5Ob180/23s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. Gruppenpraxis * OG, *, 2. Dr. U*, 3. Dr. M*, alle vertreten durch die HULE BACHMAYR HEYDA NORDBERG Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die übrigen Mit und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ * KG 0* als Antragsgegner, darunter 20. J*, vertreten durch MMag. Maria Leinschitz, Rechtsanwältin in Wien, und 24. Dr. B*, vertreten durch Dr. Johannes Hebenstreit, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen § 52 Abs 1 Z 2 iVm § 16 Abs 2 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 12. April 2023, GZ 39 R 52/23w 40, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen .
Text
Begründung:
[1] Die Parteien sind die Mit und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft in Wien.
[2] Die Erstantragstellerin ist Wohnungseigentümerin der im Erdgeschoß gelegenen Wohnungseigentumsobjekte Lokal 1, Lokal 2 und L okal 3; die Zweitantragstellerin ist Wohnungseigentümerin des im ersten Stock über jenen der Erstantragstellerin gelegenen Wohnungseigentumsobjekts Ordination 5 und d er Drittantragsteller ist Wohnungseigentümer de s ebenfalls im ersten Stock über jenen der Erstantragstellerin gelegenen Wohnungseigentumsobjekts W 6. Die den Objekten Ordination 5 und W 6 zugeordneten Kellerabteile und das dem Objekt Lokal 3 zugeordnete Lager befinden sich im Keller/Untergeschoß.
[3] Die Antragsteller haben ihre Wohnungseigentumsobjekte im Unter und Erdgeschoß sowie im ersten Stock im Zug des Umbaus der Ordination zusammengelegt. Gegenstand des Verfahrens ist d er auf § 16 Abs 2 WEG gestützte Antrag der Antragsteller, die übrigen Wohnungseigentümer zur Duldung der mit diesem Umbau verbundenen Änderungen zu verpflichten. Diese Änderungen konkretisierten sie durch den Verweis auf ein nach Datum und Geschäftszahl spezifiziertes Bauansuchen und eine (nicht abschließende) Aufzählung und Beschreibung einzelner Maßnahmen. Eine d ieser Änderungen betraf den Einbau eines internen Personenaufzugs, der vom Untergescho ß von Lokal 3 über das Erdgescho ß des Lokals 3 ins erste Obergeschoß zu den Ob jekten Ordination 5 und W 6 führt.
[4] Das Erstgericht genehmigte den Großteil der mit dem Umbau verbundenen Änderungen. In Bezug auf den Einbau des Personenaufzugs wies das Erstgericht den Antrag hingegen ab; nur dieses Teilbegeh ren ist Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens.
[5] Das Erstgericht begründete die Abweisung damit, dass der Personenaufzug die Wohnungseigentumsobjekte unterschiedlicher Wohnungseigentümer miteinander verb i nde. D ie Zustimmung zu einer solchen Zusammenlegung von Wohnungseigentumsobjekten könne nicht erteilt werden, wenn dadurch ein Gesamtobjekt geschaffen werde, an dem zwei unterschiedlichen Personen ohne Begründung einer Eigentümerpartnerschaft Rechte zukämen. Dies widerspreche dem Grundsatz der Unteilbarkeit des Mindestanteils. D er Umstand, dass durch diese Verbindung die Selbstständigkeit der einzelnen Objekte verloren gehe, bewirke auch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Eigentümer.
[6] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. D ie Antragsteller machten in ihrem Rekurs geltend, dass die fehlende Eigentümeridentität der durch den Personenaufzug geschaffenen Verbindung vom Untergeschoß ins Erdgeschoß nicht im Weg stehe, weil sich der Aufzug insoweit innerhalb de s Lokals 3 befinde; der Antrag sei daher zumindest in diesem Ausmaß zu bewilligen gewesen. I m Verfahren in erster Instanz hätten d ie Antragsteller jedoch die Bewilligung der Veränderungen anhand des durch D atum und G eschäftszahl spezifizierten Bauansuchens, sohin eines Gesamtkonzepts, beantragt. Dieses Gesamtkonzept beinhalte den Einbau eines Personenaufzugs vom Untergeschoß in das erste Obergeschoß. Dass auch ein Interesse der Antragsteller an einer bloß teilweisen Bewilligung des Aufzugs vom Untergeschoß ins Erdgeschoß bestanden hätte, hätten sie im erstinstanzlichen Verfahren nicht vorgebracht. Das Vorbringen, dass der Aufzug teilweise zu genehmigen sei, widerspreche daher dem Neuerungsverbot.
[7] Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 10.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[8] D er außerordentliche Revisionsrekurs de r Antragsteller zeigt keine Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG auf.
[9] 1. Mehrere bauliche Veränderungen sind grundsätzlich in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen und nicht für sich zu beurteilen (5 Ob 222/19m; 5 Ob 38/19b mwN). Die gesonderte Beurteilung einzelner Änderungen ist (nur) zulässig, wenn diese in keinem untrennbaren Zusammenhang stehen. Das trifft zu, wenn die angestrebten Maßnahmen objektiv voneinander trennbar sind und der änderungswillige Wohnungseigentümer, der die Ersetzung der Zustimmung zu den einzelnen trennbaren Änderungen begehrt, eindeutig zum Ausdruck bringt, auch an einer teilweisen Stattgebung interessiert zu sein (5 Ob 222/19m; 5 Ob 38/19b mwN; vgl auch RIS Justiz RS0083040).
[10] Die Teilbarkeit eines Antrags und die Möglichkeit des Zuspruchs eines „Minus“ setzt in der Regel eine präzise Fassung von Eventualbegehren mit jeweils entsprechendem Tatsachenvorbringen voraus (5 Ob 222/19m mwN). Maßgeblich ist dabei der objektive Erklärungswert der entsprechenden Prozesshandlung. Es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrens zwecks und der dem Gericht und Gegner bekannten Verfahrens und Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Der objektive Erklärungswert ist dabei stets nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und wirft daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage auf. Nur grobe Fehlbeurteilungen sind vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen (5 Ob 222/19m; 5 Ob 63/18b mwN).
[11] 2. Eine solche F ehlbeurteilung ist dem Rekursgericht hier nicht unterlaufen. D ieses vertrat die Auffassung, dass der im Antragsbegehren – neben anderen aus dem maßgeblichen Bauansuchen „insbesondere“ herausgegriffenen Änderungen – in einem eigenen Punkt genannte Einbau eines Personenaufzugs in seiner Gesamtheit als eine Änderung zu beurteilen ist. Auf Basis des erstinstanzlichen Vorbringens der Antragsteller und angesichts der konkreten Formulierung dieses Punktes des Antragsbegehrens („Einbau eines internen Personenaufzuges vom Untergeschoss von Lokal Top 3 über das Erdgeschoss von Lokal Top 3 in das erste Obergeschoss zur Ordination Top 5 und Wohnung Top 6 mit den Dimensionen laut Bauanzeige, und zwar insbesondere […] iii. drei Haltestellen: UG, EG, OG 1; iv. Förderhöhe ca. 11,56 m […]) ist diese Beurteilung des Rekursgerichts nicht zu beanstanden. Allein der Umstand, dass der Personenaufzug insofern objektiv „trennbar“ sein mag, als die technische Möglichkeit besteht, diesen auch nur im Inneren des einen Wohnungseigentumsobjekts und nur vom Kellergeschoß in das Erdgeschoß zu führen, bedeutet noch nicht, dass diese Maßnahme nicht im Hinblick auf den konkreten Antrag rechtlich in einem untrennbaren Zusammenhang stehen. Nach der Rechtsprechung des Fachsenats hätten die änderungswilligen Antragsteller vielmehr etwa durch Fassung eines Eventualbegehrens mit einem entsprechendem Tatsachenvorbringen eindeutig zum Ausdruck bringen müssen, auch an der Genehmigung einer bloßen Teilausführung des Personenaufzugs interessiert zu sein. Der mögliche Umstand, dass kein Hinweis auf das Gegenteil vorliegt, also kein Hinweis darauf, dass die Antragsteller an der Errichtung eines Personenaufzugs vom Kellergeschoß in das Erdgeschoß kein Interesse hätten, genügt nicht. Entgegen der Behauptung der Revisionsrekurswerber ist das Interesse auch an einer bloß teilweisen Bewilligung nämlich keineswegs evident und selbsterklärend.
[12] 3. Der Revisionsrekurs war daher mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.