JudikaturOGH

6Ob106/23s – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. November 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R* OG, FN *, vertreten durch Dr. Maria Lisa Aidin, MAS, LL.M., Rechtsanwältin in Salzburg, gegen die beklagte Partei Mag. A* P*, vertreten durch Dr. Wolfgang Riha, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterfertigung eines Vertrags, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 22. Dezember 2022, GZ 5 R 111/22s 191, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 22. Februar 2022, GZ 11 Cg 33/13s 185, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss des Berufungsgerichts wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 22.287,92 EUR (darin enthalten 15.263 EUR an Barauslagen und 1.170,82 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Der Immobilienentwickler * L* erfuhr von der im Jahr 2008 bevorstehenden Zwangsversteigerung einer Liegenschaft in G*. Er wollte die Liegenschaft nicht selbst ersteigern, hatte aber Interesse daran, diese in den Einflussbereich seiner Familienmitglieder und seines Freundes DI * R* (die späteren Gesellschafter der Klägerin) zu bekommen. Da diese nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügten, wandte sich L* an den Beklagten und fragte diesen, ob er sich an der Ersteigerung beteiligen wolle. Der Beklagte war an einem Erwerb zum Zweck seiner Pensionsvorsorge interessiert. Noch vor dem Versteigerungstermin erfuhr der Beklagte, dass er die Liegenschaft mangels Bonität des DI * R* je zur Hälfte mit dessen Mutter Mag. * R* ersteigern solle, die auch das Vadium erlegen werde. Damit war der Beklagte einverstanden. Er verhandelte mit einer Bank den Kreditvertrag, bei dem er und Mag. * R* Mitkreditnehmer wurden.

[2] Zu keinem Zeitpunkt erw ähnte * L* vor dem bzw bis zum Versteigerungstermin in einem persönlichen Gespräch gegenüber dem Beklagten, dass dieser einen Teil der in seinem eigenen Namen zu ersteigern beabsichtigten Liegenschaftshälfte für andere, konkret nicht benannte Personen (wie die späteren Gesellschafter der Klägerin) auf deren Rechnung bloß treuhändig halten sollte. Eine derartige Treuhandvereinbarung schloss der Beklagte weder mündlich noch schriftlich mit Dritten oder * L* ab noch erklärte er seine Zustimmung, den im eigenen Namen zu ersteigern beabsichtigten Liegenschaftshälfteanteil bloß auf Rechnung Dritter (treuhändig) zu erwerben bzw zu halten. Zu keinem Zeitpunkt hatte der Beklagte vor oder bei der Ersteigerung in seinem Namen den Willen oder die Absicht den von ihm zu erwerben beabsichtigten Anteil an der Liegenschaft treuhändig für Dritte oder auf deren Rechnung zu halten; derartiges kommunizierte er auch nicht. Mit den späteren Gesellschaftern der Klägerin sprach der Beklagte auch gar nicht über den Erwerb der Liegenschaft oder ein auf diese Liegenschaft bezogenes Treuhandverhältnis (oder ein „Innen- oder Außenverhältnis“), sodass ihm nicht klar war, dass er nach dem Plan des * L* im „Innenverhältnis“ nur zu einem Drittel (wirtschaftlicher) Eigentümer der Liegenschaft und im „Außenverhältnis“ grundbücherlicher Hälfteeigentümer werden sollte.

[3] Der Beklagte und Mag. * R* erhielten beim Versteigerungstermin im Oktober 2008 jeweils zur Hälfte den Zuschlag für die Liegenschaft um das Meistbot von 1.870.000 EUR, wobei Mag. * R* beim Versteigerungstermin rechtsfreundlich vertreten war und der Beklagte im eigenen Namen auftrat. In der Folge wurde das jeweilige Hälfteeigentum an der Liegenschaft im Grundbuch einverleibt. Etwa sechs Wochen nach der Versteigerung erhielt der Beklagte eine E-Mail von * L*, der ein Word Dokument angeschlossen war. Das Word Dokument beinhaltete diverse Ideen von * L* zur Entwicklung mehrerer Immobilien, unter anderem der gegenständlichen Liegenschaft. Folgende Passage war darin in Bezug auf diese Liegenschaft zu lesen: „ Käufer: [Beklagter] und Mag. * R* im Außenverhältnis Im Innenverhältnis ist es je 1/3 [Beklagter], 1/3 DI R*, 1/3 R*, S*, S*, H*“. Der Beklagte antwortete darauf wie folgt: „ Dies kann ich mir so nicht vorstellen, da * R* und ich mit Unterfertigung des Vertrages plötzlich nur mehr statt der Hälfte ein Drittel des Hauses besitzen. Kreditnehmer sind wir zur ungeteilten Hand. [...] Ich ersuche um konstruktive Ideen in diesem Sinne.“ Weitere Gespräche oder gar Vereinbarungen hierüber gab es in weiterer Folge zwischen dem Beklagten und * L* nicht.

[4] Nach der Unterzeichnung des Kreditvertrags fand ein gemeinsamer Termin statt, bei dem auf Wunsch von Mag. * R* eine Urkunde zu ihrer finanziellen Absicherung aufgrund des in ihrem Namen ersteigerten Hälfteanteils und des von ihr übernommenen Kredits unterschrieben werden sollte. * L* hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eine undatierte Urkunde verfasst, mit der die späteren Gesellschafter der Klägerin erklärten, Mag. * R* schad und klaglos zu halten, und sich diese verpflichtete, hinsichtlich ihres Liegenschaftsanteils eine Treuhandvereinbarung mit den späteren Gesellschaftern der Klägerin einzugehen. Daneben enthielt die Urkunde Vereinbarungen über ein Teilungsverbot sowie über die Veräußerung und die Rechtsnachfolge betreffend die Liegenschaftsanteile. * L* forderte den Beklagten auf, die Urkunde ebenfalls zu unterzeichnen. Als der Beklagte sich weigerte, teilte ihm * L* mit, dass er zumindest als „Zeuge ohne Verpflichtung“ unterfertigen sollte. Dies tat der Beklagte dann auch und fügte oberhalb seiner Unterschrift den Text „als Zeuge ohne Verpflichtung“ hinzu, womit er nur bestätigten wollte, dass er bei der Unterfertigung anwesend war. Eine (Treuhand oder sonstige) Verpflichtung wollte der Beklagte damit jedenfalls nicht eingehen; eine derartige Vereinbarung mit dem Beklagten oder ein kommuniziertes Einverständnis des Beklagten zu Verpflichtungen wie in dieser Urkunde enthalten gab es weder mündlich noch schriftlich. Bereits mit Schreiben seiner ehemaligen Rechtsvertreterin vom April 2012 an die späteren Gesellschafter der Klägerin erklärte der Beklagte unter anderem, dass die in den vorangegangenen Jahren behaupteten Treuhandverhältnisse jeder Grundlage entbehrten, und forderte die nunmehrigen Gesellschafter der Klägerin auf, die Behauptung von Ansprüchen aus einer Treuhandschaft zu unterlassen.

[5] Die Klägerin wurde im Dezember 2012 errichtet. Bei der Gründung vereinbarten die Gesellschafter mündlich die Übertragung sämtlicher Rechte und Forderungen in Bezug auf das anteilige Eigentum an der Liegenschaft auf die Klägerin. Mit Übergabsvertrag vom Februar 2013 übertrug Mag. * R* ihren Hälfteanteil an der Liegenschaft an die Klägerin, was auch im Grundbuch eingetragen wurde.

[6] Mit E Mail vom Mai 2013 forderte die Klägerin den Beklagten zur Unterfertigung eines gleichzeitig von ihr übermittelten, als „Übergabsvertrag“ bezeichneten Vertrags auf, mit dem der Beklagte der Klägerin einen Sechstelanteil der Liegenschaft übereignen sollte. Der ein Treuhandverhältnis weiterhin bestreitende Beklagte kam dieser Aufforderung nicht nach.

[7] Die Klägerin begehrt, gestützt auf eine entsprechende Treuhandvereinbarung mit dem Beklagten, die Unterfertigung dieses „Übergabsvertrags“, in eventu den Beklagten zu verpflichten, ihr das Eigentumsrecht zu einem Sechstel der Liegenschaft einzuräumen.

[8] Der Beklagte wendete ein, es habe zu keinem Zeitpunkt ein Treuhandverhältnis bestanden oder sei eine Treuhandvereinbarung geschlossen worden. Er habe den Hälfteanteil im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erworben.

[9] Das Erstgericht wies Haupt- und Eventualbegehren ab. Eine von der Kl ägerin beantragte Unterbrechung des Verfahrens „zur Prüfung eines allfälligen strafrechtlichen Verhaltens des Beklagten“ wegen (behaupteter) wesentlich geänderter Aussagen lehnte es als weder geboten noch nach unmittelbarer Aufnahme der Beweise durch das erkennende Gericht und Entscheidungsreife vor Schluss der Verhandlung zweckmäßig ab.

[10] Von der Einvernahme des von der Klägerin beantragten Zeugen * L* nahm das Erstgericht nach Fassung eines Präklusionsbeschlusses gemäß § 335 Abs 1 ZPO Abstand. Im erstinstanzlichen Verfahren wurde der Zeuge zur Tagsatzung vom 28. 3. 2019 geladen. Zu dieser erschien der Zeuge nicht, weshalb das Erstgericht über ihn eine Ordnungsstrafe verhängte. Am selben Tag wurde bei der Einlaufstelle des Erstgerichts eine ärztliche Arbeitsunfähigkeits bestätigung des Zeugen wegen Krankheit mit Beginn der Arbeitsunfähigkeit ab 28. 3. 2019 überreicht und diese nach der Tagsatzung zum Protokoll genommen. Zur nächsten Tagsatzung vom 5. 9. 2019 erschien der geladene Zeuge abermals nicht, weshalb das Erstgericht über ihn eine weitere (verdoppelte) Ordnungsstrafe verhängte. Ü ber Antrag des Beklagten, dem die Klägerin entgegentrat, befristete das Erstgericht die Aufnahme dieses Zeugenbeweises mit der nächsten Tagsatzung. Eine anwesende Gesellschafterin der Klägerin gab bekannt, dass sie eine Nachricht des Zeugen bekommen habe , wonach er eine Arbeitsunfähigkeits bestätigung bzw Krankmeldung habe. Am selben Tag wurde bei der Einlaufstelle des Erstgerichts eine ärztliche Arbeitsunfähigkeits bestätigung des Zeugen wegen Krankheit (mit Arbeitsunfähigkeit ab 5. 9. 2019) überreicht . Die nächste Tagsatzung vom 10. 12. 2020 wurde abberaumt, weil sich der Zeuge und der weitere geladene Zeuge unter Hinweis auf die bestehende gesundheitliche Gefährdungssituation infolge Covid 19 entschuldigt hatten. Mit Note vom 9. 12. 2020 wies das Erstgericht den Zeugen darauf hin, dass er beantragen könne , unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel zur Wort und Bildübertragung in der mündlichen Verhandlung vernommen zu werden, wenn er eine erhöhte Gesundheitsgefährdung durch Covid 19 für sich bescheinige, und forderte ihn zu einer entsprechenden Bescheinigung und Antragstellung auf. Nachdem der Zeuge eine Videoeinvernahme abgelehnt hatte, forderte ihn das Erstgericht mit Note vom 15. 1. 2021 neuerlich unter Hinweis auf § 3 Abs 2 1. COVID 19 Justiz Begleitgesetz auf, binnen 14 Tagen bekannt zu geben, ob er einen solchen Antrag stelle, wobei diesfalls die Voraussetzung der erhöhten Gesundheitsgefährdung durch C ovid 19 zu bescheinigen seien. Am 29. 11. 2021 wurde der Zeuge zur Tagsatzung am 19. 1. 2022 zum Zwecke seiner Einvernahme geladen. Mit am 12. 1. 2022 eingebrachter Eingabe berichtete der Zeuge von einer Schädeloperation wegen Gehirnblutungen und entschuldigte sich für sein Fernbleiben von der kommenden Tagsatzung am 19. 1. 2022; mit einer Besserung, die eine Zeugenaussage ermögliche, sei Ende Februar/Anfang März 2022 zu rechnen. Er ersuchte die gesamte Tagsatzung auf einen Zeitpunkt nach Ende der aktuellen Covid 19 Krise zu verlegen. Am 17. 1. 2022 wurde bei der Einlaufstelle eine ärztliche Bestätigung eingebracht, wonach der Zeuge am Gerichtstermin vom 19. 1. 2022 aufgrund von Krankheit nicht teilnehmen könne. Zur Tagsatzung am 19. 1. 2022 kam der Zeuge nicht. Die Klägerin legte den Befund eines Krankenhauses über die erfolgte Gehirnblutung des Zeugen sowie eine Krankmeldung des Zeugen ab 15. 11. 2021 vor und brachte vor, eine Besserung des Zustands des Zeugen und dessen Vernehmungsfähigkeit seien mit Ende Februar/Anfang März zu erwarten. D er Beklagte beantragte, das Verfahren unter Abstandnahme von der Einvernahme des Zeugen fortzusetzen. Die Klägerin trat dem entgegen. Das Erstgericht beschloss die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme von der Einvernahme des Zeugen und schloss die Verhandlung.

[11] Die Präklusion des Zeugenbeweises begründete es damit, dass der Zeuge vier Mal nicht zu seiner Einvernahme als Zeuge erschienen und seine Vernehmung vier Mal vergeblich – auch aufgrund der vom Zeugen behaupteten Gefährdung mit Hilfe technischer Hilfsmittel iSd § 3 Abs 2 1. COVID 19 Justiz-Begleitgesetz ohne Notwendigkeit persönlicher Anwesenheit im Gericht – versucht worden sei. Daher sei gemäß § 335 Abs 1 ZPO die Verhandlung ohne dessen Einvernahme fortzusetzen, um weitere Prozessverzögerungen zu vermeiden. Aufgrund des bisherigen Verhaltens des Zeugen und dessen Nichterscheinen zu seiner Einvernahme habe die Gefahr bestanden, dass die Wiederholung des Versuchs seiner Einvernahme zu einer neuerlichen Verzögerung des bereits seit 29. 5. 2013 anhängigen Prozesses führen würde. Im Übrigen könne als allgemein bekannt angesehen werden, dass ein „Ende der aktuellen Covid 19 Pandemie“ nicht absehbar sei und der Zeuge auch nicht beantragt habe, mit Hilfe technischer Hilfsmittel einvernommen zu werden, diese vielmehr abgelehnt habe.

[12] In der Sache war das Erstgericht der Auffassung, es sei der Klägerin nicht gelungen, eine Treuhandabrede zwischen ihren Gesellschaftern und dem Beklagten und somit den behaupteten Titel für eine Verpflichtung des Beklagten zur Eigentumseinräumung unter Beweis zu stellen. Der Beklagte habe mit dem Zuschlag die Hälfte der Liegenschaft im eigenen Namen und auf eigene Rechnung ohne Bestehen eines Treuhandverhältnisses erworben und sei unbeschränkter Hälfteeigentümer.

[13] Das Berufungsgericht verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erst gericht zurück. Begründend führte es aus, dass dem Erstgericht in der unterlassenen Anordnung der zwangsweisen Vorführung des Zeugen, von dessen Vernehmung es nach Präklusion des Beweismittels gemäß § 335 Abs 1 ZPO Abstand genommen habe , ein wesentlicher Verfahrensmangel unterlaufen sei. Im Fall des unentschuldigten Nichterscheinens des Zeugen sei, neben einer neuerlichen Verzögerung, weitere Voraussetzung für den Eintritt der Präklusion die Ausschöpfung der in § 333 ZPO festgelegten Zwangsmittel, zu denen auch die Anordnung der zwangsweisen Vorführung eines Zeugen zähle. Weitere in der Berufung geltend gemachte Verfahrensmängel verneinte es und billigte auch die Beweiswürdigung des Erstgerichts.

[14] Das Berufungsgericht ließ den Rekurs zur Frage zu, ob im zeitlichen Anwendungsbereich des 1. COVID 19 Justiz-Begleitgesetzes die Präklusionswirkung des § 335 Abs 1 ZPO bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen auch dann eingetreten sei, wenn die zwangsweise Vorführung des beantragten Zeugen nicht angeordnet worden war.

Rechtliche Beurteilung

[15] Der gegen den Aufhebungsbeschluss gerichtete Rekurs des Beklagten ist zulässig , weil die Entscheidung des Berufungsgerichts einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf; er ist auch berechtigt .

[16] 1. Die vom Berufungsgericht angenommene Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens lag nicht vor:

[17] 1.1. Wenn die Vernehmung eines Zeugen vergeblich versucht wurde und zu besorgen ist, dass Wiederholungen des Versuchs zu neuer Verzögerung des Prozesses führen würden, so hat das erkennende Gericht gemäß § 335 Abs 1 ZPO auf Antrag für diese Beweisaufnahme eine Frist zu bestimmen, nach deren fruchtlosem Ablauf die Verhandlung auf Antrag einer der Parteien ohne Rücksicht auf den mittels dieses Zeugen angebotenen Beweis fortzusetzen ist. Vor der Entscheidung über den Antrag ist der Gegner des Antragstellers zu hören.

[18] Diese Bestimmung regelt als lex specialis die Befristung der Wiederholung des Versuchs einer Zeugeneinvernahme nach einem vergeblichen ersten Versuch als Sonderfall der Beweisbefristung nach § 279 ZPO. Wurde daher eine Vernehmung des Zeugen vergeblich versucht, ist § 335 ZPO anzuwenden ( Rechberger in Fasching / Konecny , III/1 3 [2017] § 279 ZPO Rz 8; Annerl , Die innerprozessuale Präklusion von Parteivorbringen im Zivilverfahren [2005] 186; vgl Neumann, Zivilprozeßgesetze 4 [1928], Bd 2 1061).

[19] 1.2. Die Vernehmung des Zeugen muss vergeblich versucht worden sein. Das liegt jedenfalls dann vor, wenn der Zeuge nicht zur Vernehmungstagsatzung erschienen ist. Dabei ist es für die Anordnung der Beweisbefristung und den Eintritt der Präklusion grundsätzlich gleichgültig, ob der Zeuge entschuldigt oder unentschuldigt fernbleibt ( Frauenberger in Fasching / Konecny , III/1 3 [2017] § 335 ZPO Rz 2; vgl Rechberger/Klicka, ZPO 5 [2019] § 335 Rz 1; Annerl , Präklusion 181; Neumann ZPG 4 Bd 2 1062). Dies hat nur Auswirkungen darauf, ob allenfalls weitere Voraussetzungen für die Präklusion erforderlich sind (siehe Punkt 1.4.). Zwar liegen bei entschuldigtem Fernbleiben die Voraussetzungen für die Anwendung der Zwangsmittel des § 33 3 Abs 1 ZPO nicht vor, wohl aber können (im Wiederholungsfall) die Voraussetzungen für eine Präklusion nach § 335 Abs 1 ZPO vorliegen ( Frauenberger in Fasching / Konecny , III/1 3 § 335 ZPO Rz 2; Rechberger/Klicka, ZPO 5 § 335 Rz 1).

[20] 1.3. Weiters muss die Gefahr bestehen, dass die Wiederholung des Versuchs der Vernehmung zu einer neuerlichen Verzögerung des Prozesses führen würde, weil auch der abermalige Versuch fruchtlos sein werde ( Neumann ZPG 4 Bd 2 1062). Die Gefahr einer drohenden Verzögerung muss nicht gewiss sein und auch nicht besonders bescheinigt werden ( Frauenberger in Fasching / Konecny , III/1 3 § 335 ZPO Rz 2; Prankl in Höllwerth/Ziehensack , ZPO [2019] § 335 Rz 3). Ob eine solche Gefahr vorliegt, hängt von den konkreten Umständen ab. Auch eine wiederholte Entschuldigung mit Krankheit ist geeignet, eine Prozessverzögerung zu bewirken (vgl zu § 279 ZPO: 9 ObA 304/97i = RS0108902).

[21] 1.4. Nur im Fall des unentschuldigten Nichterscheinens des ordnungsgemäß geladenen Zeugen ist für den Eintritt der Präklusion nach § 335 Abs 1 ZPO weitere Voraussetzung, dass zuvor die in § 333 Abs 1 ZPO festgelegten Zwangsmittel erfolglos ausgeschöpft wurden. Der erfolglos gebliebene Versuch der zwangsweisen Vorführung ist in diesen Fällen daher Voraussetzung für den Eintritt der Präklusion, weil sich der Gesetzgeber von solchen Zwangsmitteln einen in der Regel eintretenden Erfolg erwartet ( Frauenberger in Fasching/Konecny , III/1 3 § 335 ZPO Rz 4 f). Vorher ist die in § 335 Abs 1 ZPO verlangte Besorgnis der Prozessverzögerung idR nicht gegeben (vgl LGZ Wien MietSlg 36.771 [1983]).

[22] 1.5. Das Gesetz sieht grundsätzlich eine Entschuldigung vor der zur Vernehmung des Zeugen bestimmten Tagsatzung vor. In welcher Form sich der Zeuge entschuldigt, ist gleichgültig. Es ist aber auch eine nachträgliche Entschuldigung möglich (vgl § 333 Abs 2 ZPO), die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der jeweiligen Instanz geltend gemacht werden kann ( Frauenberger in Fasching/Konecny , III/1 3 § 333 ZPO Rz 3 und Rz 10). Eine ärztliche Bestätigung der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit ist idR als genügende Entschuldigung anzusehen ( Frauenberger in Fasching/Konecny , III/1 3 § 333 ZPO Rz 2).

[23] 1.6. Die dessen Vernehmung am 28. 3. und 5. 9. 2019 entgegenstehenden Erkrankungen des Zeugen traten nach dem Inhalt der ärztlichen Bestätigungen offenbar erst am jeweiligen Verhandlungstag selbst ein. Ob in diesen Tagsatzungen tatsächlich von einem unentschuldigten Fernbleiben oder allenfalls auch einer ungenügenden nachträglichen Entschuldigung auszugehen war, wie dies das Erstgericht annahm, kann aber dahinstehen. Denn jedenfalls der (letzten) Verhandlung vom 19. 1. 2022 blieb der Zeuge aufgrund der bereits im Vorhinein erfolgten ausreichenden Entschuldigung wegen Krankheit fern.

[24] Zutreffend weisen daher der Rekurs und auch die Rekursbeantwortung darauf hin, dass die Anordnung weiterer Zwangsmittel iSd § 333 Abs 1 ZPO mangels unentschuldigten Fernbleibens am 19. 1. 2022 nicht zulässig gewesen wäre. Die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage stellt sich somit im vorliegenden Fall nicht.

[25] Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass auch in der Berufung der Klägerin die unterbliebene Anwendung der Zwangsmittel nach § 333 Abs 1 ZPO mangels Vorliegens der Voraussetzungen nicht als Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens geltend gemacht wurde. Ebenso wenig wurde dort dargelegt, weshalb entgegen der Ansicht des Erstgerichts die Voraussetzungen für eine Beschlussfassung über die vorläufige Abstandnahme von der Vernehmung des Zeugen nach § 3 Abs 2 1. COVID 19 Justiz Begleitgesetz vorgelegen wären, sondern wurde vielmehr ein neuerlicher Einvernahmeversuch Ende Februar/Anfang März 2022, nach der erwarteten Genesung von der erlittenen Gehirnblutung, gefordert.

[26] 1.7. Das Erstgericht hat die Vernehmung des Zeugen wiederholt vergeblich versucht. Nach der Tagsatzung vom 5. 9. 2019 plante das Erstgericht nur mehr den Zeugen und einen weiteren Zeugen zu vernehmen; letzterer sagte in der Tagsatzung vom 19. 1. 2022 aus. Zwar hat der Zeuge eine Genesung von seiner zuletzt erlittenen Hirnblutung, die ihn am Erscheinen in der (letzten) Tagsatzung vom 19. 1. 2022 gehindert hat, in Aussicht gestellt. Aufgrund der schon davor, seit dem Jahr 2019, im Verfahren zutage getretenen Krankheitsanfälligkeit des Zeugen war aber dennoch zu besorgen, dass die Wiederholung des Versuchs seiner Einvernahme zu einer neuerlichen Verzögerung des Prozesses führen würde. Die vom Berufungsgericht erblickte Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens liegt daher nicht vor.

[27] 2. § 519 Abs 2 ZPO devolviert bei Spruchreife die Entscheidungsbefugnis des Berufungsgerichts über die Berufung an den Obersten Gerichtshof. Dieser kann dann gemäß § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO über einen Rekurs gegen einen Beschluss des Berufungsgerichts gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO durch Urteil in der Sache selbst erkennen (RS0043853 [insb T7]). Ein solcher Fall liegt hier vor, weil das Berufungsgericht die (weitere) Mängelrüge und – ungeachtet des von ihm angenommenen Verfahrensmangels aufgrund der unterbliebenen Vernehmung des Zeugen * L* – auch die Beweisrüge der Berufung behandelte und beide für nicht berechtigt erachtete ( Musger in Fasching/Konecny , IV/1³ [2019] § 519 ZPO Rz 96 f). Insbesondere billigte es ausdrücklich die Beweiswürdigung des Erstgerichts aufgrund des von diesem (ohne Einvernahme des Zeugen * L*) durchgeführten Beweisverfahrens.

[28] 3.1. Gemäß § 192 Abs 2 ZPO können die nach §§ 187 bis 191 ZPO erlassenen Anordnungen, soweit sie nicht eine Unterbrechung des Verfahrens verfügen, durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden. Ein Rekurs ist daher nur gegen die Entscheidung zulässig, womit ein Verfahren unterbrochen wird. Gegen einen die Unterbrechung abändernden oder ablehnenden Beschluss findet kein weiterer Rechtszug statt, in welcher Form immer die Ablehnung ausgesprochen wurde (RS0037071 [T2]; RS0037020). Anderes würde zwar dann gelten, wenn die Unterbrechung zwingend vorgeschrieben wäre ( RS0037034; RS0037020 ). Das ist hier aber nicht der Fall, weil die Unterbrechung nach § 191 ZPO eine Ermessensentscheidung ist (vgl 4 Ob 12/23b [ErwGr 1.2.]; RS0036918 ).

[29] 3.2. Die vom Erstgericht ausgesprochene Ablehnung des Antrags der Klägerin auf Verfahrensunterbrechung „zur Prüfung eines strafrechtlichen Verhaltens des Beklagten“ wegen (behaupteter) wesentlich geänderter Aussagen ist daher nicht bloß mit einem abgesonderten Rechtsmittel nicht bekämpfbar, sondern überhaupt unanfechtbar (RS0037071 [T1]).

[30] Die diesbezüglichen Berufungsausführungen gehen daher ins Leere.

[31] 3.3. Damit sind die erstgerichtlichen Fest-stellungen der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen.

[32] 4.1. Ausgehend davon ist die Rechtsrüge der Berufung der Klägerin nicht gesetzmäßig ausgeführt.

[33] 4.2. Eine gesetzesgemäß ausgeführte Rechtsrüge liegt vor, wenn in ihr – ausgehend vom festgestellten Sachverhalt – aufgezeigt wird, dass dem Gericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts ein Rechtsirrtum unterlaufen ist. Andernfalls können die Ausführungen zum Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung einer weiteren Behandlung nicht zugeführt werden (vgl RS0043312 ). In der Rechtsrüge muss begründet werden, warum der festgestellte Sachverhalt rechtlich unrichtig beurteilt wurde oder dass infolge eines Rechtsirrtums eine entscheidungswesentliche Tatsache nicht festgestellt wurde ( RS0043312 [T9]). Hiezu reicht insbesondere das bloße Aufstellen einer (unrichtigen) Rechtsbehauptung regelmäßig nicht aus (RS0043603 [T6]). Eine gesetzesgemäß ausgeführte Rechtsrüge liegt überdies nur dann vor, wenn sie vom festgestellten Sachverhalt ausgeht ( RS0043312 [T14]).

[34] 4.3. Weshalb der Zuschlag in der Zwangsversteigerung nur an einen (einzigen) Bieter möglich gewesen sein sollte, legt die Berufung nicht dar (zum Zuschlag an zwei Personen als Bietergemeinschaft vgl etwa 3 Ob 211/03f; 3 Ob 30/00h).

[35] 4.4. Soweit die Rechtsrüge der Berufung damit argumentiert, das Erstgericht habe bestimmte Beweisergebnisse unrichtig interpretiert und von den getroffenen erstgerichtlichen Festellungen abweichende „Ersatzfestellungen“ zur behaupteten Treuhandabrede begehrt, bekämpft sie in Wahrheit (neuerlich) die nun vom Berufungsgericht gebilligte Beweiswürdigung des Erstgerichts. Insgesamt erschöpfen sich die diesbezüglichen Ausführungen der Berufung in einer Wiederholung der Beweisrüge und in rechtlichen Erwägungen, die nicht von den festgestellten Tatsachen ausgehen.

[36] 4.5. Mangels gesetzmäßig ausgeführter Rechtsrüge in der Berufung, kann die materiell rechtliche Beurteilung des Erstgerichts vom Obersten Gerichtshof daher nicht überprüft werden.

[37] 5. Der Rekurs hat somit Erfolg. Das Urteil des Erstgerichts ist wiederherzustellen.

[38] 6. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 50, 41 Abs 1 ZPO.

Rückverweise