3Ob143/23k – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers W*, vertreten durch Raffling Tenschert Lassl Griesbacher Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Verfahrenshilfe (AZ 9 Nc 6/22i des Bezirksgerichts Krems an der Donau), über den Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau als Rekursgericht vom 25. Jänner 2023, GZ 1 R 195/22i 11, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
[1] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers gegen die Abweisung seines Verfahrenshilfeantrags nicht Folge und wies überdies seinen Antrag, die mit dem Rekurs erhobene Strafanzeige gegen die Erstrichterin gemäß § 78 StPO an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft weiterzuleiten und eine Anzeigenbestätigung gemäß § 80 StPO auszustellen, mangels Antragslegitimation des Antragstellers „ab“ (richtig: zurück).
[2] Nur gegen den zuletzt genannten Teil der Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Rekurs des Antragstellers mit dem Antrag, den Beschluss in diesem Umfang „mangels Rechtsgrundlage bzw infolge Nichtigkeit ersatzlos aufzuheben“.
Rechtliche Beurteilung
[3] Der Rekurs ist zulässig , aber nicht berechtigt .
[4] 1. Die im Rechtsmittel erklärte Ablehnung der Mitglieder des Rekurssenats wurde vom Ablehnungssenat des Landesgerichts Krems an der Donau mittels Aktenvermerks erledigt.
[5] 2. Das Landesgericht Krems an der Donau wurde bei der Entscheidung über den genannten Antrag funktionell als Erstgericht tätig, sodass dagegen der (Voll )Rekurs – jedoch mit den Rechtsmittelbeschränkungen des § 528 Abs 2 ZPO (vgl 3 Ob 104/23z mwN) – zulässig ist. Der Rechtsmittelausschluss des § 528 Abs 2 Z 4 ZPO gilt zwar ebenso für Entscheidungen der zweiten Instanz über die Verfahrenshilfe, wenn diese funktionell als Prozessgericht bzw in erster Instanz tätig wurde (RS0113116). Im vorliegenden Fall handelt es sich allerdings bei dem angefochtenen Beschlussteil nicht um eine Entscheidung „über die Verfahrenshilfe“ iSd § 528 Abs 2 Z 4 ZPO, sondern um eine solche (nur) aus Anlass eines Verfahrenshilfeantrags (vgl RS0105630 zur Zulässigkeit eines Rekurses gegen die Entscheidung über die Delegierung eines Antrags auf Bewilligung der Verfahrenshilfe).
[6] 3.1. Gemäß § 78 Abs 1 StPO ist eine Behörde oder öffentliche Dienststelle, der der Verdacht einer Straftat bekannt wird, die ihren gesetzmäßigen Wirkungsbereich betrifft, zur Anzeige an Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft verpflichtet.
[7] 3.2. Nach seinem klaren Wortlaut normiert § 78 Abs 1 StPO also bloß (unter bestimmten Voraussetzungen) eine Anzeigepflicht, nicht aber ein subjektives Recht einer Partei auf Erstattung einer Anzeige durch die Behörde. Eines solchen Antragsrechts bedarf es auch nicht, weil es nach § 80 Abs 1 StPO ohnehin jedermann freisteht, eine Anzeige (Sachverhaltsdarstellung) unmittelbar an die Staatsanwaltschaft (oder auch an die Kriminalpolizei) zu richten.
[8] 3.3. Im Übrigen ist die in § 78 StPO normierte Anzeigepflicht tendenziell restriktiv zu interpretieren, weil es nicht der Wille des Gesetzgebers war, Personen vorschnell durch Anzeigeverpflichtungen der Strafverfolgung auszusetzen. Eine Anzeigepflicht nach § 78 StPO setzt daher eine konkrete Verdachtslage aufgrund bestimmter Tatsachen voraus, wie sie für die Beschuldigtenstellung gefordert wird. Bloße Anhaltspunkte, die einen Anfangsverdacht herstellen können, lösen daher noch keine Anzeigepflicht aus; umso weniger bloße substratlose Hinweise, die nicht einmal für einen Anfangsverdacht genügen (vgl Schwaighofer in Fuchs/Ratz , WK StPO § 78 Rz 17). Die unsubstanziierten Ausführungen im Rekurs des Antragstellers gegen den erstgerichtlichen Beschluss konnten deshalb von vornherein keine Verpflichtung des Rekursgerichts zu einem Vorgehen nach § 78 StPO begründen.
[9] 4. Der Rekurs muss daher erfolglos bleiben.