3Ob28/24z – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*, vertreten durch Putz Rischka Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei B* Aktiengesellschaft, *, vertreten durch DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 726.238,31 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19. Dezember 2023, GZ 4 R 157/23x 42, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Der klagende Kreditschutzverband und die beklagte Bank schlossen im Dezember 2010 eine Vereinbarung, wonach der Kläger die Beklagte ab 1. Jänner 2011 in Privatinsolvenzverfahren ihrer Kunden vertreten sollte, wobei die Honorierung der Leistungen des Klägers nach einem „Erfolgstarif“, das heißt durch prozentuelle Beteiligung an den in diesen Insolvenzverfahren erlangten Quoten, vereinbart war. Dieser Vertrag wurde von der Beklagten unter Einhaltung der vereinbarten zweimonatigen Kündigungsfrist zum 30. April 2020 gekündigt.
[2] Gegenstand des Verfahrens sind die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf das Erfolgshonorar aus nach Beendigung des Vertrags an die Beklagte ausgeschütteten Quoten.
[3] Das Berufungsgericht bestätigte das der Klage stattgebende Urteil des Erstgerichts und ließ die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[4] In ihrer außerordentlichen Revision gelingt es der Beklagten nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen.
[5] 1. Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor.
[6] 1.1. Die Beklagte wirft dem Berufungsgericht eine unzulässige Überraschungsentscheidung vor, weil es, ohne dass dies zuvor im Verfahren erörtert worden wäre, davon ausgegangen sei, dass die Kündigung nur die (Rahmen )Vereinbarung vom Dezember 2010 betroffen habe, nicht aber auch die in der Folge erteilten Einzelmandate.
[7] 1.2. Dabei übersieht die Revisionswerberin , dass bereits das Erstgericht in seiner rechtlichen Beurteilung davon ausging, dass die Vereinbarung vom Dezember 2010 einen Rahmenvertrag darstelle, sich die Kündigungsklausel (nur) auf diesen Rahmenvertrag beziehe und keine Regelung dahin getroffen worden sei, welche Bedeutung die Kündigung des Rahmenvertrags für die einzelnen Mandate habe. Auch das Erstgericht ging also davon aus, dass sich die Kündigung der Beklagten unmittelbar nur auf den Rahmenvertrag bezogen habe. Eine (allenfalls) in dieser Rechtsansicht des Erstgerichts liegende Überraschungsentscheidung hat die Beklagte in ihrer Berufung jedoch nicht gerügt, sodass es dem Berufungsgericht jedenfalls verwehrt gewesen wäre, eine solche aufzugreifen. Vor diesem Hintergrund kann aber in der – insofern mit jener des Erstgerichts identen – Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Kündigung habe nur die Vereinbarung vom Dezember 2019 betroffen, keine unzulässige Überraschungsentscheidung erblickt werden.
[8] 2. Ein Rahmenvertrag oder Mantelvertrag unterscheidet sich vom Vorvertrag dadurch, dass er einen bereits gültigen Vertrag, einen Hauptvertrag, darstellt und nicht bloß zum Abschluss eines bestimmten Vertrags (oder mehrerer bestimmter Verträge), dessen wesentliche Punkte er selbst erfüllt, zwingt. Er liegt vor, wenn Parteien, die miteinander eine größere Anzahl gleichartiger oder ähnlicher Rechtsgeschäfte abschließen wollen, im Vorhinein den rechtlichen Rahmen, also bestimmte Bedingungen für künftige Einzelverträge, abstecken (wollen). Solche Rahmenvereinbarungen sind häufig mit Abnahmeverpflichtungen oder Lieferverpflichtungen gekoppelt (RS0019117 [T2]). Dass die Vorinstanzen die Vereinbarung vom Dezember 2010, die insbesondere den Umfang der vom Kläger zu erbringenden Leistungen und die Höhe des ihm gebührenden Erfolgshonorars für alle künftig von ihm zu bearbeitenden Fälle festlegte, als Rahmenvertrag qualifizierten, begründet keine als erhebliche Rechtsfrage aufzugreifende unrichtige Beurteilung.
[9] 3. Die von der Beklagten relevierte Frage, ob die Kündigung, wie von den Vorinstanzen angenommen, nur die Vereinbarung vom Dezember 2010 oder aber auch sämtliche dem Kläger auf dieser Grundlage übertragenen Fälle betraf, stellt sich hier im Ergebnis nicht. Selbst wenn man nämlich mit der Beklagten davon ausginge , dass die Kündigung nicht bloß den Rahmenvertrag betraf, könnte dies nichts daran ändern, dass die Vereinbarung vom Dezember 2010, wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, k eine Regelung der Frage enthält, ob bzw in welchem Umfang dem Kläger im Fall einer Vertragskündigung das vereinbarte prozentuelle Erfolgshonorar in Bezug auf die erst nach der Kündigung eingehenden Quotenzahlungen aus ihm vor der Vertragskündigung übertragenen „Altfällen“ zusteht.
[10] 4. Das von den Vorinstanzen erzielte Ergebnis, dass dem Kläger das gesamte eingeklagte Erfolgshonorar zusteht, stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar:
[11] 4.1. Bereits das Erstgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass der Eingang von Quotenzahlungen der Schuldner belegt , dass der Kläger in den betreffenden Insolvenzverfahren sämtliche von ihm geschuldeten (Vor )Leistungen (insbesondere Anlegen eines Akts, Forderungsanmeldung einschließlich Zahlung der gerichtlichen Pauschalgebühr, Vorbereitung auf die und Teilnahme an der Prüfungs und Zahlungsplantagsatzung) geleistet hat, kommt es doch erst nach Annahme eines Zahlungsplans (oder Einleitung des Abschöpfungsverfahrens) zu Zahlungen des Schuldners an die Gläubiger . Ausgehend davon hätte der Kläger aber bereits nach § 1020 ABGB Anspruch auf sein (volles) Honorar aus jenen Fällen.
[12] 4.2. Entgegen der Ansicht der Beklagten wäre ein Anspruch des Klägers bloß auf das Erfolgshonorar bezüglich der innerhalb der zweimonatigen Kündigungsfrist – also noch vor Wirksamwerden der Kündigung – eingehenden Quotenzahlungen kein angemessener Ausgleich für die von ihm erbrachten Vorleistungen, die typischerweise mehr oder weniger lange vor den Zahlungseingängen liegen. Der Argumentation der Beklagten könnte bestenfalls dann gefolgt werden, wenn ein Nachwirken der Honorarvereinbarung für einen bestimmten Zeitraum nach Wirksamkeit der Kündigung vereinbart worden wäre. In der Zeit zwischen der Zustellung der Vertragskündigung und der Vertragsbeendigung am 30. April 2020 hatte der Kläger hingegen auch noch die ihm in diesem Zeitraum übertragenen Fälle zu bearbeiten, also seine (Vor )Leistungen zu erbringen, ohne dass er mit dem Eingang irgendwelcher Quotenzahlungen aus jenen Verfahren vor Wirksamwerden der Kündigung rechnen konnte.
[13] 5. Soweit die Beklagte sich gegen die Anwendung der – nur auf ab dem 16. März 2013 geschlossene Verträge anwendbaren – Verzugszinsenregelung des § 456 UGB wendet, genügt der Hinweis, dass nach den Feststellungen sämtliche hier eingeklagten Forderungen aus nach diesem Stichtag erteilten Einzelaufträgen resultieren.