JudikaturOGH

3Ob213/23d – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Januar 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S* GmbH, *, vertreten durch Bartl Partner Rechtsanwälte KG in Graz, gegen die beklagte Partei I* GmbH, *, vertreten durch Dr. Peter Zach und Dr. Reinhard Teubl, Rechtsanwälte in Bruck an der Mur, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 12. Oktober 2023, GZ 5 R 136/23v 25, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen gaben der Feststellungsklage statt und stellten fest, dass der zwischen der Klägerin und der Beklagten abgeschlossene Kooperationsvertrag vom 3. Februar 2021 samt Nachtrag vom 22. Februar 2021 aufrecht ist.

Rechtliche Beurteilung

[2] Mit der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[3] 1. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt – wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat – nicht vor. Ein bereits vom Berufungsgericht verneinter angeblicher Mangel des Verfahrens erster Instanz kann vom Obersten Gerichtshof nicht mehr geprüft werden (vgl RS0042963).

[4] 2.1. Zur behaupteten Sittenwidrigkeit des Kooperationsvertrags wegen angeblich überlanger Vertragsbindung hat die Beklagte schon im erstinstanzlichen Verfahren kein zielführendes Tatsachenvorbringen erstattet. Auch in der Berufung hat sie es in dieser Hinsicht bei der allgemeinen Darlegung ihrer Produktionsverhältnisse belassen. Die Ausführungen in der außerordentlichen Revision sind ebenfalls nur ganz allgemein gehalten, sodass mit diesen keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt werden kann.

[5] 2.2. Ob Sittenwidrigkeit vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls, die vom Obersten Gerichtshof nicht aufzugreifen ist, wenn das Berufungsgericht bei dieser Entscheidung die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens nicht überschritten hat (RS0042881 [T8]; 3 Ob 183/21i). Ausgehend von der bindenden Feststellung, dass der Vertragszeitraum von fünf Jahren wegen der von der Klägerin vorfinanzierten besonders hohen Anlaufkosten im siebenstelligen Bereich – ohne deren Aufbringung die betreffende Kuppelstange durch I* nicht produziert worden wäre – gewählt wurde, ist keine unsachliche Beschränkung der Vertragsfreiheit zu erkennen. Daran ändert auch der allgemeine Hinweis der Beklagten nichts, wonach sie in einer technischen Entwicklungen stark unterworfenen Branche mit hohem Konkurrenzdruck tätig sei. Dass die mit einem enormen technischen und finanziellen Aufwand entwickelte Kuppelstange schon nach einem (wesentlich) kürzeren Zeitraum als fünf Jahren nicht mehr dem aktuellen (Sicherheits-)Standard entsprechen würde, hat sie gerade nicht behauptet.

[6] 3.1. Die Beklagte will einen wichtigen Grund für die vorzeitige Vertragsauflösung aus der „latenten Gefahr einer Patentrechtsverletzung“ durch die Kuppelstange der Klägerin ableiten. Insofern lässt sie die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen unwidersprochen, dass Umstände, die im Zeitpunkt der Begründung des Dauerschuldverhältnisses bereits gegeben waren, nicht als Grundlage für eine vorzeitige Vertragsauflösung herangezogen werden können.

[7] 3.2. Davon abgesehen ist die Schlussfolgerung der Vorinstanzen, dass die von der Beklagten nur vage ins Treffen geführten „patentrechtlichen Bedenken“ jeder Grundlage entbehrten, keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kooperationsvertrags (Februar 2021) war von einer (prioritären) Patentanmeldung von S* noch nichts bekannt, zumal die Veröffentlichung dieser Anmeldung erst im September 2021 erfolgte. Zum Zeitpunkt der Auflösungserklärung der Beklagten (März 2022) bestanden iSd § 101 Abs 5 PatG, worauf das Berufungsgericht bereits unbeanstandet hinwies, jedenfalls noch keine Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche von S*. Am 1. Februar 2023 teilte das Europäische Patentamt diesem Unternehmen mit, dass die Patentanmeldung den Erfordernissen des Europäischen Patentübereinkommens nicht genüge und ein nicht auszuräumender Einwand bestehe. Dementsprechend wurde die Klägerin im Zusammenhang mit der Kuppelstange auch nie von S* oder sonstigen Dritten mit irgendwelchen Ansprüchen aus angeblichen Patentrechtsverletzungen konfrontiert. Entgegen der Behauptung der Beklagten bestand somit zu keinem Zeitpunkt die Gefahr, dass „S* die Produktion der Eisenbahnwaggons der Beklagten stoppe und den Betrieb der bereits ausgelieferten Waggons durch einstweilige Verfügungen unterbinde“.

[8] 4. Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

[9] 5. Der Klägerin steht f ür die ohne Freistellung eingebrachte Revisionsbeantwortung nach § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO kein Kostenersatz zu (RS0043690).

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