12Ns71/23x – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Jänner 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Sadoghi in der Disziplinarsache gegen Rechtsanwalt Mag. * H*, AZ D 31/22 des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer, über die Anzeige der Ausgeschlossenheit der Anwaltsrichterin Dr. L* gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019 den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Anwaltsrichterin Dr. L* ist von der Entscheidung über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 11. April 2023, GZ D 31/22 (6 DV 24/22)-29, nicht ausgeschlossen.
Text
Gründe:
[1] Der Oberste Gerichtshof hat zu AZ 21 D s 10 /2 3t über d ie Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 11. April 2023, GZ D 31/22 (6 DV 24/22) 29, zu entscheiden.
[2] Nach dem Inhalt des diesem Erkenntnis zugrundeliegenden Schuldspruchs hat der Disziplinarbeschuldigte mit Schreiben vom 2. Juni 2022 nach Beendigung der anwaltlichen Vertretung von * R* die Herausgabe von Originalunterlagen zu einer Unterhaltsforderung verweigert und von der Zahlung zweier offener Kostennoten abhängig gemacht.
[3] Anwaltsrichterin Dr. L* ist Mitglied des zuständigen Senats. Sie zeigte ihre mögliche Ausgeschlossenheit mit der Begründung an, dass sie im Jahr 2018 im Auftrag von Prof. Mag. * B* (unter anderem) aus einer anwaltlichen Vertretung resultierende Schadenersatzansprüche gegen den Disziplinarbeschuldigten geltend gemacht und die Herausgabe von Unterlagen der Mandantin verlangt habe. Die Übernahme der Vertretung in dieser Angelegenheit habe sie gemäß § 25 RL BA 2015 der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer angezeigt.
Rechtliche Beurteilung
[4] Gemäß § 64 DSt iVm § 43 Abs 1 Z 3 StPO ist ein Richter vom gesamten Verfahren ausgeschlossen, wenn Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen. Die Bestimmungen über die Ausschließung stellen auf den äußeren Anschein ab. Entscheidend ist daher auch unter dem Aspekt des § 43 Abs 1 Z 3 StPO nicht die subjektive Ansicht des betroffenen Richters oder Ablehnenden, sondern die Frage, ob die äußeren Umstände geeignet sind, bei einem verständig würdigenden objektiven Beurteiler naheliegende Zweifel an der unvoreingenommenen und unparteilichen Dienstverrichtung zu wecken (vgl RIS Justiz RS0097086 [T5]; Lässig , WK StPO § 43 Rz 10 f mwN).
[5] Die pflichtgemäße Wahrnehmung der Interessen eines Mandanten gegen den Disziplinarbeschuldigten in einer anderen Sache und die Erfüllung von Pflichten nach der RL BA per se sind aber nicht geeignet, die Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit eines Anwaltsrichters in Zweifel zu ziehen (vgl zu wertungsmäßig gleichgelagerten Fällen bei Berufsrichtern RIS Justiz RS0096683 [gesetzeskonforme Erfüllung von Dienstpflichten] und RS0097017 [Verurteilung in einer anderen Strafsache]; allgemein Lässig , WK StPO § 43 Rz 12 und 21). Gründe iSd § 64 DSt iVm § 43 Abs 1 Z 3 StPO liegen daher nicht vor.