6Ob192/23p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Mag. Dr. Alfred Pressl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei L*, vertreten durch Dr. Harald Friedl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 113.834,21 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 22. August 2023, GZ 40 R 84/23h 53, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Die Lösung der Frage, ob mehrere in Bestand gegebene Objekte nach dem Parteiwillen eine einheitliche Bestandsache bilden, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab und stellt in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage dar (RS0020405 [T7]; siehe auch 5 Ob 144/08z [ErwGr 4.1.]). Gegenseitiges Erforderlichsein oder Nützlichsein mehrerer Objekte stellt eine objektive Gemeinsamkeit dar, die den (allerdings widerleglichen) Schluss auf die Parteienabsicht zulässt (5 Ob 102/01p mit Verweis auf das Beispiel der Verbindung einer Gastwirtschaft mit einer Wohnung im selben Haus; vgl auch 5 Ob 144/08z; RS0020405 [T9]; RS0014368). Dies gilt grundsätzlich sogar für den Fall, dass Mietverträge über verschiedene Bestandobjekte (anders als hier) zu verschiedenen Zeitpunkten (sukzessive) geschlossen werden (vgl 6 Ob 182/04i [Einheitlichkeit bejahend bei gegenseitigem Erforderlich oder Nützlichsein der einzelnen Bestandsachen schon aufgrund des festgestellten Verwendungszwecks: Garderoberaum und Lagerraum]).
[2] 2. Der Beklagten ist darin Recht zu geben, dass eine ihrem Wortlaut nach unstrittige Urkunde der Entscheidung ohne Weiteres zugrunde gelegt werden kann (RS0121557 [T3]), sodass der Wortlaut der im Verfahren vorgelegten, insoweit unstrittigen schriftlichen Mietverträge bei der Entscheidung berücksichtigt werden kann. Ein sekundärer Feststellungsmangel, wie ihn die Beklagte behauptet, liegt dann aber gerade nicht vor.
[3] 3. Auch bei Berücksichtigung der in der Berufung von der Beklagten (und daher auch vom Berufungsgericht) nicht angesprochenen, aber nun in der Revision relevierten Umstände, dass bei zwei Objekten als auflösende Bedingung die Pflicht des Mieters, binnen bestimmter Frist eine etwa erforderliche Gewerbeberechtigung und eine allenfalls notwendige Betriebsanlagengenehmigung zu erwirken, enthalten war (während dies beim dritten [einen Stock tiefer gelegenen] Objekt „R1“ nicht der Fall war), kann die Beklagte eine krasse Fehlbeurteilung (die die Revision auch im Einzelfall zulässig machte) nicht ansprechen. Daran vermag auch ihr Verweis auf die zu 10 Ob 504/96 ergangene Entscheidung nichts zu ändern. Das Berufungsgericht hat – anders als ihm vorgeworfen – sehr wohl auf den Parteiwillen, „wie er bei Vertragsschluss vorlag“, abgestellt. Es hat lediglich aus den im zeitlichen Konnex mit dem Vertragsschluss gestandenen einvernehmlichen Umbau-maßnahmen (mit einer großzügigen Art der Verbindung der Objekte miteinander, auch über Deckenöffnung mit großer Stahlbetonstiege [Verkaufsräume und Magazin]) auf den damaligen Parteiwillen im Sinne einer einheitlichen Bestandsache geschlossen. Dass bei der Vertragsauslegung auch das dem Abschluss vorangehende oder nachfolgende Verhalten der Vertragspartner zur Beurteilung der Parteiabsicht heranzuziehen sein kann, entspricht schon bisheriger Rechtsprechung (RS0017815; vgl auch RS0110838).
[4] Eine zwingend andere Sichtweise, nämlich im Sinne von voneinander unabhängigen, rechtlich nicht miteinander in Verbindung stehenden vermieteten Einzelobjekten, ergibt sich trotz der Ergänzung der Mietverträge durch die oben genannte auflösende Bedingung nur bei zwei Objekten (jenen im Erdgeschoss, die zum selben Geschäftszweck vermietet, von denen aber nur eines von der Straße her zugänglich war), nicht aber auch bei dem im Keller gelegenen, bei der hier erforderlichen Gesamtbetrachtung insbesondere nicht, wenn man neben der Nützlichkeit/Erforderlichkeit füreinander auch noch den Vertragsschluss am selben Tag und die einvernehmliche, zeitnahe und großzügige Verbindung der Objekte miteinander berücksichtigt.
[5] 4. Zuletzt kommt dazu, dass die durch Wassereintritte hervorgerufene und von (dem im Keller gelegenen Objekt) „R1“ ausgehende massive Geruchsbelästigung (deren Behebung die Beklagte trotz Aufforderung durch die Klägerin verweigerte) auch in den (im Erdgeschoß gelegenen) Räumlichkeiten „R6 und R7“ – wenn auch nicht so intensiv wie in „R1“ – wahrnehmbar war, was die Beklagte bei ihrer Argumentation zur (angeblich überhöhten) Mietzinsminderung aber offenbar völlig ausblendet.