JudikaturOGH

9Ob57/23g – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Dezember 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fichtenau als Vorsitzende sowie die Hofräte und Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Mag. Waldstätten als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache der Betroffenen A*, über den Revisionsrekurs der Betroffenen, vertreten durch den gerichtlichen Erwachsenenvertreter VertretungsNetz Erwachsenenvertretung, *, dieser vertreten durch die Mag. Dr. Stephan Medwed Rechtsanwalts-Kommanditpartnerschaft in Klagenfurt am Wörthersee, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 24. August 2023, GZ 1 R 156/23w 173, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom 17. Mai 2023, GZ 29 P 46/09a 169, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen versagten die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der Abgabe einer Verzichtserklärung gegenüber dem Land Kärnten. Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs wegen Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zu.

[2] Mit ihrem Revisionsrekurs strebt die (durch einen gerichtlichen Erwachsenenvertreter und den von diesem bevollmächtigten Rechtsanwalt vertretene) Betroffene die Genehmigung der Rechtshandlung an.

[3] Der Akt ist aus folgenden Erwägungen dem Erstgericht zurückzustellen:

Rechtliche Beurteilung

[4] 1. Die verfahrensrechtlichen Bestimmungen über die Genehmigung einer Rechtshandlung in Vermögensangelegenheiten finden sich in § 132 AußStrG, somit im 10. Abschnitt des II. Hauptstücks des AußStrG unter der Überschrift „Vermögensrechte von Personen unter gesetzlicher Vertretung“. Nach § 139 Abs 1 AußStrG sind der vertretenen Person sämtliche Beschlüsse über die nach dem 10. Abschnitt des II. Hauptstücks des AußStrG (§§ 132 bis 138 AußStrG) getroffenen Maßnahmen zuzustellen. § 116a AußStrG findet sinngemäße Anwendung, weil auch Verfügungen nach diesem Hauptstück (zB Genehmigungen von Rechtshandlungen in der Vermögenssorge) die vertretene Person – wie Erwachsenenschutzverfahren – unmittelbar in ihrer Rechtssphäre berühren. Sie soll daher stets als verfahrensfähig gelten und Adressat der gerichtlichen Zustellungen sein (ErläutRV 1461 BlgNR 25. GP 76). Die betroffene (= vertretene) Person ist demgemäß Partei des Verfahrens nach § 132 AußStrG, ihr ist rechtliches Gehör zu gewähren (2 Ob 126/22a).

[5] 2. Gemäß § 116a AußStrG kann die betroffene Person im Erwachsenenschutzverfahren unabhängig von ihrer Verfahrensfähigkeit Verfahrenshandlungen vornehmen. Sie kann daher im gesamten Verfahren selbständig Anträge stellen und Rechtsmittel erheben. Ein Vertreter bzw Rechtsbeistand (vgl § 119 AußStrG) schränkt die Möglichkeit der betroffenen Person nicht ein, im Verfahren selbständig zu handeln. Damit schließt der in § 119 AußStrG geschaffene Vertretungszwang die Fähigkeit der betroffenen Person, eigene Verfahrenshandlungen neben dem Vertreter vorzunehmen, nicht aus (3 Ob 87/19v; 8 Ob 120/20k).

[6] 3. Somit steht der betroffenen bzw vertretenen Person in einem Verfahren nach § 132 AußStrG nicht nur ein eigenes Rechtsmittelrecht, sondern auch ein Recht auf Einbringung einer Rechtsmittelbeantwortung zu (2 Ob 126/22a).

[7] 4. Das Erstgericht wird daher den Revisionsrekurs an die Betroffene zur allfälligen Einbringung einer Revisionsrekursbeantwortung zuzustellen haben, wobei die Betroffene darüber zu belehren sein wird, dass sie sich im (ihre Vermögensrechte betreffenden) Revisionsrekursverfahren gemäß § 6 Abs 2 iVm § 65 Abs 3 AußStrG durch einen Rechtsanwalt oder Notar vertreten lassen muss.

[8] 5. Erst nach Einlangen einer Rechtsmittelbeantwortung bzw nach fruchtlosem Ablauf der hierfür offenstehenden Frist wird der Akt neuerlich dem Obersten Gerichtshof vorzulegen sein.

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