JudikaturOGH

14Os132/23b – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Februar 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Februar 2024 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. De Rijk in der Strafvollzugssache des L* D*, AZ 13 BE 132/23y des Landesgerichts Ried im Innkreis, über den Antrag des Genannten auf Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

[1] L* D* verbüßt derzeit eine mit Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Geschworenengericht vom 6. September 2013, AZ 20 Hv 21/13s, wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 12 zweiter Fall, 75 StGB über ihn verhängte Freiheitsstrafe von 18 Jahren. Nach dem auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil hat er im Zeitraum von September bis 26. Oktober 2012 in T* in drei Gesprächen * S* dazu bestimmt, R* D* zu töten, indem er zu ihm äußerte : „Ich mag und kann mit der Oma nicht mehr, sie muss weg“, „Es ist noch einmal wegen der Oma. Ich will nicht mehr und sie muss weg und darf nicht mehr zurückkommen, egal wie. Du musst mir dabei helfen. Wenn du es nicht tust, mach ich dir das Leben zur Hölle“, „Wegen der Sache, die wir eh schon besprochen haben, wäre der 26. gut, weil ich da den ganzen Tag unterwegs bin, weil ich da das Maturatreffen habe. So kann man mir nicht an. Dadurch habe ich dann praktisch ein Alibi“, „Schau, dass du es vertuschst“. „Du kennst dich eh im Haus aus. Du weißt, wo die Werkzeuge sind. Täusche einen Einbruch vor und schau, dass das hinhaut“.

[2] Mit Beschluss vom 30. August 2023, AZ 10 Bs 203/23h, gab das Oberlandesgericht Linz der Beschwerde des Strafgefangenen gegen den Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis als Vollzugsgericht vom 3. August 2023, GZ 13 BE 132/23y-18, mit dem dieses die bedingte Entlassung des Genannten nach Verbüßung der Hälfte der verhängten Freiheitsstrafe – gestützt auf generalpräventive Erwägungen – abgelehnt hatte, nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts richtet sich der am 12. Dezember 2023 beim Obersten Gerichtshof eingebrachte, nicht auf ein Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gestützte Antrag des L* D* auf Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a StPO.

[4] Unter Behauptung einer Verletzung von Art 5 iVm Art 13 MRK bringt der Erneuerungswerber vor, das Oberlandesgericht habe die Ablehnung seiner bedingten Entlassung aus der Freiheitsstrafe auf mehrere Jahrzehnte alte, infolge Gesetzesänderungen überholte Literatur und Kommentare gestützt und habe eine Auseinandersetzung mit dem „gegenwärtigen Meinungsstand“ abgelehnt.

[5] Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs schließt § 1 Abs 2 GRBG die Geltendmachung einer Verletzung des Rechts auf Freiheit (Art 5 MRK) im Zusammenhang mit der Verhängung und dem Vollzug von Freiheitsstrafen oder vorbeugenden Maßnahmen nicht nur durch Grundrechtsbeschwerde, sondern auch durch – gegenüber dieser subsidiären – Antrag auf Erneuerung des Verfahrens aus (RIS Justiz RS0123350 [insb T1 und T2]).

[6] Demgemäß kann die Entscheidung über die bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe unter dem Aspekt des Art 5 MRK (zur Akzessorietät des nach Art 13 MRK gewährleisteten Rechts auf wirksame Beschwerde vgl Grabenwarter/Pabel , EMRK 7 § 24 Rz 187 ff) nicht zum Gegenstand des Antrags nach § 363a Abs 1 StPO (im erweiterten Anwendungsbereich) gemacht werden.

[7] Unter dem Aspekt des Art 13 MRK bleibt anzumerken, dass dem Oberlandesgericht im gegenständlichen Beschwerdeverfahren betreffend die bedingte Entlassung des Erneuerungswerbers die volle Kognitionsbefugnis in Rechts- und Tatsachenfragen zukam (vgl § 89 Abs 2b StPO iVm § 17 Abs 1 Z 3 StVG). Im Übrigen hat das Beschwerdegericht – den Ausführungen des Erneuerungswerbers zuwider – die Ablehnung der bedingten Entlassung nicht auf überholte Literatur, sondern – unter Auseinandersetzung mit der Schwere der Tat im konkreten Fall – im Einklang mit § 46 Abs 2 StGB auf generalpräventive Erwägungen gestützt und daher eine Befassung mit der – „spezialpräventive Belange tangierenden“ – Stellungnahme der Justizanstalt sowie mit dem von der Beschwerde ins Treffen geführten „gegenwärtigen wissenschaftlichen Meinungsstand“ (ersichtlich gemeint: zur Bedeutung generalpräventiver Aspekte bei der Entscheidung über die bedingte Entlassung) für nicht erforderlich erachtet.

[8] Gestützt auf die Behauptung einer Verletzung von Art 8 iVm Art 14 MRK vermeint der Erneuerungswerber, das Oberlandesgericht wäre verpflichtet gewesen, sich mit seinem hohen Alter und seiner (geringen) Lebenserwartung auseinanderzusetzen, weil bei hochbetagten Personen im Rahmen einer Entscheidung nach § 46 „Abs 1“ StGB stets zu prüfen sei, ob die Ablehnung einer bedingten Entlassung gegen das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters verstoße.

[9] Damit verfehlt der Erneuerungswerber den in den Überlegungen des Beschwerdegerichts liegenden Bezugspunkt (vgl RIS Justiz RS0124359), weil Letzteres – wie zuvor wiedergegeben – die Ablehnung der bedingten Entlassung ausschließlich auf § 46 Abs 2 StGB gestützt und aus diesem Grund keine Aussagen zu den in § 46 Abs 1 StGB normierten spezialpräventiven Erwägungen traf.

[10] Der Erneuerungsantrag war daher bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 StPO).

Rückverweise