JudikaturOGH

9ObA95/23w – OGH Entscheidung

Entscheidung
Zivilprozessrecht
14. Februar 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions und Revisionsrekursgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Fichtenau als Vorsitzende, sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner und die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Stelzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Alexander Leitner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. K*, vertreten durch Körber Risak Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei S* GmbH, *, vertreten durch Schima Mayer Starlinger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 203.070,76 EUR sA, über die außerordentliche Revision und den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen das Urteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungs und Rekursgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 27. September 2023, GZ 8 Ra 69/23k, 8 Ra 70/23g 87, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

II. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

I. Zur außerordentlichen Revision der Beklagten:

[1] 1. Den Arbeitnehmern im Sinn des § 51 Abs 1 ASGG stehen sonstige nicht mit gewerblicher Heimarbeit beschäftigte Personen gleich, die, ohne in einem Arbeitsverhältnis zu stehen, im Auftrag und für Rechnung bestimmter Personen Arbeit leisten und wegen wirtschaftlicher Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnlich anzusehen sind (§ 51 Abs 3 Z 2 ASGG). Die Abgrenzung von arbeitnehmerähnlichen Personen im Sinn des § 51 Abs 3 Z 2 ASGG von den selbstständigen Unternehmern ist regelmäßig eine Frage des Einzelfalls (RS0085540). Mangels einer über den Anlass hinausreichenden Aussagekraft von Einzelfallentscheidungen ist die Revision nur dann zulässig, wenn dem Berufungsgericht bei seiner Entscheidung eine Fehlbeurteilung unterlaufen ist, die ausnahmsweise zur Wahrung der Rechtssicherheit einer Korrektur bedarf. Dies ist hier nicht der Fall .

[2] 2.1 Entscheidend ist das Merkmal der wirtschaftlichen Unselbstständigkeit und daher die Abhängigkeit von einem oder mehreren bestimmten, nicht aber von einer unbegrenzten, ständig wechselnden Anzahl von Unternehmern (vgl RS0086121; Neumayr in ZellKomm 3 § 51 ASGG Rz 13). Das Berufungsgericht ist bei der rechtlichen Beurteilung der entscheidenden Frage, ob der Klägerin eine arbeitnehmerähnliche Stellung im Sinn des § 51 Abs 3 Z 2 ASGG zukam, nicht von den Grundsätzen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen, sondern hat diese vielmehr dargelegt, auf den vorliegenden Fall angewendet und auf dieser Grundlage die wirtschaftliche Unselbstständigkeit der Klägerin bejaht (RS0086136 ua). Die für und gegen die Annahme eines arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisses sprechenden Umstände (vgl zu diesen Kriterien zB Neumayr in ZellKomm³ § 51 ASGG Rz 17 f) sind nicht einzeln, sondern in ihrer Gesamtheit zu beurteilen (RS0085541; RS0050842).

[3] 2.2 Entgegen den Revisionsausführungen hat das Berufungsgericht den Begriff der „wirtschaftlichen Abhängigkeit“ mit jenem der „wirtschaftlichen Unselbständigkeit“ im dargestellten Sinn nicht gleichgesetzt, es bejahte auch nicht eine „wirtschaftliche Abhängigkeit“ der Klägerin. Das Berufungsgericht berücksichtigte den Umstand, dass es sich bei der Zahlung eines vereinbarten monatlichen Fixbetrags um das einzige laufende Einkommen der Klägerin handelte, lediglich als einen von mehreren Faktoren.

[4] 2.3 Die Revisionswerberin macht geltend, es habe der Klägerin an einer Beschränkung der Bestimmungsfreiheit gefehlt (Fehlen einer „organisatorischen Komponente“). Einerseits handelt es sich auch dabei nur um einen von mehreren vom Berufungsgericht berücksichtigten Faktoren, dem für sich allein keine maßgebliche Bedeutung zukommt. Andererseits übergeht die Revisionswerberin mit ihrer Behauptung, die Klägerin habe seit 1. 1. 2016 dem ab diesem Zeitpunkt aus den zehn „Equity Partnern“ gebildeten obersten Leitungsgremium der Vorgängergesellschaft(en) der Beklagten angehört, die Feststellung, dass sie nur die Bezeichnung einer „Equity Partnerin“ trug. Der von Dr. G* entworfene „Syndikatsvertrag“ scheiterte. Das damit zusammenhängende „Binnenreglement“ wurde zwar per 1. 1. 2016 „in Vollzug gesetzt“, der Klägerin kam jedoch kein Stimmrecht über die Gewinnverteilung zu.

[5] 2.4 Mit dem von der Revisionswerberin angestellten Vergleich der Position der Klägerin mit jener eines Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft, dessen Stellung als arbeitnehmerähnlich von der Rechtsprechung verneint werde, zeigt sie schon deshalb keine Korrekturbedürftigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts auf, weil der Klägerin nach den Feststellungen zu keinem Zeitpunkt eine Organ oder Gesellschafterstellung in den Vorgängergesellschaften der Beklagten zukam.

[6] 2.5 Der Umstand, dass Rechtsprechung zu einem dem vorliegenden völlig gleichgelagerten Sachverhalt fehlt, bedeutet noch nicht, dass eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO vorliegt (RS0110702; RS0102181 [T12]). Dass die Klägerin, die aufgrund eigener Tätigkeit akquirierten Mandanten bei Verlassen der Sozietät ohne Entschädigung transferieren durfte, ändert nichts daran, dass sie nach den Ausführungen des Berufungsgerichts – die auch nach Ansicht der Revisionswerberin zutreffend auf dem unstrittigen Text des geplanten Syndikatsvertrags beruhen – ausschließlich für die Rechtsvorgängerinnen der Beklagten tätig war, denen die aufgrund ihrer Tätigkeit zu verrechnenden Honorare zuflossen.

II. Zum außerordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten:

[7] Mit Beschluss vom 8. 5. 2023 (berichtigt mit Beschluss vom 10. 5. 2023) bestätigte das Erstgericht die vorläufige Vollstreckbarkeit des von ihm gefällten Teilurteils im Umfang des Zuspruchs von „104.875 EUR zuzüglich USt sA“.

[8] Den Antrag der Beklagten vom 9. 5. 2023 auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung wies das Erstgericht mit Beschluss vom 15. 5. 2023 ab.

[9] Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss im Umfang der Abweisung des Antrags auf Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit hinsichtlich des Zuspruchs von 1.) 45.000 EUR zuzüglich 20 % USt sA unter dem Titel „Gewinnbeteiligung für das Jahr 2016“, 2.) weiteren 5.000 EUR zuzüglich 20 % USt sA unter dem Titel „Monatsbezug 11/2017“ und 3.) weiteren 17.500 EUR zuzüglich 20 % USt sA unter dem Titel „aliquoter Auszahlungsbetrag“. Im Umfang zweier weiterer Forderungen über 4.) weitere 36.875 EUR zuzüglich 20 % USt sA unter dem Titel „Bonusanspruch 2017“ und 5.) weiteren 500 EUR zuzüglich 20 % USt (aufgrund eines Rechenfehlers) hob es die Bestätigung der Vollstreckbarkeit des Teilurteils des Erstgerichts auf.

[10] Den Beschluss des Rekursgerichts ficht die Beklagte nur in seinem bestätigenden Umfang mit ihrem als „ außerordentlicher Revisionsrekurs “ bezeichneten Rechtsmittel an.

[11] Der „außerordentliche Revisionsrekurs“ ist unzulässig.

[12] Gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ist ein weiterer Rechtszug gegen eine zur Gänze bestätigende Rekursentscheidung – wenn wie hier kein Ausnahmefall nach dieser Bestimmung vorliegt – jedenfalls unzulässig. Dies gilt auch für Streitigkeiten in Arbeits und Sozialrechtssachen (RS0112314 [T6]). Hat das Rekursgericht über mehrere Gegenstände oder Ansprüche entschieden, die in keinem inneren Zusammenhang stehen, sondern jeweils für sich ein eigenes rechtliches Schicksal haben, sind sie, soweit es um ihre Anfechtbarkeit geht, gesondert zu beurteilen ( G. Kodek in Kodek/Oberhammer , ZPO ON § 528 Rz 39; RS0044257 [T61]). Dies ist hier der Fall, weil jede der einzeln geltend gemachten Klagepositionen ein verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann. Das sich nur gegen den bestätigenden Teil des angefochtenen Beschlusses richtende Rechtsmittel der Beklagten ist daher als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen.

[13] Kosten des Revisionsrekurses wurden nicht verzeichnet, weshalb eine Kostenentscheidung entfallen konnte.

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