auf nach dem Tierärztegesetz bestehende Verschwiegenheitspflichten (§ 321 Abs 1 Z 3 ZPO) und die Verpflichtung, Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse zu wahren (§ 321 Abs 1 Z 5 ZPO) stütze, verstoße sie gegen das im Rekursverfahren geltende Neuerungsverbot. Diese Aussageverweigerungsgründe seien in erster Instanz nie geltend gemacht worden.

[5] Gegen diese Entscheidung, soweit der Rekurs des Beklagten zurückgewiesen und eine Geldstrafe von 1.000 EUR verhängt wurde, richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Beklagten und der Zeugin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und der Zeugin das ihr gemäß dem Tierärztegesetz gesetzlich zustehende Aussageverweigerungsrecht zuerkennen. In eventu wird ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt und weiters wird in eventu beantragt, das Klagebegehren als unschlüssig abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der außerordentliche Revisionsrekurs des Beklagten und der Zeugin ist nicht zulässig.

1. Zum außerordentlichen Revisionsrekurs des Beklagten:

[7] 1.1. Die Zurückweisung des Rekurses gegen einen nicht abgesondert anfechtbaren erstgerichtlichen Beschluss durch die zweite Instanz ist grundsätzlich mit Revisionsrekurs bekämpfbar (vgl 4 Ob 73/22x Rz 6). In einem solchen Fall ist der Revisionsrekurs nicht nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig (RS0043969 [T11]).

[8] 1.2. Der außerordentliche Revisionsrekurs des Beklagten zeigt jedoch keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO auf. Insbesondere wird nicht dargelegt, aus welchen Gründen die (ausführlich begründete) Zurückweisung des Rekurses des Beklagten durch das Rekursgericht unrichtig sein sollte (RS0043603 [T9, T16]; RS0043312 [T13]).

2. Zum außerordentlichen Revisionrekurs der Zeugin:

[9] 2.1. Die Zulässigkeit des außerordentlichen Revisionsrekurses begründet die Zeugin damit, dass ein Aussageverweigerungsgrund aufgrund des Neuerungsverbots im Rekursverfahren trotz Verhängung einer hohen Geldstrafe nicht berücksichtigt worden sei. Bei „Sanktionen, die inhaltsgleich einer hohen permanenten Strafdrohung entsprächen“ habe das Neuerungsverbot zurückzutreten, um gesetzlichen Verschwiegenheitspflichten und damit einer berechtigten Aussageverweigerung zum Durchbruch zu verhelfen.

[10] 2.2. Dieser Argumentation steht die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entgegen, wonach im Rekursverfahren grundsätzlich das Neuerungsverbot gilt (RS0042091; RS0108589). Es umfasst sowohl das Verbot, neue Ansprüche und neue Einreden zu erheben, als auch das Verbot, neue Tatsachen und Beweismittel geltend zu machen ( A. Kodek in Rechberger/Klicka , ZPO 5 § 482 ZPO Rz 1).

[11] 2.3. Davon hat der Gesetzgeber zwar für verschiedene zivilgerichtliche Verfahrensarten Ausnahmen vorgesehen (vgl Pimmer in Fasching/Konecny 3 IV/1 § 482 ZPO Rz 4 ff), die aber hier nicht einschlägig sind.

[12] 2.4. Vom Neuerungsverbot ausgenommen sind außerdem Tatsachen und Beweismittel, die von Amts wegen zu beachtende bzw wahrzunehmende Umstände betreffen (vgl RS0119356; RS0108589; RS0042091 [T2, T3]). Auch solche Umstände liegen hier aber nicht vor. Aussageverweigerungs gründe nach § 321 ZPO sind nicht von Amts wegen zu beachten, sondern vom Zeugen geltend zu machen (vgl RS0108824; Frauenberger in Fasching/Konecny 3 III/1 § 321 ZPO Rz 3 mwN; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka , ZPO 5 §§ 321–322 ZPO Rz 2) und allenfalls zu bescheinigen ( Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka , ZPO 5 §§ 321–322 ZPO Rz 2; vgl auch § 323 Abs 1 ZPO).

[13] 2.5. Das Vorbringen des Beklagten (und nicht der Zeugin) im erstinstanzlichen Verfahren, die Klägerin habe ihre selbstständige und eigenverantwortliche Tätigkeit als Tierärztin im Rahmen einer gemeinsamen Tierarzttätigkeit zum Zwecke der gemeinsamen Nutzung von Praxiseinrichtungen, wie dies auch nach dem Tierärztegesetz (TÄG) zulässig sei, ausgeübt, stellt keine Geltendmachung eines konkreten Aussageverweigerungsgrundes durch die Zeugin dar.

[14] 2.6. Allein der Umstand, dass im vorliegenden Fall eine (Geld-)Strafe verhängt wurde, gebietet weder noch rechtfertigt eine Durchbrechung des Neuerungsverbots (vgl für das Exekutionsverfahren RS0002371). Auch aus der Kommentierung von Körber Risak in Höllwerth/Ziehensack , ZPO Praxiskommentar § 325 ZPO Rz 5, auf die sich die Zeugin stützt, ergibt sich nichts Gegenteiliges.

[15] Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist der außerordentliche Revisionrekurs des Beklagten und der Zeugin zurückzuweisen.

Rückverweise