JudikaturOGH

7Ob175/23w – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. März 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache des Betroffenen E* K*, geboren am * 1939, *, über den Revisionsrekurs des Betroffenen, vertreten durch den gerichtlichen Erwachsenenvertreter VertretungsNetz-Erwachsenenvertretung, *, dieser vertreten durch die Mag. Dr. Stephan Medwed Rechtsanwalts-Kommanditpartnerschaft in Klagenfurt am Wörthersee, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 24. August 2023, GZ 1 R 154/23a 75, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom 17. Mai 2023, GZ 29 P 140/20s 70, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Für den 1939 geborenen Betroffenen ist der Verein VertretungsNetz zum Erwachsenenvertreter für alle Angelegenheiten bestellt. Der Betroffene wird seit 2002 stationär in einer Einrichtung für psychisch kranke Menschen betreut. Bis Ende des Jahres 2022 zahlte er 80 % seines Einkommens einschließlich der erhöhten Familienbeihilfe an das Land Kärnten als Kostenbeitrag für die stationäre Betreuung.

[2] Zu 6 Ob 192/22m sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass das Kärntner Mindestsicherungsgesetz (K MSG) bei verfassungskonformer Auslegung so zu verstehen ist, dass die erhöhte Familienbeihilfe nur dann zu berücksichtigen ist, wenn der Lebensunterhalt einer stationär betreuten Person einschließlich der besonderen Bedürfnisse, die diese Person aufgrund von Einschränkungen hat, durch diese Art der Betreuung vollends gesichert ist. Aufgrund dieser Entscheidung wird die erhöhte Familienbeihilfe des Betroffenen seit Jänner 2023 nicht mehr an das Land Kärnten abgeführt, sondern verbleibt ihm zur Gänze.

[3] Das Land Kärnten bot dem Betroffenen an, die erhöhte Familienbeihilfe für die Jahre 2020 bis einschließlich 2022 (in Höhe von insgesamt 10.926,72 EUR) zurückzuzahlen, wenn er einen Antrag mit folgendem Inhalt unterzeichnet:

Ich ..., vertreten durch den/die Erwachsenenvertreter/in beantrage die Rückzahlung der erhöhten Familienbeihilfe für den Zeitraum 1. 1. 2020 bis 31. 12. 2022 auf folgendes Konto ... Ich bestätige, dass mein Lebensbedarf während der stationären Unterbringung in folgenden Einrichtung/en ... nicht vollends gedeckt war. Durch meine Unterschrift bestätige ich, dass durch die Rückzahlung des beantragten Anteils der erhöhten Familienbeihilfe sämtliche Ansprüche auf Rückzahlung der erhöhten Familienbeihilfe gegen das Land Kärnten abgegolten sind.

[4] Der Betroffene beantragte durch seien Erwachsenenvertreter die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der Abgabe dieser Verzichtserklärung. Das Land Kärnten sei zur Zahlung nur unter der Bedingung bereit, dass gleichzeitig ein Verzicht auf weitere Ansprüche abgegeben werde.

[5] Das Erstgericht ermächtigte den Erwachsenenvertreter zur Entgegennahme der Zahlung und wies den Antrag auf Genehmigung der Abgabe einer Verzichtserklärung für darüber hinausgehende Ansprüche auf Rückzahlung ab. Von einer Verjährung dieser Rückzahlungsansprüche sei nicht zwingend auszugehen, sie entspreche nicht dem Wohl des Betroffenen.

[6] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Eine Schlechterstellung des Betroffenen durch die Abgabe einer Verzichtserklärung sei nicht auszuschließen, weil der Ausgang eines Zivilprozesses mit einem Rückzahlungsbegehren betreffend diese Zahlungen unklar sei. Wenn auch Bereicherungsansprüche nach § 1431 ABGB grundsätzlich der 30 jährigen Verjährungsfrist unterlägen, sei nach jüngerer Rechtsprechung die Verjährung von Kondiktionsansprüchen analog zu § 1486 Z 1 ABGB nach der Art des Anspruchs zu beurteilen, an dessen Stelle die Kondiktion trete. Eine analoge Anwendung der dreijährigen Verjährungsfrist auf Bereicherungsansprüche bei Rückforderung zu Unrecht eingehobener periodischer Leistungen sei erwägenswert. Nach einigen höchstgerichtlichen Entscheidungen seien die Leistungen des Sozialhilfeträgers in den sozialrechtlichen Vorschriften allerdings abschließend geregelt, inwieweit Verjährungsvorschriften des ABGB auch im öffentlichen Recht überhaupt anzuwenden seien, sei ungewiss. Die Abgabe der Verzichtserklärung sei daher nicht zu genehmigen.

[7] Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht mit der Begründung zu, seine Auffassung, die Verjährungsfrage sei zweifelhaft, könnte im Widerspruch zur Judikatur des Obersten Gerichtshofs stehen.

[8] In seinem durch den Erwachsenenvertreter eingebrachten Revisionsrekurs beantragt der Betroffene, die angefochtenen Beschlüsse dahin abzuändern, dass auch der Antrag auf Abgabe der beabsichtigten Verzichtserklärung pflegschaftsbehördlich genehmigt werde, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[9] Der Betroffene persönlich hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

[10] Der Revisionsrekurs ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs des Rekursgerichts nicht zulässig und zeigt auch keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[11] 1.1. Gemäß § 258 Abs 4 ABGB bedürfen Vertretungshandlungen eines Erwachsenenvertreters in Vermögensangelegenheiten zu ihrer Rechtswirksamkeit der Genehmigung des Gerichts, sofern die Vermögensangelegenheit – wie hier – nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört; § 167 Abs 3 ABGB gilt sinngemäß.

[12] 1.2. Ein Rechtsgeschäft darf durch das Pflegschaftsgericht nur genehmigt werden, wenn der Abschluss im Interesse des Pflegebefohlenen liegt und somit seinem Wohl entspricht. Dies ist der Fall, wenn das Vermögen des Pflegebefohlenen vermehrt wird. Die genannte Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn eine Verminderung des Vermögens des Pflegebefohlenen nicht ausgeschlossen werden kann (RS0048176). Es sind aber nicht nur allein materielle Gesichtspunkte maßgebend, sondern auch die Interessen und Wünsche des Pflegebefohlenen, seine Befindlichkeit und seine konkreten Lebensumstände zu berücksichtigen (3 Ob 99/14a; 4 Ob 146/16y).

[13] 1.3. Bei der Prüfung der Genehmigungsfähigkeit einer Klage ist nicht unter Vorwegnahme des Zivilprozesses zu untersuchen, ob der Anspruch besteht, vielmehr ist unter Einbeziehung aller Eventualitäten lediglich das Prozessrisiko abzuwägen. Abzustellen ist darauf, ob in vergleichbaren Fällen ein verantwortungsbewusster gesetzlicher Vertreter den Klageweg beschreiten würde (RS0108029 [T1]). Dem Pflegschaftsgericht obliegt dabei die Prüfung, ob eine beabsichtigte Klagsführung im wohlverstandenen Interesse des Pflegebefohlenen liegt oder daraus mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Vermögensnachteil droht, etwa durch eine Belastung mit Prozesskosten (RS0108029 [T8]). Es ist zu prüfen, ob die konkret zu beurteilende Klage mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein wird (RS0048142 [T6]). Eine abschließende Beurteilung der Tat und Rechtsfrage ist hingegen nicht vorgesehen (RS0108029 [T9]).

[14] 1.4. Ob die Voraussetzungen für eine pflegschaftsbehördliche Genehmigung vorliegen, kann immer nur anhand des konkreten Einzelfalls beurteilt werden (RS0048176 [T2]). Auch ob ein Vergleich dem Wohl des Pflegebefohlenen entspricht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0112025). Bei dieser Prüfung ist daher in der Regel keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zu lösen (RS0048176 [T6]).

[15] 2.1. Der Revisionsrekurswerber geht in seinem Rechtsmittel selbst davon aus, dass die Beurteilung der Verjährungsfrage im Genehmigungsverfahren nicht zu erfolgen hat und eine Vermögensverminderung im Hinblick auf eine allenfalls vorliegende 30 jährige Verjährungsfrist im konkreten Fall nicht auszuschließen ist. Die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts zieht er insoweit nicht in Zweifel. Dass die Rekursentscheidung mit höchstgerichtlicher Rechtsprechung in Widerspruch stünde, wird im Revisionsrekurs nicht behauptet. Ein näheres Eingehen auf die dies in den Raum stellende Zulassungsbegründung des Rekursgerichts erübrigt sich daher (vgl RS0102059).

[16] 2.2. Als einziges Argument führt der Revisionsrekurs ins Treffen, die Genehmigung der Verzichtserklärung entspreche hier ausnahmsweise dem Wohl des Betroffenen, weil er bei Abgabe dieser Erklärung zeitnah und ohne gerichtliche Auseinandersetzung die Rückzahlung der erhöhten Familienbeihilfe vom Land Kärnten für die Jahre 2020, 2021 und 2022 erhalten würde, während er bei Versagen dieser Genehmigung die geleistete Familienbeihilfe ab Beginn der Heimunterbringung einklagen müsste, was mit erheblichem Prozesskostenrisiko verbunden wäre. Eine erhebliche Rechtsfrage zeigt der Revisionsrekurswerber damit nicht auf.

[17] 2.3. Im Rahmen Prüfung, ob die Genehmigung der Zustimmung zum „Antragsformular“ des Landes Kärnten dem Wohl des Betroffenen entspricht, weil er zwar auf (nicht unerhebliche) Ansprüche verzichtet, die Rückzahlung der zuviel geleisteten Beträge der letzten drei Jahre aber unverzüglich erhält, ist zu bedenken, dass ein verantwortungsbewusster gesetzlicher Vertreter bei Ablehnung des verlangten Verzichts nicht dazu gezwungen wäre, die zuviel geleisteten erhöhten Familienbeihilfebeträge für sämtliche Jahre ab der Unterbringung des Betroffenen zur Gänze einzuklagen. Sollte das Land Kärnten die Auszahlung der erhöhten Familienbeihilfebeträge für die Jahre 2020 bis 2022 tatsächlich auch bei Ablehnung der Verzichtserklärung verweigern, könnten diese auf Basis der höchstgerichtlichen Entscheidung 6 Ob 192/22m mit guten Erfolgsaussichten (und daher mit Kostenersatzanspruch) eingeklagt werden. Mit Abgabe der verlangten Verzichtserklärung würde der Betroffene hingegen jedenfalls endgültig seiner gesamten allfälligen Ansprüche vor 2020 verlustig gehen. Dass die Vorinstanzen die Genehmigung für die Verzichtserklärung versagten, ist daher nicht korrekturbedürftig (vgl 5 Ob 191/23h, 6 Ob 194/23g).

[18] 3. Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Rückverweise